| # taz.de -- Benachteiligung im Jura-Examen: Frauen schlechter benotet als Männ… | |
| > Frauen schneiden im Staatsexamen deutlich schlechter ab als Männer, in | |
| > Hamburg ist die Diskrepanz noch größer. Der Wille, das zu ändern, ist | |
| > gering. | |
| Bild: Frauen liegen in Sachen Bildung eigentlich immer vor Männern – nur bei… | |
| Noten sind für Juristinnen und Juristen bei der Suche nach einem | |
| Arbeitsplatz von größter Bedeutung. Umso besorgniserregender ist die | |
| Noten-Diskrepanz zwischen den Geschlechtern. Frauen schneiden im | |
| Staatsexamen signifikant schlechter ab als Männer – das ist schon lange | |
| bekannt. In Hamburg aber ist es besonders krass. | |
| Bereits im Mai hatte der rot-grüne Hamburger Senat als [1][Antwort auf eine | |
| Anfrage der Linken] Zahlen dazu veröffentlicht: In den Jahren 2022 bis 2024 | |
| bestanden demnach in Hamburg insgesamt 1.632 Studierende das erste | |
| juristische Staatsexamen, 715 Männer und 917 Frauen. Trotz des deutlichen | |
| Frauenüberschusses erzielte nur eine einzige Frau im gesamten Zeitraum die | |
| Bestnote, während das immerhin 11 Männern gelang. Auch die zweitbeste Note | |
| wurde an nur 45 Frauen vergeben, an Männer 76 Mal. Dieses Verhältnis kehrt | |
| sich weiter um, je schlechter die Noten werden. | |
| Diese Ergebnisse weichen vom üblichen Geschlechterverhältnis in der Bildung | |
| ab. Mädchen sind in ihrer schulischen Ausbildung durchschnittlich deutlich | |
| besser als Jungen. Auch bei der Auswahl zum Jurastudium schneiden | |
| Studentinnen im Durchschnitt gleich gut bis besser ab als ihre männlichen | |
| Kommilitonen. Was also passiert im ersten Staatsexamen? | |
| Die Erklärung, die der Senat in der Antwort auf die Anfrage der Linken | |
| gibt, geht so: Diese ungleiche Benotung sei vor allem ein Ergebnis der | |
| mündlichen Prüfung, die zu 30 Prozent in das Prüfungsergebnis einfließt. In | |
| der mündlichen Prüfung werden weibliche Prüflinge von den meist männlichen | |
| Prüfern deutlich schlechter bewertet. | |
| Dass die zuständige Behörde in Hamburg sich mit einigem Erfolg zum Ziel | |
| gesetzt hat, die Anzahl an Prüferinnen in der mündlichen Prüfung zu | |
| erhöhen, schadet nichts. Aber es ändert nichts an dem eigentlichen Problem, | |
| denn das beginnt schon vorher mit der schriftlichen Prüfung. So erreichten | |
| 135 Männer schriftlich einen Durchschnitt von über 10 Notenpunkten, dies | |
| war im Vergleich – bei einem deutlichen Frauenüberschuss von Prüflingen – | |
| nur bei 91 Frauen der Fall. | |
| Da das Problem während des Studiums nicht auftritt, könnte es zum Beispiel | |
| in der einjährigen Examensvorbereitung liegen – die von den meisten | |
| Studierenden auf Grund fehlender Ressourcen an den Universitäten [2][in | |
| privaten, um die 2.000 Euro teuren Repetitorien bewältigt wird]. | |
| Die Hoffnung, dass sich das mit digital statt handgeschriebenen Klausuren | |
| lösen ließe, belegen zumindest die ersten Zahlen nicht. Obwohl 2024 zwei | |
| Drittel aller Prüflinge die Möglichkeit hatten, die Klausuren digital zu | |
| schreiben, sind die Ergebnisse im Vergleich zu den Vorjahren nicht | |
| signifikant abgewichen. | |
| Der Hamburger Senat verweist bei der Ursachenforschung auf | |
| [3][Nordrhein-Westfalen. Dort untersucht ein Forschungsprojekt im Auftrag | |
| des Justizministeriums], warum Frauen in juristischen Staatsexamen | |
| schlechter abschneiden als Männer. | |
| ## Gleichstellungsreferat setzt auf Prüfungstraining | |
| Das Gleichstellungsreferat der rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Uni | |
| Hamburg bietet für Frauen ein spezielles Prüfungstraining an, welches vor | |
| allem auf die mündliche Prüfung abzielt. Das Training soll auf die stärkere | |
| Zurückhaltung von Frauen in dieser Prüfungssituation eingehen und auf | |
| frauenfeindliche Umstände vorbereiten, die laut Gleichstellungsreferat | |
| weiterhin nicht ausgeschlossen werden könnten. Zu den übrigen Gründen der | |
| Notendifferenz kann das Referat – mangels der nötigen Erhebung – nur | |
| mutmaßen. | |
| Hila Latifi, Sprecherin der Hamburger Linksfraktion für Feminismus und | |
| Antidiskriminierung ist sich jedenfalls sicher, dass die Notendifferenz | |
| nicht die Leistung der Geprüften, sondern vielmehr überkommene Denkmuster | |
| widerspiegle, und fordert: „Die Juristenausbildung des 21. Jahrhunderts | |
| darf nicht länger durch Bewertungspraktiken des 20. Jahrhunderts geprägt | |
| sein.“ So sieht das auch der Fachschaftsrat Rechtswissenschaft an der Uni | |
| Hamburg. Für das gerade beginnende Semester plant er eine Veranstaltung zu | |
| dem Thema. | |
| 13 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/90975/23_00378_notenunters… | |
| [2] /Pruefungsstress-unter-Juristinnen/!5759026 | |
| [3] https://www.justiz.nrw.de/presse/2025-05-30-1 | |
| ## AUTOREN | |
| Quentin Villwock | |
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