| # taz.de -- Abhängigkeit von Tech-Konzernen: „Am Tropf einer politisch instr… | |
| > Zwischen Google und Microsoft: Europa hat es verpasst, sich von den USA | |
| > und China digital unabhängig zu machen, meint der Soziologe Philipp | |
| > Staab. | |
| Bild: Bezahlen mit den eigenen Daten: Wir haben uns den Tech-Konzernen ausgelie… | |
| taz: Herr Staab, worin besteht für Sie die digitale Zwickmühle? | |
| Philipp Staab: Ich meine, dass unser Leben in seinen Grundstrukturen von | |
| den Aktivitäten einer sehr kleinen Zahl sehr großer Unternehmen | |
| durchdrungen ist. In dieser Welt geht es nicht um die horizontale Dynamik | |
| eines Netzes, in dem alle herrschaftsfrei agieren. Sondern es ist eine | |
| Welt, in der unsere Leben datenbasiert durchkommerzialisiert sind. Und in | |
| der diese Daten sechs oder sieben weltweit agierenden Konzernen zugeführt | |
| werden. | |
| taz: Wie konnte es dazu kommen? | |
| Staab: Ich denke, die Digitalisierung konnte so schnell alles durchwirken, | |
| weil die Einstiegshürden extrem niedrig sind. Und das liegt daran, dass | |
| dies eine Welt ist, die ihre Expansion dadurch erzeugt hat, dass sie alle | |
| möglichen Güter massiv subventioniert hat. Bis heute zahlen Sie monetär | |
| nichts für eine Googlesuche, für Chatplattformen oder Ihr E-Mail-Konto. Sie | |
| zahlen stattdessen mit Ihren Daten. | |
| taz: Und ist diese Strategie auch heute noch wirkungsvoll? | |
| Staab: Ja, schauen Sie sich etwa den aktuellen KI-Hype an. Die Menge von | |
| Milliarden Dollar, die da von den Unternehmen verbrannt werden. Und | |
| gleichzeitig sind diese Produkte gratis nutzbar, weil so Marktanteile | |
| gesichert werden. Und dies, obwohl man noch gar nicht so richtig weiß, | |
| welches Geschäftsmodell dahinterstehen könnte. | |
| taz: Ist dies also nicht nur eine Frage der ökonomischen, sondern auch der | |
| politischen Macht? | |
| Staab: Auf diesen Märkten gibt es eine extreme Dominanz von | |
| US-amerikanischen und chinesischen Unternehmen. Und das findet in einer | |
| Situation statt, in der die elementarsten Aufgaben eines Staates nicht mehr | |
| ohne diese Technologien zu erbringen sind. Weil zum Beispiel der deutsche | |
| Software-Konzern SAP eng mit Google zusammenarbeitet, ist die Bundeswehr, | |
| der Kern staatlicher Souveränität, jetzt in der Googlecloud. | |
| taz: Diese Souveränität des Staates ist bedroht? | |
| Staab: Ja, denn man hat verpasst, eigene Unternehmen und vielleicht auch | |
| eigene öffentliche Alternativen erfolgreich ins Spiel zu bringen – und | |
| jetzt hängt man am Tropf einer zunehmend politisch instrumentalisierten | |
| Industrie. Wir sehen ja jetzt in den USA, was passiert, wenn es eine | |
| Annäherung von einer aus unserer Sicht problematischen politischen Praxis | |
| an diese Unternehmen gibt. Da gibt es dann einen digitalen Staat, der in | |
| der Lage ist, sich gegen die Interessen seiner Bevölkerung durchzusetzen. | |
| Und auf diese Probleme kann man in Europa überhaupt nicht reagieren, weil | |
| man hier im Grunde nicht handlungsfähig ist. | |
| taz: Kann man also von einem digitalen Imperialismus sprechen? | |
| Staab: Wenn Sie unsere Situation mit einer historischen | |
| Imperialismusanalogie beschreiben wollen, dann wäre das die Geschichte der | |
| East India Company, mit der die Briten in Indien Fuß gefasst hatten. Das | |
| war ja im Kern zuerst auch ein wirtschaftliches Handelsunternehmen. Der | |
| britische Expansionsimperialismus hat in dem Moment sein Gesicht gezeigt, | |
| als die Inder begonnen haben, sich zu wehren. Nach lokalen Aufständen gegen | |
| die Company begannen die Briten Indien dann auch offiziell zu kolonisieren. | |
| Und erinnert das nicht an den zunehmenden Widerwillen in der EU, sich all | |
| dem vollständig zu fügen? | |
| taz: Ist das eine Prognose oder eine Zustandsbeschreibung? | |
| Staab: Ich denke, das ist die Situation, in der wir uns schon befinden. So | |
| wird jetzt versucht, Microsoft zumindest in Teilen aus der deutschen | |
| Verwaltung wieder rauszukriegen, weil es die Befürchtung gibt, Trump könnte | |
| da einfach den Stecker ziehen. Und dann würde vom Bürgeramt bis zum | |
| Kanzleramt nichts mehr funktionieren. Das ist ja auch schon passiert. Karim | |
| Ahmad Khan, dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof in Den | |
| Haag, hat Microsoft die E-Mail-Adresse abgestellt. | |
| 7 Dec 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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