| # taz.de -- Reaktionen auf den 7. Oktober: Linke Empathieverweigerung | |
| > In Hamburg trafen sich Eva Illouz und Natan Sznaider und diskutierten die | |
| > Enttäuschung über die Reaktionen der Linken auf den Überfall der Hamas. | |
| Bild: Gelände des Nova-Festivals, bei dem Partygäste von der Hamas getötet u… | |
| Eva Illouz hat für unsere, also die linken Kreise, das Buch der Stunde | |
| verfasst: „Der 8. Oktober“, [1][Essay über den Tag nach dem Massaker der | |
| Hamas in der israelischen Negev-Wüs]te, nicht über es selbst: Die Linke – | |
| weltweit, so die französisch-israelische Soziologin – habe auf den Terror | |
| mit Mitleidlosigkeit reagiert, nicht mit Fake News, aber mit Relativierung, | |
| mit Inzweifelziehungen. Etwa, als bei einem Pariser Treffen | |
| islamistisch-linker Zirkel [2][Judith Butler], amerikanische*r | |
| Sprachwissenschaftler*in, auf die Nachrichten von den sexuellen Gewaltakten | |
| an den überfallenen, vergewaltigten, malträtierten Frauen mit kältester | |
| Skepsis erwiderte: Man wisse nicht, ob das wirklich so passiert sei. | |
| Illouz berichtete, sie habe mit Schrecken auf den 7. Oktober reagiert, aber | |
| am 8. Oktober mit „Schock“: Ihre Leute, „die Linken“, verweigerten | |
| Anteilnahme, forderten, so wie Butler vor zwei Jahren, „Kontext“, als ob | |
| Israel bekommen habe, was es verdiene. | |
| Illouz gegenüber saß bei dieser ersten Debatte über ihren Essay in | |
| Deutschland im Audimax der Bucerius Law School in Hamburg [3][Natan | |
| Sznaider], gleichfalls Soziologe, aber von anderen Wahrnehmungen | |
| berichtend: Für ihn, gebürtiger Mannheimer, 1973 von dort nach Israel | |
| ausgewandert, sei der 7. Oktober selbst auch deshalb eine Zäsur gewesen, | |
| weil er doch vor über 50 Jahren, nach dem palästinensischen Terrorüberfall | |
| auf das israelische Team bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München, | |
| erwogen habe, sein Land des Aufwachsens zu verlassen: In Mannheim habe er | |
| damals bei Linken nicht nur klammheimliche Freude über die Tötung jüdischer | |
| Sportler erlebt – dass man sich als Jude nicht nur nicht auf Linke | |
| verlassen könne, habe er damals noch gewusst. | |
| Er habe am 7. Oktober bis in die letzte Faser seines Körpers gewusst, | |
| geahnt, gelernt, dass nun auch Israel kein sicheres Land mehr für Juden und | |
| Jüdinnen sei. | |
| Die Linke habe ihn speziell nicht interessiert, was insofern ein wenig | |
| geflunkert war, weil Sznaider seine akademische Karriere inklusive etlicher | |
| diskursstarker Bücher in Deutschland dem linken Zeitgeist verdankt. Aber | |
| ausweislich seiner Schriften stimmt ja: Einer wie er hat von Kindheit an | |
| gelernt, sich auf niemand fundamental außerhalb Israels verlassen zu | |
| können. | |
| Froh, so seine Erinnerung, seien er und seine Frau, dass ihre Tochter am 7. | |
| Oktober nicht auf dem Nova-Festival war, sie blieb zum Dinner aus Anlass | |
| des vortägigen Geburtstags Sznaiders in Tel Aviv. | |
| Für Illouz war die Enttäuschung über die Empathieverweigerung persönlicher, | |
| enttäuschender für den biografischen Entwurf, Teil der akademischen Szene | |
| global zu sein, die an Aufklärung und also einer besseren Welt arbeitet. | |
| Die Tischtücher sind, so ließe sich sagen, zerschnitten: Illouz | |
| charakterisierte Butler als „Scharlatan*in“. | |
| Trump hingegen bezeichnete sie als wichtigsten Mann momentan: Schafft seine | |
| aktuell einzigartige Macht, das Abkommen mit der Hamas wirklich ins Werk zu | |
| setzen? Von ihm und seinem Agieren hänge alles ab. Was beide sich | |
| versprechen? Sznaider hofft auf die Freilassung der Geiseln, unter allen | |
| Umständen. Und Illouz besteht darüber hinaus zunächst auf „Separation“, | |
| keine voreilig illusionären Peace-and-Understanding-Moves. Alles Weitere | |
| werde die Zukunft zeigen. | |
| Die Moderatorin Catherine Newmark setzte schon zu letzten Worten an, da bat | |
| Illouz um ein letztes kurzes Statement, sie möchte einen jüdischen Witz | |
| erzählen. Wie erging es, was empfanden, so sagte sie, Juden nach Hitlers | |
| Machtergreifung? Die Pessimisten kamen nach Hollywood, die Optimisten – | |
| nach Auschwitz. Beifall für beide im Audimax der Bucerius Law School in | |
| Hamburg, keine Debatte so kurz vor dem 9. Oktober zwei Jahre danach. | |
| 12 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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