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# taz.de -- Hartmut El Kurdi: Stadtbildporno mit Kanzler
> Tatsächlich braucht es eine Veränderung in den zu Orten des Grauens
> gewordenen deutschen Städten – mit Baggern, Presslufthämmern und
> Abrissbirnen.
Der schönste Kommentar zur „Stadtbild“-Debatte stammt von einer jungen
Frau, die der in Kassel erscheinenden Hessisch-Niedersächsischen
Allgemeinen bei einer Straßenumfrage sagte: „Solange Friedrich Merz nicht
auf der Straße ist, fühle ich mich sicher.“ Wobei dieser Satz mehr als eine
schnelle Pointe ist – bedenkt man zum Beispiel das misogyne
Abstimmungsverhalten des damaligen Bundestagsabgeordneten Merz zum Thema
Vergewaltigung in der Ehe im Jahr 1997. Oder seine Weigerung, als Kanzler
ein fifty-fifty männlich-weiblich besetztes Kabinett zusammenzustellen.
Mir wiederum fiel, als ich die kalkuliert rassistischen Äußerungen von Merz
hörte, zunächst ein, dass nicht wenige Menschen mit vermeintlich oder
tatsächlich sichtbarem Migrationshintergrund schon seit Jahren nicht mehr
in „bestimmte“ – um mal ähnlich düster zu raunen wie Merz – Regionen
Deutschlands reisen. Weil sie schon beim Verlassen des Bahnhofs von
nationalsozialistischen Eingeborenen vermittelt bekommen, dass die Chancen
relativ gut stehen, an diesem Ort und Tag gepflegt was auf die Fresse zu
bekommen.
Mir erscheint es zudem reichlich gewagt, dass Merz und seine
Propagandatruppen ausgerechnet den Begriff „Stadtbild“ bemühen, um ihren
Abschiebe-Fetischismus zu legitimieren. Also einen städtebaulichen
Fachterminus, der streng genommen nichts mit dem die Bühne bespielenden
Personal zu tun hat, sondern mit der architektonischen und räumlichen
Gestalt einer Stadt. Und das in einem Land wie Deutschland, in dem viele
Fußgängerzonen wie stadtgewordene Autobahnraststätten aussehen.
Mit anderen Worten: Selbstverständlich gäbe es am Erscheinungsbild unserer
Innenstädte einiges zu verbessern! Nur bräuchte es dazu jede Menge Bagger,
Presslufthämmer und Abrissbirnen. Und ein Heer von Sprengmeistern,
Abbruchhelfern und Trümmerfrauen. Und keine deutschen Abschiebetruppen nach
amerikanischem Vorbild, von denen mancher in der Union gerade so träumt.
Besonders der – oft von CDU-Bürgermeistern unterstützte – flächendeckende
Bau von Shoppingmall-Klötzen hat nicht zur Verbesserung des Stadtbilds
beigetragen. Sowohl kleine, ehemals inhabergeführte Läden als auch
hässliche Galeria-Kaufhof-Betonbunker stehen allerorten leer und gammeln
vor sich hin. Aber zu diesem Stadtbildproblem schweigt der Kanzler.
Immerhin bieten die überdachten Eingänge der Ex-Geschäfte Obdachlosen
nachts einen gewissen Regen- und Windschutz.
Wenn es nach der CDU geht, können die Innenstädte ruhig zu dystopischen
Unorten verkommen, irgendwo zwischen Gotham City und
Wildwest-Geisterstädten mit durch die Straßen wehendem Tumble-Weed.
Hauptsache, dort lungern keine bartschattigen, sich das Gemächt
zurechtschiebenden Ausländer-Machos herum. Oder was immer auch im
Ethnoporno-Kopfkino des Kanzlers für Bilder an die Schädelinnenwand
projiziert werden.
29 Oct 2025
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Stadtbild-Debatte
Kanzler Merz
Städte
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