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# taz.de -- Weimer und die Tegernsee-Connection: Das Kulturabbauministerium
> Nicht zu fördern, was einem nicht gefällt, ist eine Sache. Die
> Kommerzialisierung und die Manipulation von Kultur stehen auf einem
> anderen Blatt.
Bild: In Berlin protestieren unter anderm Kultureinrichtungen gegen Kürzungen,…
Nun also ist Wolfram Weimer, der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur
und Medien, wie der Irgendwie-Minister für Irgendwie-Kultur offiziell
heißt, ins Gerede gekommen, von wegen Interessenkonflikt und Blabla. Dass
dieser bescheidene Kolumnist schon bei der Amtseinführung kritisch auf die
Tegernsee-Connection hinwies, ist genauso geschenkt wie der Umstand, dass
man für diese lukrative Politik-Wirtschaft-Kuppelei auch den Bayerischen
Verfassungsorden bekommt.
Über dem Kampagnenwirbel aber ist ganz in Vergessenheit geraten, worum es
bei diesem Minister für oder gegen Kultur eigentlich geht, nämlich ums
Ganze. Es ist ganz offensichtlich herrschende Auffassung dieser Regierung,
dass ausgerechnet an den beiden sensibelsten Punkten einer demokratischen
Gesellschaft gespart werden muss: an den Aufgaben des Sozialstaates, der
für ein Minimum an Gerechtigkeit zu sorgen hätte, und an der Kultur.
Genauer gesagt geht es erst einmal darum, was man überhaupt unter Kultur
versteht und was darin förderungswürdig sei. In der Wirtschaftswissenschaft
wird das in dankenswerter Klarheit als das „politisch Gewollte“ der
„meritorischen Güter“ angesehen. Was so viel heißt, als dass der Staat
gewisse Dinge bezuschussen soll, die entgegen der marktradikalen Auffassung
als wert erachtet werden, obwohl sie sich allein durch den Markt nicht
erhalten können.
Die radikalste Fraktion des Neoliberalismus verlangt danach, die Kultur,
also Theater, Musik, Film, Literatur, Tanz, Bildhauerei und mehr, einfach
sich selbst zu überlassen. Der viel clevere Teil hingegen stützt sich auf
das „politisch Gewollte“ und fördert, wie wir es in Ländern wie den USA,
Ungarn oder Italien sehen, nach Kräften eine Kultur, die dem nationalen
Glamour, der rechten Weltanschauung und nicht zuletzt dem jeweiligen
Herrscherclan zupasskommt.
Wenn es um die diverse Mischung der beiden rechten beziehungsweise
neoliberalen Kulturstrategien geht, dann ist der derzeitige deutsche
[1][für die Kultur beauftragte Minister] ein absolutes As. Er arbeitet
nämlich konzentriert und sonderbar unbehelligt an den drei Strategiepunkten
von neoliberal-rechtsgerichteten Regierungen:
## Kritisches ist unerwünscht
1. Genereller Abbau von kulturellen Einrichtungen, was möglicherweise nur
relativ wenig zur Sanierung der Haushalte beiträgt, aber neben einem hohen
Symbolgehalt die Szenen und Institutionen, denen man ohnehin kritisch
gegenübersteht, unter Druck setzt. Wie bei der Trump-Regierung trifft es
auch hier Einrichtungen besonders hart, die von einer liberalen,
demokratischen Regierung durchaus politisch gewollt sein sollten, weil sie
als kulturelle Vermittler über die Grenzen des Landes hinaus bekannt sind,
ohne indes willfährige Propagandainstrumente des Staates zu sein.
Das betrifft etwa die [2][Goethe-Institute], das betrifft die Akademie der
Künste in Berlin, das betrifft die Auslandssender des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Man schleift die Leuchttürme einer
Kultur, die einst aller Welt vermittelten, dass zu einem demokratischen
Staat eine unabhängige, kritische und lebendige Kultur gehört.
2. Privatisierung oder Teilprivatisierung und Kommerzialisierung
kultureller Aktivitäten und Institutionen. Ein Hebel zum Abbau von Kultur
und Generierung von Profiten für die eigene Kundschaft ist dabei unter
anderem das Immobiliengeschäft. Zum Kulturabbau gehört es, unliebsamen
Institutionen die Häuser zu nehmen, und umgekehrt scheint jede attraktive
kulturell genutzte Immobilie im „Stadtbild“ die Begehrlichkeit
politisch-ökonomischer Interessen zu wecken.
Verbunden mit der Kommerzialisierung und Privatisierung von Kultur ist die
von unserem Kulturminister stets wiederholte Forderung nach dem
„Populären“. Das „politisch Gewollte“ und das ökonomisch Erfolgreiche
werden miteinander vermischt. Die Kultur ist da die direkte Widerspiegelung
der neoliberalen Gesellschaft.
## Profitabel soll es sein
3. Und hier hört der Spaß mit der Kultur in der Weimer-Republik nun
endgültig auf: Es gibt zunehmend direkte Einflussnahmen bis hinein in die
Programmgestaltung durch staatliche Kulturbürokratie. Statt, wie es für
eine Kulturpolitik in einem wirklich demokratischen Land selbstverständlich
wäre, Hüterin der Unabhängigkeit, der Freiheit zu sein (auch da, wo’s mal
weh tut), wird, wenn es so weitergeht, auch hierzulande eine
Regierungsinstitution zu einer Partei im Kulturkampf.
Wenn man nun doch noch freundlich daran erinnert, dass unser für Kultur
beauftragter Minister [3][Inhaber einer Firma] ist, die für die Kleinigkeit
von 80.000 Euro „zwanglose“ Unterredungen von Politikern und
Wirtschaftsleuten beim Ludwig-Erhard-Gipfel am schönen Tegernsee
vermittelt, und ein eigenes Medien-Unternehmen besitzt und sich dabei, nun
ja, auch „fördern“ lässt – passend dazu die SZ-Überschrift: „[4][Bay…
zahlte] [5][700.000 Euro für Weimer-Gipfel am Tegernsee]“ – so entsteht das
Gesamtbild eines Trumpismus light.
In der Tagesschau des Deutschen Fernsehens heißt Herr Weimer denn auch nur
noch „Medienminister“, für den es einen „Interessenkonflikt“ gibt. Was
unterdessen mit der Kultur geschah, wird schnell vergessen. Doch es scheint
höchste Zeit, die Demokratie vor solcher Kulturpolitik zu schützen.
Die Einschläge kommen stetig näher. Während die Kulturinstitutionen der
demokratischen Zivilgesellschaft geschliffen und versenkt werden, wird die
staatliche Förderung für den [6][rechts-offenen Thinktank Republik 21 e.
V.] auf stattliche 500.000 Euro verdoppelt. Es ist, als würden das
Kulturkampfministerium und seine Entourage schon vorwegnehmen, was uns in
absehbarer Zeit blüht. Auf den Abbau der Kultur folgt der Abbau der
Demokratie.
26 Nov 2025
## LINKS
[1] /Kommender-Kulturstaatssekretaer-Weimer/!6085041
[2] /Goethe-Institutsleitung-zu-Kulturpolitik/!6112557
[3] /Tausende-Euros-fuer-ein-Abendessen-mit-Ministern-was-passiert-beim-Ludwig-…
[4] https://www.sueddeutsche.de/bayern/weimer-soeder-tegernsee-gipfel-geld-krit…
[5] https://www.sueddeutsche.de/bayern/weimer-soeder-tegernsee-gipfel-geld-krit…
[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/republik-21-schwarz-rot-will-kon…
## AUTOREN
Georg Seeßlen
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