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# taz.de -- Die thailändische Grenzstadt Mae Sot: Myanmars Rückzugsort für F…
> Die Brücke der Freundschaft führt Flüchtlinge aus Myanmar zum rettenden
> Ufer in Thailand. Doch viele müssen den Grenzfluss nachts per Boot
> überqueren.
Bild: Das Lager Mae La in Mae Sot für Flüchtlinge vom Volk der Karen aus Myan…
Das Restaurant „No Two“ ist ein neues birmesisches Restaurant im Zentrum
von Mae Sot. Bilder aus der Heimat an den weißen Wänden, Campingklappstühle
an den Tischen. Das ist alles. „Die Stühle können wir schnell
zusammenklappen, wenn eine Razzia der Polizei droht“, sagt einer der jungen
birmesischen Kellner.
Kaum einer der vielen Birmesen in der Grenzstadt im Nordwesten Thailands
lebt hier legal. Das macht sie anfällig für die Willkür der Polizei. Wie
die meisten anderen Exilbirmesen, die in diesem Artikel vorkommen, möchte
auch der Kellner lieber nicht namentlich genannt werden.
Die Speisekarte ist so überschaubar wie die Einrichtung. Bis 11 Uhr gibt es
Frühstück. Zur Auswahl stehen drei traditionelle birmesische Nudelsuppen.
Ab 17 Uhr wird gegrillt. Dann kann sich der Gast aus einem Kühlschrank sein
Lieblingsgericht zusammenstellen. Ein großer SUV hält vor dem „No Two“. D…
etwa 30-jährige Fahrer und seine modisch gekleidete, stark geschminkte und
mit Schmuck behangene Gattin steigen aus. Sie bestellen Bier und Essen.
„Das ist einer der supereichen Cronies der Junta“, flüstert der Kellner
amüsiert.
Denn es ist kein Geheimnis, dass das „No Two“ – wie so manche Geschäfte …
Mae Sot – [1][den sogenannten Volksverteidigungskräften (PDF) der
Untergrundregierung (NUG)] nahesteht. Die kämpft zusammen mit den
oppositionellen ethnischen Armeen gegen Myanmars Militärjunta, die sich
2021 an die Macht putschte. „Mein Bruder ist drüben in Kayin ein
PDF-Kämpfer. Ich selbst war in der Bewegung des zivilen Ungehorsams aktiv“,
erzählt der Kellner.
## Der Markt in Mae Sot ist ein Klein-Myanmar
In Mae Sot tummeln sich Flüchtlinge, Künstler, Diplomaten, Militärs,
Geheimdienstler, Spione, Polizisten, Journalisten, Hilfsorganisationen,
[2][Dissidenten] und Krisengewinner. Zehntausende Menschen aus Myanmar,
meist vom Volk der Karen, leben in dem Städtchen, betreiben Geschäfte und
Restaurants oder arbeiten als Tagelöhner. Der Markt nahe dem „No Two“ ist
ein Klein-Myanmar.
Auf der anderen Seite der über den Fluss Moei führenden Brücke der
Freundschaft liegt der Kayin-Staat, auch Karen-Staat genannt. Er ist Heimat
des Karen-Volkes und ein Hotspot des Bürgerkriegs in Myanmar. Kayin steht
zu 60 Prozent unter Kontrolle der rebellischen Karen National Union (KNU).
Noch vor den von der Junta für Ende Dezember angesetzten Wahlen will die
KNU mit einer „Föderalen Übergangsverfassung“ ihre Vision eines
demokratischen Myanmar aufzeigen.
Fast jeden Tag fliehen Tausende der buddhistischen und christlichen Karen
vor Luftangriffen der Junta über die Grenze nach Mae Sot. Sie kampieren im
Dschungel und gehen zurück, sobald es wieder sicherer ist. Die Vertriebenen
haben kaum Unterstützung zu erwarten. Hilfsorganisationen müssen vorsichtig
sein, weil auch sie in Thailand nur geduldet sind.
Kürzlich kamen hier einige tausend asiatische Cybersklaven über die Grenze.
Sie waren in der myanmarischen Grenzstadt Myawaddy bei [3][vom Militär
inszenierten Razzien], die mit der Sprengung entsprechender Gebäude
endeten, aus dortigen Online-Betrugszentren befreit und dann abgeschoben
worden
## Ausbleibende Hilfe
Inzwischen geht vielen Organisationen nach dem Stopp der US-Hilfe unter
Präsident Donald Trump das Geld aus. In neun Lagern auf der thailändischen
Seite der Grenze – eines davon bei Mae Sot – leben seit Jahrzehnten mehr
als 100.000 Karen. „Anfang August wurde aus Geldmangel die
Lebensmittelhilfe eingestellt “, sagt Pastor Robert Htwe, langjähriger Chef
des Karen-Flüchtlinges-Komitees (KRC), das sieben Lager betreut.
„Wir können nur noch 4.000 der bedürftigsten Menschen mit Nahrung
versorgen“, sagt der 84-jährige Baptist. Thailands Regierung hat inzwischen
der Forderung des KRC und anderer Hilfsorganisationen nachgegeben, den
Flüchtlingen in den Lagern erstmals eine Arbeitserlaubnis zu erteilen,
damit sie sich selbst versorgen können.
Mindestens einmal pro Woche setzt ein 33-Jähriger, der sich nur Sunshine
nennt, nachts über den Moei. In Kayin betreibt der Mediziner in einem von
den „revolutionären Kräften“ befreiten Gebiet zusammen mit anderen Ärzten
ein Feldlazarett für verwundete Widerstandskämpfer und zivile Opfer des
Militärs. „Ich kann jederzeit von der Polizei verhaftet werden. Dann müsste
ich mich freikaufen“, erzählt Sunshine. Seinen richtigen Namen nennt er
nicht. „Nur meine Mutter und meine Freundin wissen, was ich tue.“
Zwischen Reisfeldern und Wald liegt außerhalb von Mae Sot das Sunshine Care
Center (SCC). Es hat trotz des Namens nichts mit Doktor Sunshine zu tun.
Das von einer Karen-Frau gegründete SCC versorgt medizinisch Kämpfer der
KNU und der PDF, die im Kampf Arme oder Beine verloren haben oder schwer
verwundet wurden. 130 Verwundete leben dicht an dicht in den provisorischen
Hütten. In der Hitze verrühren ein paar Ventilatoren die stickige Luft.
## Versteck in einem Safe House
Wer sich nicht gerade einer Reha-Maßnahme unterzieht, döst auf seiner
Holzpritsche oder daddelt auf dem Handy wie Sanji. Im April 2024 wurde dem
28-Jährigen beim Kampf um eine Brücke ins Bein geschossen. Der Transport in
ein Krankenhaus nach Mae Sot dauerte sieben Stunden, zu lang, um das Bein
zu retten.
„Nach dem Putsch hatte ich erst friedlich gegen die Junta demonstriert,
bevor ich mich dem bewaffneten Widerstand angeschlossen habe. Auch wenn ich
dadurch ein Bein verlor, bereue ich das nicht“, sagt Sanji. Er zeigt ein
selbstgemaltes Bild, auf dem er entschlossen ein Sturmgewehr hält. „Wenn
ich könnte, würde ich sofort wieder kämpfen. Aber mit der Prothese geht das
leider nicht“, sagt er.
Auf verschlungenen Weg und verkleidet floh Alex im Januar vor der
Zwangsrekrutierung der Armee nach Thailand. „Ich war bei der Bewegung für
zivilen Ungehorsam dabei und wohl deshalb auf schwarzen Listen“, sagt der
30-jährige Lehrer aus Yangon. Jetzt lebt er ohne gültige Papiere in Mae Sot
in einem der 16 Safe Houses, unscheinbaren Unterschlüpfen, der New Myanmar
Foundation für derzeit mehr als 200 Geflohene. Die Stiftung ist
Hilfsorganisation und Thinktank für eine demokratische Zukunft Myanmars
zugleich.
Als Fan von Büchern und Bildung unterrichtet Alex jetzt Flüchtlingskinder
in dem als Safe House dienenden Mietshaus. Auf der Straße spielen Kinder,
davor verkaufen Birmesen Obst, Gemüse und Süßigkeiten. „Hier sind die
Menschen sicher vor Polizeirazzien“, sagt Zon Pwint, die Managerin des Safe
House. Der Chef der Hilfsorganisation New Myanmar Foundation sei in Maesot
„sehr gut vernetzt“.
## Kritik an der Untergrundregierung
Der Biergarten „Memories of Maesot“ ist gesellschaftlicher Treffpunkt für
Exilbirmesen. Bei Tee, Bier und birmesischen Leckereien von einer der
vielen Garküchen wird über die Lage in der Heimat diskutiert. Es wird
politisiert und Klatsch und Tratsch ausgetauscht, während Livebands mit
internationalen und birmanischen Hits für Unterhaltung sorgen.
Viele hier sind unzufrieden mit der Untergrundregierung NUG („National
Unity Government“). Der Tenor: Sie köchelt im eigenen Saft. „Die NUG taucht
schon mal in Washington, Brüssel oder London auf, aber sie hat noch immer
keine ständige Vertretung in Bangkok. Dabei ist Thailand als Nachbar und
Asean-Mitglied sehr wichtig für Myanmars Zukunft“, sagt der Initiator des
Memories of Maesot Thet Swe Win: „Die NUG muss sich dringend reformieren.“
Auf dem sonntäglichen Umsonstmarkt des Memories können sich Flüchtlinge
kostenlos mit Obst, Gemüse, Reis, Öl und mit Second-Hand-Kleidung sowie
Kinderspielzeug eindecken. „Das wird durch Geld- und Sachspenden
wohlhabender Exilanten ermöglicht“, erzählt Thet Swe Win. Alle vereine die
Hoffnung, irgendwann in ein freies, demokratisches Myanmar heimkehren zu
können. „Daher der Name ‚Memories of Maesot‘, wenn wir in Myanmar an uns…
Exil in Mae Sot zurückdenken.“
12 Nov 2025
## LINKS
[1] /Machtkampf-in-Myanmar/!6056660
[2] /!vn6062720/
[3] /Moderne-Sklaverei/!6117967
## AUTOREN
Robert Lenz
## TAGS
Thailand
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