| # taz.de -- Bedrohte Kunst in Berlin: Humus für Leuchttürme | |
| > Zum Auftakt der Aktionstage „Kommunale Kapitale“ diskutieren | |
| > Kulturschaffende über den Wert der Berliner Kommunalen Galerien. Die sind | |
| > in Gefahr. | |
| Bild: Viel Platz für Kunst – hier in der Kommunalen Galerie Haus am Kleistpa… | |
| Berlin taz | Panzer, MGs, Peter Fitzek – selbsterklärter König des | |
| Fantasiestaats „Königreich Deutschland“ – und reale Machthaber beherrsch… | |
| den Ausstellungsraum der „Galerie Parterre“ in Prenzlauer Berg. Ein | |
| bedrohliches und zugleich visuell fesselndes Szenario. | |
| Tausende von Baumwollfäden hat Lillian Morrisey zu Wandteppichen vereint, | |
| die jahrhundertelange institutionelle Gewalt in Gestalt ihrer | |
| Repräsentanten und Machtinstrumente widerspiegeln. Gesichter, in denen sich | |
| die anmaßende Arroganz der Macht eingegraben hat, treten in dickmaschigen | |
| Stofffeldern aus dem Baumwolltuch heraus. Omnipräsente Bilder und | |
| altbekannte Narrative bekommen eine neue Textur. | |
| Beim Betrachten entsteht zuerst Verwirrung. Vertieft man sich in die | |
| großformatigen, detailreichen und klug auskomponierten Wandteppiche, | |
| erzeugt die Diskrepanz zwischen der Wahl der Mittel – weicher Stoff, der | |
| zur Berührung einlädt – und des Dargestellten – politische Gewalt in all | |
| ihren Facetten – einen starken Erkenntnismoment. | |
| Die Textilkünstlerin Lillian Morrisey stammt aus Australien, hat dort | |
| Internationale Politik und Malerei studiert und lebt seit einigen Jahren in | |
| Berlin. Die „Galerie Parterre“ an der Danziger Straße, eine von 37 | |
| kommunalen Galerien in Berlin, [1][zeigt ihre explizit politische Kunst in | |
| der Ausstellung „The Audacity“]. Der gut gemachte und bezahlbare Katalog | |
| (12 €) mit einem spannenden soziologischen Essay wurde auch durch den | |
| „KOGA-Fonds“ (KOGA = Kommunale Galerien) möglich gemacht. | |
| ## Mehr Sichtbarkeit | |
| Aber auch [2][die Kommunalen Galerien, die wichtige bezirkliche | |
| Kulturarbeit leisten], sind von den Kulturkürzungen des aktuellen sowie des | |
| Doppelhaushalts 2026/27 betroffen. Zusammen haben sie in den letzten 11 | |
| Jahren immer im Herbst das Festival „Kunstwoche“ auf die Beine gestellt. | |
| Dieses Jahr gehen sie neue Wege, um noch mehr Sichtbarkeit herzustellen und | |
| auf die Relevanz dieser dezentralen Orte kultureller Teilhabe aufmerksam zu | |
| machen. | |
| Öffnet man den Flyer [3][der „Kommunalen Kapitale“, den Aktionstagen der | |
| Kommunalen Galerien], fällt beim Blick auf die Karte mit den Standorten | |
| auf, dass es etwa in Lichtenberg gleich fünf davon gibt: unter anderem im | |
| Mies-van-der-Rohe-Haus am Orankesee, im Kulturhaus Karlshorst und an der | |
| vorletzten Haltestelle der Tram 4 weit draußen an der Zingster Straße. 150 | |
| KünstlerInnen sind an der „Kommunalen Kapitale“ beteiligt. Am Sonntag | |
| führen vierstündige Bus-, Tram- und U-Bahn-Exkursionen zu den Galerien. | |
| KünstlerInnen, KuratorInnen und GalerieleiterInnen präsentieren vor Ort die | |
| aktuellen Ausstellungen. | |
| Zum Auftakt der „Kommunalen Kapitale“ hat der Arbeitskreis Kommunale | |
| Galerien eine Podiumsdiskussion im Kulturraum WABE neben der „Galerie | |
| Parterre“ organisiert. Stuhlreihen stehen da, wo normalerweise getanzt | |
| wird, auf der Bühne sitzen Leonie Baumann, ehemalige Rektorin der | |
| Kunsthochschule Weißensee und aktuell Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds, | |
| Frauke Boggasch, Sprecherin des Berufsverbands bildender Künstler*innen | |
| (bbk berlin), Yolanda Kaddu-Mulindwa, Leiterin der kommunalen Galerien | |
| Neukölln, der Direktor der Berlinischen Galerie, Thomas Köhler, und der | |
| Kulturjournalist Ingo Arend. | |
| Differenzen gibt es bei der Beurteilung der kulturpolitischen Lage keine. | |
| Alle sitzen im selben Boot, nur an unterschiedlichen Stellen. Immer wieder | |
| fallen die Begriffe Diskurs-Verschiebung und rechte Kulturhegemonie. Und | |
| mittendrin die kommunalen Galerien, die explizit dazu da sind, in Berlin | |
| lebende KünstlerInnen zu fördern, die außerhalb des kommerziellen Betriebs | |
| stehen. | |
| Für Frauke Boggasch sind die Kommunalen Galerien „wie Reagenzgläser, in | |
| denen der Humus bereitet wird, aus dem Leuchttürme entstehen“. Ingo Arend | |
| plädiert für mehr Selbstbewusstsein in der Selbstdarstellung: „Die | |
| Kommunalen Galerien sollten sich als originäre Instrumente und nicht nur | |
| als Scharniere zwischen verschiedenen Ebenen des zeitgenössischen | |
| Kulturbetriebs begreifen.“ | |
| ## Austrocknung droht | |
| Thomas Köhler begeistert sich: „Die Kommunalen Galerien aktivieren die | |
| Peripherie!“ Sie engagierten sich für Kunst am Bau und im öffentlichen | |
| Raum, verlangten keinen Eintritt und seien so „ein Instrument der | |
| Breitenbildung, denn hier findet Sozialisierung in Bezug auf Kunst statt“. | |
| Greift die Kürzungspolitik dieses Instrument an, bedeutet das auf lange | |
| Sicht eine Austrocknung der Kulturlandschaft, sind sich alle einig. | |
| Boggasch winkt mit großen „FabiK bleibt“-Aufklebern. Durch den FabiK (Fonds | |
| für Ausstellungshonorare mit einem jährlichen Budget von 650.000 Euro) | |
| werden professionelle KünstlerInnen für ihre Ausstellungen in Kommunalen | |
| Galerien verbindliche Honorare gezahlt. Das Berliner Modell für | |
| Ausstellungshonorare, das seit 2016 wegweisend für Deutschland war, wurde | |
| 2025 ausgesetzt und soll jetzt komplett gestrichen werden. Boggasch: „Die | |
| gleichzeitige Aufstockung des KOGA-Fonds um 300.000 Euro kann den Wegfall | |
| des FabiK nicht kompensieren. Den FabiK können die KünstlerInnen | |
| individuell beantragen. Beim KOGA hingegen wird über die Nutzung der Gelder | |
| auf Bezirksebene entschieden. So ist nicht garantiert, dass das Geld bei | |
| den ausstellenden KünstlerInnen ankommt.“ | |
| Werde der FabiK gestrichen, eröffne das Räume der Willkür. Was | |
| KünstlerInnen stattdessen brauchten, sind „Honorare, Geld für | |
| Produktionsmittel und langfristige Sicherheit“, weiß Yolanda Kaddu-Mulindwa | |
| aus Erfahrung. Leonie Baumann ergänzt: „Das ganze kulturelle Geflecht kann | |
| so leicht zusammenbrechen. Die öffentlichen Institutionen müssen besser | |
| aufgestellt werden, sonst dominieren bald die privaten Sammler. Von denen | |
| hat sich nicht einer in der öffentlichen Debatte mit den von den Kürzungen | |
| betroffenen Institutionen und KünstlerInnen solidarisiert.“ | |
| „Aber wir haben einen Bildungsauftrag“: Kämpferisch schaut Thomas Köhler … | |
| die Runde. „Vernetzen wir uns mit den anderen Künsten! Ich gebe nicht auf!“ | |
| 18 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.galerieparterre.de/ausstellung.php?id=82 | |
| [2] https://kgberlin.net/ | |
| [3] https://kgberlin.net/kommunale-kapitale/ | |
| ## AUTOREN | |
| Katja Kollmann | |
| ## TAGS | |
| Kulturförderung | |
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| Berlinische Galerie | |
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