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# taz.de -- Klauen lernen: Das Fest der Diebe
> In der Adventszeit nimmt der Ladendiebstahl zu. Dafür finden sogar
> Klauworkshops statt. Unsere Autorin hat zugehört.
Bild: Um nicht erwischt zu werden, sollte vorab ein Ladendiebstahl-Workshop bes…
Ein dunkler Raum, irgendwo in Berlin. Ungefähr 40 Menschen sitzen im Keller
einer Kneipe auf Bierzeltbänken und warten gespannt. „Welcome to a
beginner’s guide to shoplifting!“ – auf Deutsch: Willkommen zu einer
Einführung in den Ladendiebstahl! –, ruft ein Mann in die Menge und die
Anwesenden klatschen begeistert.
Es ist Adventszeit, und [1][in den Medien hört man wieder viel über das
Klauen]. Man soll sich auf Weihnachtsmärkten vor Taschendieb:innen in
Acht nehmen und der Einzelhandel erhöht die Sicherheitsmaßnahmen –
verständlich, schließlich machen viele Geschäfte im Dezember einen
beachtlichen Anteil ihres Jahresumsatzes.
„Ihr seid wie ich wahrscheinlich heute hier, [2][weil das alltägliche Leben
immer teurer wird] und es nicht möglich ist, von einem normalen Gehalt zu
leben“, sagt der Vortragende, der sich „Professor“ nennt und seinen Vortr…
als eine Art Univorlesung konzipiert hat. Unterstützung bekommt er von
seiner vierbeinigen Gastprofessorin, einem mittelgroßen schwarzen Hund, der
zur Erheiterung der „Studierenden“ durch den Raum läuft.
Ein weiterer Grund, der ihn [3][zum Klauen gebracht ha]be: „Ich sehe es
nicht ein, Leute wie Dieter Schwarz weiter zu unterstützen.“ Auch diese
Aussage trifft auf große Zustimmung im „Vorlesungssaal“. Denn Dieter
Schwarz ist der Unternehmer, dem Lidl und Kaufland gehören. Der Milliardär,
von dem es im Internet nur zwei bis drei Bilder in schlechter Qualität
gibt, gilt als reichster Deutscher.
## Teilnehmende: Das ist ungerecht
Kurz bricht eine Diskussion darüber aus, dass Vater Staat sich lieber
schützend vor Schwarz’ Milliarden stellt als vor einfache Menschen. Während
die schon für entwendete Kleinstbeträge mit einer Strafe rechnen müssten,
würde bei den Vergehen der Reichen, etwa bei Steuerhinterziehung, immer mal
wieder ein Auge zugedrückt, so der Tenor unter den Anwesenden.
Aus dieser Perspektive, sei sie nun gerechtfertigt oder nicht, ergibt es
durchaus Sinn, dass diese Veranstaltung nicht die Erste ihrer Art ist.
Allein in Berlin fanden in den letzten Monaten drei Klauworkshops statt,
von denen wir wissen. Was man dort lernt?
Zum Beispiel den Smartphonetrick. Dabei geht man durch das Geschäft und hat
sein Handy in der Hand. Immer mal steckt man es in die Tasche und holt es
wieder raus. Mit derselben Hand greift man Artikel aus dem Regal und lässt
sie dabei unauffällig in der Jackentasche oder unter einem langen Ärmel
verschwinden.
Oder die Zweibeutelmethode: Hier wird ein leerer Beutel mit billigen
Artikeln gefüllt. Die teuren Waren gehen in den zweiten, in dem man auch
noch andere Sachen hat, etwa einen großen Pulli oder eine Wasserflasche.
Dabei sei es wichtig, die stibitzten Artikel unter den eigenen
Habseligkeiten zu verstecken, sodass nur diese zu sehen sind, falls man an
der Kasse aufgefordert wird, die Tasche zu öffnen, führt der „Professor“
weiter aus.
## Mehr Aufwand: Der Alidtütentrick
Wer etwas mehr Aufwand betreiben möchte, kann sich auch eine
Aluminiumtasche besorgen beziehungsweise eine Tasche mit Alufolie
auskleiden – auch bekannt als Alditütentrick – und Gegenstände mit
Sicherungen dort hineintun. Das Aluminium verhindert, dass die
Sicherheitssensoren ausgelöst werden, weil die elektromagnetische Strahlung
so nicht erkannt werden kann.
Schnell wird klar: Die meisten Anwesenden sind keine Neulinge in der
Materie, sondern schon geübt im Fünf-Finger-Discount. In der anschließenden
Diskussion werden Tipps und Geschichten ausgetauscht. Zum Beispiel
berichten viele davon, dass die KI-Überwachung in ihren Herkunftsländern
schon fortgeschrittener sei und sie dankbar sind, dass Deutschland so eine
Digitalwüste ist.
Doch nicht nur Kund:innen klauen im Einzelhandel, auch
Lieferant:innen und Mitarbeiter:innen. Aus einer Filiale der Modekette
H & M etwa ist bekannt, dass sich nach Feierabend alle Mitarbeitenden in
einer Reihe versammeln müssen. Die Schichtleiterin sucht nach dem
Zufallsprinzip eine Person aus und diese muss dann ihre Tasche öffnen.
Am Ende des Vortrags kommt noch ein „rechtlicher Tipp“: Gesetzt den Fall,
man wird beim Verlassen des Ladens vom Personal angesprochen, soll man die
Tasche mit den geklauten Sachen einfach in den Raum hineinschmeißen und
dann abhauen. Das Sicherheitspersonal sei ja bloß dafür da, die Gewinne zu
schützen, und werde deshalb nur in seltenen Fällen hinterherlaufen – so
zumindest die Behauptung.
„Herzlichen Glückwunsch, ihr erhaltet jetzt alle das Zertifikat für
Ladendiebstahl!“, verkündete der „Professor“ am Ende seiner ungewöhnlic…
Vorlesung. Ob man die Theorie nun selbst in die Praxis umsetzen will? Kein
Kommentar!
Die Autorin möchte anonym bleiben.
10 Dec 2025
## LINKS
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