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# taz.de -- Neuer Femizid-Gedenkort in Leipzig: Ein Mahnmal reicht nicht
> In Leipzig soll ein Gedenkort für die Opfer von Femiziden entstehen. Um
> Gewalt gegen Frauen zu verhindern, braucht es auch Geld für
> Hilfsprojekte.
Bild: Demonstrierende am feministischen Kampftag sind laut für die Opfer von G…
Es mag gut gemeint sein: Im Leipziger Stadtrat wurde in diesem Jahr ein
neuer Gedenkort im öffentlichen Raum beschlossen. Wie es im
Beschlussvorschlag zum Haushaltsantrag von Stadträtinnen der Fraktionen
Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD sowie eine Stadträtin der Partei
Die Partei heißt, soll dieser Ort „zur Prävention nicht nur von
[1][Femiziden] selbst, sondern auch von sexueller und häuslicher Gewalt,
die einem Femizid häufig vorangehen“ dienen.
An der Ausarbeitung des Antrags beteiligt [2][waren auch die Leipziger
Ortsgruppe] #keinemehr und der Phia e. V., der sich gegen Gewalt gegen
Frauen einsetzt. Mit einer stattlichen Summe von insgesamt 140.000 Euro
soll das Projekt nun umgesetzt werden.
Es wird der erste behördlich beschlossene Gedenkort dieser Art und
Größenordnung in Deutschland sein, lediglich in München ist ein ähnlich
umfangreiches Vorhaben in Planung. In Osnabrück schuf die Künstlerin Irène
Mélix bereits 2024 [3][ein dreiteiliges Femizid-Mahnmal], das das
internationale Hilfezeichen für häusliche Gewalt zeigt: eine offene, flache
Hand, eine offene Hand mit eingeklapptem Daumen und eine geballte Faust.
Ein offizieller Gedenkort „generiert Aufmerksamkeit, schafft
Sensibilisierung, die Bündelung von Akteur:innen und von Expertise“,
sagt #keinemehr Leipzig der taz. So wird jenes Thema dauerhaft und für alle
sichtbar in die Öffentlichkeit geholt, was bis heute nicht selten als
„Beziehungsdrama“ oder „partnerschaftlicher Konflikt“ beschönigt wird.
Im besten Fall irritieren solche Orte und fordern uns heraus, tätig zu
werden. So wie im Fall des Osnabrücker Mahnmals, das in seiner Schlichtheit
einen stummen Hilferuf darstellt. Dass ein solches Handzeichen überhaupt
existieren muss, ist erschreckend. Dass es international bekannt ist und
während der Coronapandemie auf Tiktok viral ging, ebenfalls. Gedenkorte
führen uns plastisch vor Augen: Gewalt an Frauen hat System.
## Sensibler Umgang mit Opfern
Die Leipziger Ortsgruppe von #keinemehr und Phia e. V. sind an der
Ausgestaltung des Ortes beteiligt. Wie der Leipziger Gedenkort aussehen
soll, ist noch unklar, fest steht lediglich, dass es sich um eine dauerhaft
installierte künstlerische Arbeit handeln soll. Denkbar ist ein ähnliches
Mahnmal wie in Osnabrück, möglich aber auch eine über die Stadt verteilte
Installation, bei der beispielsweise an Tatorten Gedenktafeln aufgestellt
werden, ähnlich den Stolpersteinen.
Für #keinemehr Leipzig und Phia e. V. besteht die Schwierigkeit vor allem
darin, sensibel mit den Opfern umzugehen. Dabei stellen sie sich Fragen
wie: „Wie beziehen wir die Namen und Geschichten der Betroffenen ein? Wie
detailliert schildern wir die Gewalt?“ Das ist wichtig, um Gedenken zu
ermöglichen, ohne die Opfer einem entstellenden Voyeurismus preiszugeben.
Auch deswegen sollten aktivistische Gruppen an der Umsetzung beteiligt
sein.
Ohne ihren Input besteht eine weitere Gefahr: dass diese Orte zur reinen
Symbolpolitik verkommen. Ein offizieller Gedenkort sorgt zwar für
Sichtbarkeit, es darf jedoch nicht nur dabei bleiben. Die Aufarbeitung von
Femiziden könnte von politischer Seite als abgeschlossen verbucht werden,
wenn ein physischer Ort eingerichtet ist – schließlich hat man ja bereits
eine ordentliche Summe dafür ausgegeben. Für eine solche reine
Symbolpolitik ist das Thema zu drängend und die Umstände bedrohter Frauen
zu lebensgefährlich.
Geld für ihre Unterstützung fehlt an allen Ecken und Enden. Im Jahr 2022
wurden über 16.000 Frauen aus Platzmangel bei Frauenhäusern abgewiesen.
Ähnlich prekär ist es für [4][Fachberatungsstellen, wie beispielsweise den
Tilda-Fonds], die sich zum großen Teil aus Spenden finanzieren und auf
ehrenamtliche Arbeit angewiesen sind. Auch Gruppen wie die [5][Initiative
Edelgard aus Köln], die auf Konzerten, an Karneval und bei Festivals
Betroffene von sexualisierter Gewalt unterstützt, arbeiten mit knappen
Mitteln. Ist es also wirklich ein Mahnmal für 140.000 Euro, das jetzt
gebraucht wird?
Die Kulturwissenschaftlerin [6][Aleida Assmann] beschreibt in ihrem Buch
„Der lange Schatten der Vergangenheit“, wie komplex offizielles Gedenken
ist und was es braucht, um Missstände zu verändern. Was sie dort für das
Gedenken an die Shoah beschreibt, lässt sich in Teilen auch auf
Femizidgedenken übertragen.
## Es braucht lebendiges Gedenken
Ein Gedenkort trage nur dann zu einer aktiven Erinnerungskultur bei, wenn
er nicht einfach nur als eine Art Blitzableiter der eigenen Schuld
funktioniere, sondern zur tatsächlichen Reflexion einlade: durch
Partizipation, durch Information, durch das stetige Lebendighalten der
Diskussion. Nur so könne ein solcher Ort auch präventiv zukünftige Gewalt
verhindern.
Genau dieses lebendige Gedenken ist auch der Wunsch der aktivistischen
Gruppen. Im Prinzip kann ein Gedenkort allerdings immer nur ein Baustein in
einem komplexen Gefüge von Gedenken sein.
Wichtig dabei, so beschreibt es Assmann ebenfalls, sei, dass Erinnerung zum
Ritual werde, beispielsweise in Form von jährlichen Gedenktagen, wie dem
Internationalen [7][Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25.
November]. So wird das Vergangene regelmäßig in die Gegenwart zurückgeholt
und es besteht die Möglichkeit für ein kollektives Erleben, kurz: ein
geteilter Raum für Trauer, Erinnerung, Anklage, Mahnung.
Man darf gespannt sein, ob die Politik die Anregungen der selbst
organisierten Initiativen ernst nimmt und es gelingt, einen Ort zu
erschaffen, an dem genau dies möglich ist. Und das flächendeckend auch an
anderen Orten Deutschlands. Wann der Gedenkort in Leipzig eröffnet wird,
ist unklar. Noch wurden die beschlossenen Gelder nicht freigegeben.
25 Nov 2025
## LINKS
[1] /Neue-Studie-ueber-Femizide/!6126578
[2] https://keinemehrleipzig.noblogs.org/
[3] /Femizid-Mahnmal-in-Osnabrueck/!5984443
[4] /Sexualisierte-Gewalt/!6005358
[5] /Initiative-gegen-sexualisierte-Gewalt/!6109352
[6] /Interview-mit-Aldeida-Assmann/!vn6059398/
[7] /Internationaler-Tag-zur-Beseitigung-von-Gewalt-gegen-Frauen/!t5360562
## AUTOREN
Lea Sauer
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Schwerpunkt Femizide
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