Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anna FastabendMidlife Monologe: Gardine oder Nichtgardine, das ist …
Wenn ich A. besuche, kauft er immer groß ein. Es gibt Kefir, frisch
gepresste Säfte – und die Wohnung ist blitzeblank. A. möchte mir damit eine
Freude machen, aber er hat auch Bammel, weil ich einmal sauer geworden bin.
Seitdem denkt er, ich hätte ein gesteigertes Sauberkeitsbedürfnis, dabei
sind es nicht irgendwelche Staubflusen, die mich stören, sondern die nackte
Glühbirne unter der Decke, und dass es nur ein provisorisches Tuch gibt,
mit dem er das Zimmer abdunkelt, wenn wir schlafen gehen.
A. wohnt so, als wäre er gerade erst eingezogen, dabei lebt er in seiner
Wohnung schon jahrelang. Und angeblich sah sie auch mal anders aus: Mit
Ikeaeinrichtung und Raufasertapete. Doch eines Tages hätte er einen Rappel
gekriegt: Also Fenster auf, Möbel raus, Krawumm. Und seitdem ist A. fertig
mit der schwedischen Möbelhauskette und ihren Scheißmöbeln, für die alle
paar Sekunden ein Baum stirbt.
Dass er so konsequent ist, finde ich an sich ja gut. Aber gleichzeitig
hätte ich es gerne etwas wohnlicher. Und so bringe ich ihn dazu, die Sache
endlich anzugehen. Doch anstatt einmal schnell reinzusausen, sich einen
Hotdog zwischen die Kiemen zu hauen und danach wieder in den
Weltverbesserungsmodus überzugehen, so wie ich es handhabe, verfolgt A.
einen anderen Plan, der bei Manufactum beginnt und mit Grüner Erde seinen
Lauf nimmt. Bereits ziemlich ermattet betreten wir das erste Haus am Platz
für Tuchwaren. Das Problem ist nur: Die Verkäuferin sieht uns schon an der
Nasenspitze an, dass wir uns ihre edlen Stoffe nicht leisten können. Ein
spöttisches Lächeln huscht über ihr Gesicht, aber sie hat sich sofort
wieder im Griff.
„Soll es etwas Transparentes sein oder ein Stoff, der das Zimmer
abdunkelt?“, fragt sie mit der Gelassenheit einer Veteranin aus dem
Pärchenkrieg. „Letzteres“, sagt mein Freund – er fände Blau ja ganz sch…
„Blau?“, frage ich ungläubig und breche ab. Es ist seine Wohnung. Und
alleine, dass wir hier zusammen stehen und über seine Gardinen diskutieren,
ist eine Red Flag.
Doch mein Freund will, dass ich mich wohlfühle, und deshalb durchforstet er
nun die Stoffproben mit den Erdtönen, die aus meiner Perspektive viel
besser zu seinen Pflanzen passen würden. Nur: „Ist das eine Naturfaser?“,
fragt er jetzt, und ich renne Augen rollend zu den Jacquardstoffen, wo der
Meter mehrere Hundert Euro kostet. Vielleicht sollte ich mir doch lieber
einen reichen Privatier angeln, der hätte wenigstens eine Interior
Designerin.
Als Letztes steht dann tatsächlich Ikea auf unserer Liste, und ich kann
nicht leugnen, dass mich eine gewisse Genugtuung erfüllt, als wir vor den
Billiggardinen stehen. Hier eine für 19,99 Euro, dort eine für 12 Euro.
„Siehst du?“, rufe ich so triumphierend, als ob ich Provision dafür bekäm…
da bemerke ich, wie es ihn quält. Ich murmele etwas von Kompromiss und es
gibt kein richtiges Leben im falschen, aber eigentlich liebe ich ihn ja,
wie er ist.
Gardinen hat er übrigens immer noch keine, dafür drei
Vintage-Designerlampen, mit denen er aus seinem Zimmer ein, ja was
eigentlich – Lampengeschäft machen will?! Zu meinem Geburtstag hat er mir
dann eine Partnerdecke für meine Wohnung geschenkt. Sie ist knallblau und
von: Ikea. Fand ich ja ein bisschen übergriffig …
7 Nov 2025
## AUTOREN
Anna Fastabend
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.