| # taz.de -- Die niederländische Partei Democraten 66: Vom Feindbild zum Wähle… | |
| > Nie zuvor haben die Democraten 66 eine Parlamentswahl gewonnen. Wie kommt | |
| > es nun dazu? Und was für eine Partei ist das eigentlich? | |
| Bild: Begeisterung: Mitglieder der Partei D66 verfolgen die Ergebnisse der Wahl… | |
| In der langen Wahlnacht des öffentlich-rechtlichen niederländischen | |
| Fernsehens konnten sie nicht fehlen: Diagramme, welche die ausgeprägten | |
| Bewegungen der Wähler*innen von einer Partei zur anderen erklären. | |
| [1][Als es um die Zugewinne der Democraten 66 (D66) ging], die damals noch, | |
| kurz vor der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) liegend, | |
| auf einen alleinigen Wahlsieg zusteuerte, wurde es das besonders erhellend: | |
| Nicht nur gewann keine andere Partei so viele Sitze hinzu. Der Zulauf | |
| speiste sich auch nirgendwo aus so vielfältigen Quellen. | |
| D66, benannt nach ihrem Gründungsjahr 1966 und damals angetreten zur | |
| Belebung eines als erstarrt empfundenen Parteiensystems, profitierte am | |
| Mittwoch sowohl von den Verlusten des rot-grünen Linksbündnisses als auch | |
| von der Implosion des konservativen Nieuw Sociaal Contract. Sie zog Stimmen | |
| von der Regierungspartei VVD, die im Unterschied zu den gerne als „links-“ | |
| oder „sozialliberal“ genannten D66 mit dem gängigen Zusatz „rechtslibera… | |
| bezeichnet wird, und ihrer Koalitionspartnerin, der bäuerlich geprägten | |
| BoerBurgerBeweging. Ja, selbst von der PVV, aber auch der kleinen | |
| Socialistische Partij, wanderten Wähler*innen zu D66. Eine Ausbeute, die | |
| ihresgleichen sucht – und nicht findet. | |
| Wer ist D66? Die Partei entstand aus einem Zeitgeist der Erneuerung, als | |
| sich in den Niederlanden das starre System der großen gesellschaftlichen | |
| Gruppen – katholisch, protestantisch, gewerkschaftlich-sozialdemokratisch | |
| oder liberal – auflöste, das weit mehr als nur die Politik geprägt hatte. | |
| Ihre zentralen Programmpunkte waren direkt gewählte | |
| Bürgermeister*innen und bindende Volksbefragungen als Teil der | |
| Politik. Ihre ersten Koalitionen gingen sie mit linken Parteien ein, in den | |
| 1970ern gab es gar Bestrebungen zu einer progressiven Fusionspartei mit | |
| unter anderem der sozialdemokratischen Partij van de Arbeid (PvdA). | |
| Doch im Laufe der Zeit verlagerte sich ihr Kurs eher in Richtung Zentrum. | |
| In den 1990er Jahren war sie Teil der sozialliberalen Koalitionen mit PvdA | |
| und VVD, dem niederländischen Pendant zu Neuer Mitte oder New Labour. | |
| Direkt im Anschluss koalierte D66 jedoch auch mit den niederländischen | |
| Christdemokrat*innen. Aus dieser Zeit rührt ihr Image als nicht sonderlich | |
| volksnahe Verwaltungs-Partei. Gleichzeitig gilt D66 bis heute als | |
| linksliberal, wenn auch besonders in sozial-ökonomischer Hinsicht nicht als | |
| klassisch linke Partei. | |
| ## D66 setzt im Wahlkampf auf Positivität statt Polarisierung | |
| Im Zuge der stark wachsenden Polarisierung der zehner und zwanziger Jahre | |
| wurde D66 zum Lieblingsfeind von Geert Wilders und anderen | |
| Rechtspopulist*innen. Ihre ausgesprochene Europafreundlichkeit, die | |
| Verankerung in urbanen, progressiven, gut gebildeten Milieus prädestinierte | |
| sie dafür geradezu. Und auch ihr damaliger Parteichef und | |
| Fraktionsvorsitzender Alexander Pechtold trug dazu bei, weil er sich mit | |
| Wilders denkwürdige Duelle im Parlament in Den Haag lieferte. | |
| Heute ist ihr führender Kopf Rob Jetten, der erst von Pechthold entdeckt | |
| wurde und ihn 2018 als Fraktionsvorsitzender ablöste. Die Tageszeitung | |
| Volkskrant nannte den damals erst 31-jährigen Jetten Pechtolds „Protegé“. | |
| Dass nun gerade Jetten die Partei in nie gekannte Höhen führt, [2][hat | |
| nicht zuletzt mit seiner Wahlkampagne zu tun]. Er versuchte, Positivität | |
| auszustrahlen, Hoffnung zu wecken und politische „Durchbrüche“ in Aussicht | |
| zu stellen – etwa beim Dauerthema Wohnungsnot oder der Förderung | |
| nachhaltiger Energie. Das traf den richtigen Ton in einer | |
| Wähler*innenschaft, die von Polarisierung zermürbt und populistischem Chaos | |
| der letzten zwei Jahre entnervt ist. | |
| ## Sexismus und Nationalflaggen | |
| Jettens Kampagne war sogar so stark, dass selbst eine erhebliche | |
| sexistische Entgleisung in der letzten TV-Debatte seinen Erfolg nicht mehr | |
| bremsen konnte. Jetten versuchte dort mit der Bemerkung zu kokettieren: | |
| dass Kronprinzessin Amalia sich zur Reservistin ausbilden lasse, könnte für | |
| ihre Altersgenoss*innen Signalwirkung haben. „Einigen Kerlen hier | |
| dürfte das gefallen.“ Durch den Saal ging ein erschrockenes Raunen, seitens | |
| der Moderatorin kassierte Jetten einen Rüffel. | |
| Den D66-Wahlsieg gefährden vermochte dies freilich nicht mehr. Und so stand | |
| Jetten am Mittwochabend vor einem tobenden Publikum und forderte alle | |
| Parteien der „positiven Mitte“ zur Zusammenarbeit auf, um „das Kapitel | |
| Wilders abzuschließen“. Im Saal wurden unterdessen weitaus mehr | |
| Nationalfahnen geschwenkt, als man sie bei PVV-Wahlpartys je sah. | |
| 30 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Parlamentswahlen-in-den-Niederlanden/!6125517 | |
| [2] /Wahlen-in-den-Niederlanden/!6122487 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
| ## TAGS | |
| Rob Jetten | |
| Geert Wilders | |
| Parlamentswahlen | |
| Niederlande | |
| Social-Auswahl | |
| Wahlen NIederlande | |
| Niederlande | |
| Wahlen NIederlande | |
| Wahlen NIederlande | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wahlen in den Niederlanden: Der patriotische Populismus ist noch nicht besiegt | |
| Ja, das politische Zentrum geht als Sieger aus den Wahlen in den | |
| Niederlanden hervor. Warum überschwänglicher Jubel trotzdem nicht | |
| angebracht ist. | |
| Parlamentswahl in den Niederlanden: War schon mal Wilders | |
| Am Tag nach der Wahl liegen D66 und Geert Wilders’ Partei PVV gleichauf. | |
| Mit Letzterer will keiner koalieren. Die Regierungsbildung wird schwierig. | |
| Wahlen in den Niederlanden: Robs Meisterprüfung | |
| Die linksliberale D66 gewinnt enorm hinzu und dürfte die Regierungsbildung | |
| bestimmen. Ganz unumstritten ist ihr Parteichef aber nicht. | |
| Parlamentswahlen in den Niederlanden: Liberale und Rechtspopulisten gleichauf | |
| Überraschung in Den Haag: Die liberalen Democraten66 unter Rob Jetten holen | |
| ihr bisher bestes Wahlergebnis. Die rechtspopulistische PVV verliert stark. |