| # taz.de -- Familien und Geldmangel: Arme haben Angst, schlechte Eltern zu sein | |
| > Alleinerziehende und kinderreiche Familien in Armut haben oft das Gefühl, | |
| > ihren Kindern nicht gerecht werden zu können, so eine Studie. | |
| Bild: Ein Hochhaus in Meschenich bei Köln | |
| Die neuen schicken Sneakers, das Geschenk für den Kindergeburtstag, eine | |
| Reise: Bei Familien, die mit dem Geld nur so knapp über die Runden kommen | |
| und nichts für Extras übrig haben, besteht die Sorge, durch die materielle | |
| Knappheit ihrer Elternrolle nicht gerecht werden zu können. Dies gilt | |
| besonders für Alleinerziehende. So lautet das Ergebnis einer Studie des | |
| [1][Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung,] (BiB), die sich auf | |
| Befragungen von mehreren Tausend Personen im Alter zwischen 20 und 52 | |
| Jahren bezieht. | |
| Die Studienautor:innen unterschieden dabei zwischen „objektiver“ und | |
| „subjektiver“ Armut. Als objektiv armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 | |
| Prozent des mittleren Haushaltseinkommens zur Verfügung hat, gewichtet nach | |
| Haushaltsgröße. Als „subjektiv“ arm wird definiert, wer angibt, nur „mit | |
| großen Schwierigkeiten“ mit dem Einkommen zurechtzukommen. | |
| Bei Alleinerziehenden ist dieser Druck besonders stark. 25,6 Prozent von | |
| ihnen sind armutsgefährdet, das ist der höchste Wert unter allen | |
| Familienkonstellationen. Sogar etwas mehr, nämlich 26,7 Prozent, empfinden | |
| „subjektive Armut“, haben also das Gefühl, mit ihrem Geld nur unter | |
| Schwierigkeiten klarzukommen. | |
| Unter den Familien mit drei und mehr Kindern sind 18,4 Prozent | |
| armutsgefährdet, das ist der zweithöchste Wert. Aber etwas weniger, nämlich | |
| 15,8 Prozent dieser Befragten, empfanden sich selbst subjektiv als arm, | |
| gaben also an, mit ihrem Geld kaum klarzukommen. Womöglich bildet eine | |
| große Familie auch einen gewissen Schutz gegen das Gefühl, arm zu sein, | |
| zumal sich in großen Familien auch kostengünstiger wirtschaften lässt. | |
| Das Gefühl, arm zu sein oder nicht, hat auch Auswirkungen auf das | |
| Empfinden, „die eigene Elternrolle ausfüllen zu können“, sagte Jan Brüll… | |
| einer der Autor:innen der Studie, am Mittwoch. Diese Sorge betrifft vor | |
| allem Alleinerziehende. | |
| ## Armut und Elternrolle | |
| Von den Alleinerziehenden, die sich selbst als „arm“ einschätzten, | |
| erklärten fast 17 Prozent, der Elternrolle nicht gerecht werden zu können. | |
| Von denjenigen, die sich nicht als arm betrachteten, hatten nur gut 6 | |
| Prozent die Sorge, ihre Elternrolle nicht ausfüllen zu können. | |
| Unter den Familien mit drei und mehr Kindern, die sich als arm | |
| betrachteten, sagten 11,5 Prozent, sie hätten Probleme, ihrer Elternrolle | |
| gerecht zu werden. Eine bessere materielle Lage hilft hier nicht so | |
| durchschlagend wie bei den Alleinerziehenden. Denn unter den Kinderreichen, | |
| die sich nicht als arm einschätzten, erklärten immerhin noch 9 Prozent, sie | |
| hätten das Gefühl, ihrem Nachwuchs nicht gerecht werden zu können. | |
| Das [2][Klischee der Alleinerziehenden,] die vom Bürgergeld lebt, ist dabei | |
| mit Vorsicht zu betrachten. „Bei alleinerziehenden Frauen ist die | |
| Erwerbstätigkeit höher als in jeder anderen Familienkonstellation mit | |
| Kindern“, erklärte Studienmitautor Sebastian Will. | |
| Nur 19 Prozent der alleinerziehenden Frauen sind nicht erwerbstätig, | |
| während dies bei Familien mit ein bis zwei Kindern fast 23 Prozent sind, | |
| bei Familien mit drei und mehr Kindern fast 40 Prozent. Unter den | |
| Alleinerziehenden arbeiten sogar gut 37 Prozent in Vollzeit. Allerdings | |
| sind unter diesen Vollzeit arbeitenden Frauen immerhin fast 14 Prozent noch | |
| armutsgefährdet. Dies zeigt, dass selbst ein Vollzeiteinkommen plus | |
| Kindergeld manchmal eben nicht ausreicht, um einen Ein-Eltern-Haushalt über | |
| die Schwelle der Armutsgefährdung zu heben. | |
| Will erklärte, ein Schlüssel zur Verbesserung der Erwerbstätigkeit sei eine | |
| verlässliche und flexible Kinderbetreuung. Dazu müssten staatliche | |
| Transferleistungen passgenau ein zu geringes Einkommen ergänzen. Rund 27 | |
| Prozent der Alleinerziehenden und 33 Prozent der armutsgefährdeten Familien | |
| finden laut BiB keine oder keine ausreichenden Betreuungsplätze. | |
| 10 Dec 2025 | |
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| [2] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1038774 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
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