| # taz.de -- Expertin zu Gentechnik: „Jede Mutation kann Folgen haben“ | |
| > Die Biologin Weimar-Ehl erklärt, was die Pläne der EU zu Gentechnik für | |
| > Verbraucher:innen, Lebensmittelsicherheit und die Öko-Landwirtschaft | |
| > bedeuten. | |
| Bild: Die Mehrheit der Verbraucher lehnt Gentechnik in Lebensmitteln ab | |
| taz: Frau Weimar-Ehl, können Verbraucher:innen nach der neuen | |
| EU-Regelung Gentechnik in Lebensmitteln noch erkennen?Theresia Weimar-Ehl: | |
| Ohne Kennzeichnung kann ich nicht mehr erkennen, ob ein Lebensmittel, zum | |
| Beispiel eine Tomatensoße oder ein Brot mit gentechnisch veränderten | |
| Pflanzen hergestellt wurden. Es gibt dann keine Transparenz mehr darüber, | |
| wo Gentechnik eingesetzt und pflanzliches Erbgut verändert wurde. Es gibt | |
| außerdem Umfragen, die zeigen, dass Verbraucher Gentechnik größtenteils | |
| ablehnen. Sie möchten das nicht in ihren Lebensmitteln haben oder es | |
| zumindest wissen, ob Gentechnik angewendet wurde. | |
| taz: Bei der Alten Gentechnik wurden neue Gene in Pflanzen eingesetzt. Bei | |
| der Neuen Gentechnik werden Gene in Pflanzen ausgeschaltet, mithilfe der | |
| „Gen-Schere“ Crispr. Dadurch wird die Pflanze weniger verändert. Verringert | |
| das auch die Risiken? | |
| Weimar-Ehl: Nein. Mit der Gen-Schere können Gene abgeschaltet oder | |
| umgeschrieben werden. Jede einzelne Genmutation kann eine Pflanze | |
| verändern. Das kann weitreichende Folgen haben. Ein Beispiel aus der | |
| Medizin: Findet in dem Gen für Insulin eine Mutation statt, also wird ein | |
| Basenpaar verändert, kann das dazu führen, dass Insulin nicht mehr wirkt | |
| und der Mensch Diabetiker wird. | |
| Neue gentechnische Verfahren führen oft zu weitgehenden Veränderungen und | |
| gänzlich neuen biologischen Eigenschaften, die aus konventioneller Züchtung | |
| kaum zu erwarten wären. Das kann unkontrollierbare Wechselwirkungen mit der | |
| Umwelt haben und die Lebensmittelsicherheit gefährden. Diese | |
| unbeabsichtigten Effekte können auch eintreten, wenn der Eingriff gezielt | |
| und präzise ist. Deshalb sind Risikoüberprüfungen und | |
| Technikfolgenabschätzung im Voraus so wichtig. | |
| taz: Künftig soll Gentechnik nur noch auf Saatgut gekennzeichnet werden | |
| müssen. Was nützt das den Verbraucher:innen? | |
| Weimar-Ehl: Der Endverbraucher kriegt das gar nicht mit. Nur der Landwirt, | |
| der Saatgut einkauft, weiß das. Schon der Landwirt vom Acker nebenan weiß | |
| das unter Umständen nicht. Wenn Pollen auf den anderen Acker fliegen, | |
| können sich die gentechnisch veränderten Pflanzen unkontrolliert | |
| ausbreiten. Gerade für Ökolandwirte wird das ein Problem. Der Landwirt muss | |
| dann mit viel Aufwand und hohen Kosten die Gentechnikfreiheit seiner | |
| Produkte nachweisen. Das kann zu einer Verteuerung der Lebensmittel führen. | |
| Das betrifft auch die Hersteller von Bio-Produkten. | |
| taz: Auch Umweltprüfungen gentechnisch veränderter Pflanzen sollen | |
| wegfallen. Das klingt fahrlässig. | |
| Weimar-Ehl: Das ist es auch. Ja, es kann sein, dass alles gut geht. Wir | |
| wollen die Neue Gentechnik ja nicht verbieten. Wir fordern nur die | |
| Risikoüberprüfung und eine Kennzeichnung. Denn wenn sich die neuen Pflanzen | |
| – sei es erst in der zweiten Generation – als gefährlich für die Umwelt | |
| herausstellen, haben wir ein Problem. Das wieder zurückzuholen, wird | |
| schwierig. | |
| taz: Die Befürworter:innen hoffen, dass die Technologie uns zu | |
| Pflanzen führt, die widerstandsfähiger gegen Dürren sind und weniger Dünger | |
| benötigen. Ist das nachhaltig? | |
| Weimar-Ehl: Die Frage ist: Ist das überhaupt möglich? Versprochen hat das | |
| schon die Alte Gentechnik. Bis jetzt ist kaum eine Pflanze auf dem Markt, | |
| die das erfüllt. Klimaveränderung heißt zum Beispiel nicht, es ist immer zu | |
| trocken und wir brauchen per se Pflanzen, die weniger Wasser benötigen. | |
| Klimaveränderung heißt, wir haben wechselhaftes Klima, mal zu trocken, mal | |
| zu nass. Da muss der Bauer würfeln: Welches Saatgut bringt er jetzt auf | |
| seinen Feldern aus? | |
| taz: Welche Alternativen gibt es für eine klimakrisenfeste Landwirtschaft | |
| ohne Gentechnik? | |
| Weimar-Ehl: Es gibt gute Ansätze im Ökolandbau, die durch Biodiversität | |
| funktionieren. Das ist wie mit Geldanlagen: Wenn ich breit anlege, dann ist | |
| mein Verlustrisiko geringer. Wir hätten wir ein Riesenproblem, wenn alle | |
| nur noch einige wenige Pflanzen anbauen. | |
| 5 Dec 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Fründt | |
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