| # taz.de -- Wahlen in den Niederlanden: Der patriotische Populismus ist noch ni… | |
| > Ja, das politische Zentrum geht als Sieger aus den Wahlen in den | |
| > Niederlanden hervor. Warum überschwänglicher Jubel trotzdem nicht | |
| > angebracht ist. | |
| Bild: Sie haben gut Jubeln, die Rechtsextremen der Niederlande | |
| Aufatmen nach der Wahlnacht: Die rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) | |
| [1][verliert 11 Sitze] – eine drastische Abstrafung für den ewigen | |
| Parteivorsitzenden Geert Wilders. Aus Sicht seiner Anhänger*innen ist | |
| es die Quittung für den Bruch der Regierungskoalition. Seine zahlreichen | |
| Gegner*innen verstehen es als Konsequenz aus Wilders ständigem | |
| obsessiven Pochen auf einen „Asyl-Stopp“ und immer härtere | |
| Zuwanderungsbeschränkungen. Wer der PVV neutraler gegenübersteht, wirft ihr | |
| zumindest Polarisierung und zwei Jahre politisches Chaos in Den Haag vor. | |
| Dass zugleich ausgerechnet [2][die progressiven Democraten 66 mit ihrer | |
| hoffnungsvollen Wahlkampagne] das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielten | |
| und damit zunächst vor der PVV lagen, sorgte für euphorische Zustände auf | |
| der Wahlparty der linksliberalen Partei. Progressive in ganz Europa sehen | |
| darin einen Hoffnungsschimmer: Endlich, frohlockt man, sei Wilders besiegt. | |
| So ähnlich verkündete es immerhin auch Rob Jetten, der D66-Spitzenkandidat, | |
| seinem jubelnden Publikum – als ob der Anfang vom Ende der | |
| rechtspopulistischen Welle nun eine Tatsache sei. | |
| Dass das Wahlergebnis um einiges komplexer ist, wurde spätestens klar, als | |
| die PVV im Verlauf des Stimmenzählens zu D66 aufschloss. Daran, dass der | |
| Hoffnungsträger Jetten als künftiger Premier hervorragende Karten hat, | |
| ändert das nichts. Das ungewohnte Ergebnis zwingt jedoch dazu, genauer | |
| hinzusehen, was die Niederländer*innen da eigentlich gewählt haben. | |
| ## Zwei Erkenntnisse | |
| Bevor der Blick aufs Detail geht, zwei grundlegende Erkenntnisse. Zum einen | |
| ist da die charakteristische Zersplitterung der Parteienlandschaft. Noch | |
| nie zuvor hatte ein Wahlsieger so wenig Sitze wie D66 – und ja, die PVV, | |
| die noch immer das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte erzielte. 26 von | |
| 150 Sitzen, das sind nicht einmal 17,5 Prozent. | |
| Zweitens bestätigt sich eine Entwicklung, die schon seit zehn Jahren zu | |
| erkennen ist: Sehr viele Menschen haben keine feste Parteienpräferenz. | |
| Zwevende kiezers werden sie auf Niederländisch genannt – schwebende Wähler, | |
| also Wechselwähler. Gut ein Drittel traf die Entscheidung auch diesmal erst | |
| am Wahltag. Das bedeutet: Kurzfristige Umfragenhypes haben oft einen | |
| bemerkenswert hohen Effekt auf das Wahlergebnis. | |
| So errangen etwa 2023 die PVV und der konservative Nieuw Sociaal Contract | |
| überraschende Erfolge und vier Jahre zuvor das rechtsextreme Forum voor | |
| Democratie. Nicht selten stürzen solche Shootingstars dann recht bald | |
| wieder ab. Andere schwingen wie ein Jojo – was auf die aktuellen | |
| Wahlgewinnerinnen, D66 und die christdemokratische CDA, zutrifft. Letztere | |
| wurde vor zwei Jahren fast eine Splitterpartei, um nun wieder triumphierend | |
| zurückzukommen. | |
| ## Der Rechtspopulismus lebt weiter | |
| Das Bedürfnis nach einem Politikwechsel bei Millionen von | |
| Niederländer*innen ist groß. Und zweifellos geht das Zentrum, für das | |
| D66 und CDA stehen, die beide auf Verbindung statt Polarisierung setzten, | |
| aus diesen Wahlen gestärkt hervor. Zugleich ist es nicht angebracht, die | |
| PVV, Wilders oder gar den patriotischen Populismus als solche für besiegt | |
| zu erklären. Davon zeugen allein schon die deutlichen Erfolge der | |
| rechtskonservativen JA21, die sich als bürgerliche Alternative zur PVV | |
| präsentiert, und dem Forum voor Democratie, das sich im Umfeld von | |
| Alt-Right-Verschwörungen und Impfgegner*innen bewegt. | |
| Dass beide inzwischen neben der PVV ihren festen Platz im niederländischen | |
| Parteienspektrum einnehmen, zeigt, wie sehr sich dieses seit dem Aufkommen | |
| des populistischen PVV-Urvaters Fortuyn und seines Nachfolgers Wilders nach | |
| rechts gewandelt hat. Weitere Beispiele sind Schlagworte wie „Asyl-Stopp“ | |
| oder „Remigration“, die sich inzwischen längst auch in den Programmen | |
| anderer Parteien wiederfinden. Nach dieser richtungsweisenden Wahl befinden | |
| sich nicht nur zahlreiche Wähler*innen in einer Art Schwebezustand, | |
| sondern eine ganze Gesellschaft. Teile dieser wollen durchaus aus den | |
| rechtspopulistischen Narrativen und Kontexten ausbrechen, doch sie ist | |
| davon tief durchdrungen. | |
| Dass die D66 nun die Hoffnung auf diesen Durchbruch verkörpert und nicht | |
| das rot-grüne Bündnis aus der sozialdemokratischen PvdA und GroenLinks, ist | |
| bezeichnend. PvdA-Anführer Frans Timmermans hatte am Vorabend der Wahl die | |
| Ära Wilders für beendet erklärt. 24 Stunden später war es seine eigene Ära, | |
| die endete. Die harte Niederlage zeugt vor allem davon, dass es für einen | |
| auch sozial-ökonomisch ambitionierten linken Aufbruch in der bestehenden | |
| politischen Kultur der Niederlande kaum Rückhalt gibt. Eine Erkenntnis, die | |
| nicht zum ersten Mal, aber nun in frappierender Deutlichkeit sichtbar wird. | |
| Die niederländische Linke hat eine fulminante Bruchlandung hingelegt. | |
| 30 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
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