| # taz.de -- Kampf der Geschlechter: Sie wären gerne großes Tennis | |
| > In Dubai kommt es im Dezember zur Neuauflage des „Battle of the Sexes“. | |
| > Aryna Sabalenka und Nick Kyrgios sehnen sich nach weltweiter | |
| > Aufmerksamkeit. | |
| Bild: Schlagkräftig: Sabalenka ist wegen ihrer Aufschläge gefürchtet | |
| Spitzensport mit Blockbuster-Unterhaltung“ wird auf der Website des | |
| Veranstaltungsorts, der Arena in Dubai, versprochen. Angekündigt wird dort | |
| seit dieser Woche für den 28. Dezember der Tennisgipfel zwischen Aryna | |
| Sabalenka, der Weltranglistenersten der Frauen – also wirklich Spitzensport | |
| – und „dem ultimativen Showman“ Nick Kyrgios, der Nummer 652 der | |
| Herrenweltrangliste. Seit März hat er kein Spiel mehr bestritten. Probleme | |
| im Nachgang einer Handgelenksoperation machen ihm zu schaffen. | |
| Als Neuauflage des berühmtesten Battle-of-the-sexes-Matches vor 52 Jahren | |
| zwischen der siegreichen Billie Jean King und Bobby Riggs wird das Event | |
| angepriesen, über das nun angeblich die ganze Welt spricht. „Werden Sie | |
| Teil der Geschichte, wenn dieser legendäre Showdown in Dubai für die | |
| Moderne neu interpretiert wird“, heißt es aus Dubai. Und die 27-jährige | |
| Belarussin Sabalenka hilft kräftig dabei, das Ereignis als eines von | |
| gesellschaftlicher Bedeutung zu verkaufen. „Ich habe so viel Respekt vor | |
| Billie Jean King und vor dem, was sie für den Frauensport getan hat. Ich | |
| bin stolz darauf, das Damentennis zu repräsentieren und an dieser modernen | |
| Version des kultigen Geschlechterkampfes teilzunehmen.“ | |
| Während der US Open Anfang September wurde erstmals die Idee für dieses | |
| Match in die Öffentlichkeit getragen. Ausgedacht hat man sich das in der | |
| Sportagentur Evolve, die von der japanischen Spitzentennisspielerin Naomi | |
| Osaka mitbegründet wurde und die auf das Vermehren von Tennisprofiguthaben | |
| spezialisiert ist. Sowohl Kygios als auch Sabalenka stehen bei Evolve unter | |
| Vertrag. Letztere erst seit Beginn diesen Jahres. | |
| Wie die New York Times berichtete, war Sabalenka über die Werbeerlöse, die | |
| ihre vorherige Agentur eintrieb, enttäuscht. Ihre Werbeeinnahmen im Jahr | |
| 2024 betrugen laut dem Magazin Forbes 9 Millionen US-Dollar, während die in | |
| der Weltrangliste hinter ihr platzierte Coco Gauff aus den USA im selben | |
| Zeitraum 25 Millionen einstrich. Marketingexperten [1][erklären das mit der | |
| Herkunft von Sabalenka.] | |
| Das Marktgeschrei der letzten Tage aus Dubai weist darauf hin, dass die | |
| Veranstalter sich von ihrem inszenierten Geschlechterkampf auch pekuniär | |
| einiges erhoffen. Kyrgios, in der Rolle des männlichen Großmauls bestens | |
| besetzt, heizt das Interesse an. Er werde locker gewinnen, tönte er schon | |
| während der US Open. In der Vergangenheit hat sich der 30-jährige | |
| Australier des Öfteren despektierlich über das Frauentennis geäußert. | |
| ## „Einzelne Dummheit“ | |
| Über die fehlende „Starpower“ etwa, oder deren Unfähigkeit, | |
| Männeraufschläge returnieren zu können. Für seinen Ruf als „Bad Boy“ hat | |
| Kyrgios einiges getan. Schläger zertrümmert, Gegenspieler und | |
| Schiedsrichter mit Schimpftiraden überzogen oder in Richtung der Zuschauer | |
| gespuckt. Häusliche Gewalt gegen seine ehemalige Lebensgefährtin räumte er | |
| auch schon ein und kam ungestraft davon, weil ein Richter die Anklage | |
| abwies und den Vorfall als „einzelne Dummheit“ bewertete. | |
| Das Event Ende Dezember wird nicht der erste „Battle of the Sexes“ der | |
| Tennisgeschichte werden. Berühmt ist vor allem [2][dieses]: Am 20. | |
| September 1973 standen sich im Houston Astrodom [3][Billie Jean King] und | |
| Bobby Riggs gegenüber. | |
| Sportlich ist die Sache kurz erzählt: Billie Jean King, damals die beste | |
| Spielerin der Welt, schlug den 55-jährigen Riggs glatt 6:4, 6:3, 6:3. | |
| Riggs, der in den 1940er-Jahren eine große Nummer gewesen war, lebte vor | |
| allem davon, sich selbst zu promoten. Eine erste Herausforderung hatte King | |
| abgelehnt, dann hatte sich Riggs an [4][Margaret Court-Smith] gewandt. | |
| Die Australierin war von 1960 bis Anfang der 1970er die beste Spielerin der | |
| Welt gewesen. Court-Smith sagte Riggs zu, denn sie hatte im Mai 1973 gerade | |
| Zeit. Doch Riggs gewann und vermarktete seinen Sieg als „Mother's Day | |
| Massacre“, als das Massaker am Muttertag. | |
| Das war so unangenehm, dass King die Offerte doch annahm, zumal für den | |
| Sieg 100.000 Dollar ausgelobt wurden. King nahm nicht nur die sportliche | |
| und finanzielle Herausforderung an, sondern auch die politische. Auf einer | |
| Sänfte ließ sie sich von halbnackten Männern ins Stadion tragen. Riggs | |
| hingegen inszenierte sich selbst als „Sugar Daddy“ – schon damals ein | |
| schmieriger Begriff. | |
| ## Politische Spitzensportlerin | |
| King gewann und sagte danach: „Das ist der Höhepunkt von 19 Jahren Arbeit.“ | |
| Die sportliche Herausforderung meinte sie damit nicht. In ihrer | |
| Autobiografie „All In“ (2021) schreibt sie: „Nach einem halben Jahrhundert | |
| ist es vielleicht schwer zu verstehen, warum einem Tennismatch wie dem | |
| zwischen Bobby und mir so viel Bedeutung beigemessen und so viel Wirbel | |
| darum gemacht wurde. Aber die Bedeutung war real.“ | |
| Nicht nur bei diesem Spiel hatte es Billie Jean King verstanden, ihren | |
| Sport als politisch zu präsentieren. 1973 hatte sie gerade mit anderen | |
| Spielerinnen die Gewerkschaft WTA gegründet, [5][Women’s Tennis | |
| Association]. Zuvor hatten sich die besten Spielerinnen mit einer eigenen | |
| Tour selbstständig gemacht. King hatte sich zudem an einer „Wir haben | |
| abgetrieben“-Kampagne der Zeitschrift Ms beteiligt. | |
| Da kam ihr eine Type wie Riggs gerade richtig. „Indem Bobby sich wie ein | |
| chauvinistisches Schwein aufführte“, analysierte sie später, „griff er die | |
| Ängste über den sich verändernden Status der Männer in einer veränderten | |
| Welt auf.“ Der Ausdruck „chauvinistisches Schwein“ war übrigens eine | |
| Selbstbezeichnung von Riggs’, und der Kampf war eine politische | |
| Auseinandersetzung. | |
| In Deutschland wurde das kaum so wahrgenommen. Im ZDF-Sportstudio | |
| moderierte [6][Hanns Joachim Friedrichs], der als kritisch galt, einen | |
| Beitrag über den „Battle“ so an: „Wenn Sie schon heute Nachmittag bei uns | |
| zugeschaut haben, dann sage ich Ihnen jetzt sicherlich nichts Neues. Wir | |
| haben heute Nachmittag ein Tennisspiel übertragen, das etwas großspurig als | |
| das ‚Spiel des Jahrhunderts‘ angekündigt worden war, das war es ganz sicher | |
| nicht.“ Stattdessen hätten doch nur eine Frau gegen einen Mann, | |
| „wahrscheinlich im Augenblick das größte Schlitzohr der Welt“ gespielt. | |
| Das, so Friedrichs weiter, „war vor allen Dingen ein riesengroßes Gaudi“. | |
| ## Männliche Großspurigkeit | |
| Eine Gaudi mit Wiederholungspotenzial. Im März 1974 trat in Essen der | |
| Fußballtorwart [7][Sepp Maier] gegen Helga Masthoff an, damals die beste | |
| deutsche Tennisspielerin. Masthoff gewann 7:5, 6:4, und der | |
| sportinformationsdienst schrieb, es sei „keine amerikanische Stimmung“ | |
| aufgekommen. | |
| 1992 kam die Idee eines „Battle of the Sexes“ wieder auf. [8][Martina | |
| Navratilova] wurde von [9][Jimmy Connors] herausgefordert, beide aktive | |
| Profis, sie 36 Jahre alt, er 40. Connors gewann 7:5, 6:2, Navratilova hatte | |
| mit 36 Unforced Errors nicht ihren besten Tag erwischt. Navratilova vs. | |
| Connors war, wie Court-Smith und King vs. Riggs, nur einer von vielen | |
| Tennisduellen von Frauen gegen Männer. Worum es aus Männersicht ging, hatte | |
| nicht nur „Sugar Daddy“ Riggs demonstriert. Vitas Gerulaitis, der selbst | |
| später neben dem dann 67-jährigen Riggs ein solches Spiel absolvieren | |
| sollte, hatte gesagt: „Jeder aus den ersten 100 der Weltrangliste würde die | |
| Nummer eins der Damen deklassieren.“ | |
| Männliche Großspurigkeit zelebrierte auch der deutsche Tennisprofi Karsten | |
| Braasch 1998, als er sich den Schwestern Serena und Venus Williams als | |
| Gegner zur Verfügung stellte, weil diese keck erklärt hatten, einen Mann, | |
| der in der Weltrangliste um Platz 200 stünde, schlagen zu können. Bei den | |
| Seitenwechseln, so wird berichtet, zündete er sich eine Zigarette an. Und | |
| nachdem er die 16-jährige Serena und die 17-jährige Venus jeweils in einem | |
| Satz deutlich besiegt hatte, prophezeite er, die Williams-Schwestern würden | |
| niemals einen Spieler aus den Top 500 bezwingen. | |
| Das anstehende Duell im Dezember in Dubai zwischen Aryna Sabalenka und Nick | |
| Kyrgios könnte auch vor allem als eines der großmäuligen Worte in | |
| Erinnerung bleiben. Sabalenka teilte mit: „Ich werde mein Bestes geben, um | |
| ihm den Hintern zu versohlen.“ | |
| 8 Nov 2025 | |
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| [1] /Tennisreporterin-ueber-Sport-und-Politik/!5936439 | |
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| ## AUTOREN | |
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