| # taz.de -- 20 Jahre Dresscode in der NBA: Weiße Autorität | |
| > Mit Beginn der Saison 2005/06 waren weite Hosen, Ketten und Durags | |
| > verboten. Die neue Kleiderordnung richtete sich vor allem gegen Schwarze | |
| > Spieler. | |
| Bild: Stilikone auf und neben dem Platz: Allen Iverson bei einem Spiel seiner P… | |
| Da schaute er brav vom Titelblatt des NBA-Magazins Hoop: ohne Ohrringe, | |
| Kette oder sichtbare Tattoos. Basketball-Superstar Allen Iverson, wie ihn | |
| sich der Ligaboss gewünscht hatte – zu schön, um wahr zu sein. War es auch | |
| nicht. Iversons Tattoos lagen versteckt unter den Blockbuchstaben der | |
| Titelstory, der Schmuck war wegretuschiert, die zu Cornrows geflochtenen | |
| Haare in der Tiefenunschärfe verschwommen. | |
| Das manipulierte Titelbild von 1999 war der Vorbote für eine Anordnung, die | |
| NBA-Geschäftsführer David Stern wenige Jahre später an alle Teams | |
| verschicken sollte. [1][Vor 20 Jahren wurde ein Dresscode eingeführt.] Mit | |
| Beginn der Saison 2005/06 waren weite Hosen, Ketten und Durags verboten, | |
| genauso wie Wanderschuhe (lies: Timberlands). Wer in der NBA spielte, | |
| sollte auch abseits des Spielfelds „professionell“ aussehen. Allerdings | |
| weniger wie ein Basketballer, eher wie ein Staubsaugervertreter: Business | |
| Casual bedeutete Hemd, Jackett und Schnürschuhe. | |
| Stern trieb mit der NBA die globale Expansion voran. Anfang der 2000er | |
| spülten internationale Stars wie Yao Ming, Pau Gasol und ein junger Dirk | |
| Nowitzki neue Gelder in die Liga. Gleichzeitig blieb die NBA sichtbar eng | |
| mit der anrüchigen US-Hiphopkultur verknüpft. Jay-Z saß mit Beyoncé beim | |
| All-Star-Game in der ersten Reihe, [2][Shaquille O’Neal] tanzte durchs | |
| P.-Diddy-Video – und von Hochglanzsclips auf MTV bis zum Betonsportplatz in | |
| der hessischen Provinz trugen Gangsterrapper wie Gymnasiast:innen das | |
| übergroße Trikot des coolsten Typen der Liga: Allen Iverson. | |
| Der wendige Guard spielte ab 1997 mit 1,83 Meter [3][geballter Athletik und | |
| aberwitzigen Dribblings für die notorisch erfolglosen Philadelphia 76ers | |
| seinen Gegner Knoten in die Beine.] Elfmal All-Star, 2001 wertvollster | |
| Spieler, Platz neun der ewigen Scorerliste nach Punkten pro Spiel. | |
| Statistisch kaum erfassbar ist sein Einfluss als Stilikone: Tattoos, | |
| Goldketten, XXL-Hosen und Shirts wirkten rebellischer als Michael Jordans | |
| Saubermann-Image („Republicans buy sneakers, too“) und waren leichter | |
| nachzumachen als Dennis Rodmans Auftritte im Brautkleid. Plötzlich zeigte | |
| sich die NBA im Hiphop-Look. | |
| ## Gegen die Hiphopkultur | |
| „Man sah Kobe mit der Diamantkette reinkommen und den weiten Klamotten, und | |
| alle haben damit angefangen“, erinnerte sich kürzlich Iverson. „Dann sagte | |
| die Liga: ‚Moment, dagegen müssen wir was tun.‘“ Ein Skandalspiel zwisch… | |
| Detroit und Indiana, das in einer Massenschlägerei endete, bot Stern die | |
| Gelegenheit zu Disziplinarmaßnahmen. Sein Dresscode richtete sich gegen | |
| Hiphopkultur – und, wie viele fanden: gegen Schwarze Spieler. | |
| „Erstens ist es eine seltsame Art, weiße Autorität über schwarze Körper zu | |
| etablieren“, sagt Grant Farred, der an der Cornell University zu Rassismus | |
| im Sport forscht. „Zweitens geht es ums Kapital. Die NBA wollte nicht mit | |
| Rowdytum (engl.: thuggishness) in Verbindung gebracht werden.“ Für Farred | |
| war der Dresscode Sterns letzte große Machtdemonstration. Was folgte, war | |
| die Emanzipation der Spieler. | |
| Statt schlicht im Anzug zu erscheinen, interpretierten viele Stars die | |
| Kleiderordnung kreativ. Inspiration für einen neuen Black Dandyism fanden | |
| sie in italienischer Haute Couture und japanischer Streetwear. Die | |
| Vorreiter James Harden und Russell Westbrook prägen bis heute nicht nur als | |
| Spielmacher das Erbe Iversons – sondern auch als extravagante Trendsetter. | |
| Sie unterwanderten rassistische Stereotype, auf dem Platz und auf der | |
| Fashion Week. | |
| Ein noch deutlicheres Modestatement folgte nach dem Mord an George Floyd | |
| 2020: 285 Spieler trugen von der Liga abgesegnete Protestparolen wie „Black | |
| Lives Matter“ statt ihres Namens auf dem Trikot. Schwer vorstellbar, dass | |
| die NBA das in der Ära Trump 2.0 erneut zuließe. Wie streng der Dresscode | |
| heute durchgesetzt wird, bleibt unklar. Weder Liga noch Spielergewerkschaft | |
| äußern sich dazu. Nur so viel: In seinen Grundzügen bestehe er fort. | |
| Öffentlich geben sich die Stars unbeschwert. Als ein Team der Vogue Russell | |
| Westbrook 2019 zur Louis-Vuitton-Modenschau nach Paris begleitete, lacht | |
| der in die Kamera: „Das ist das Beste an Mode: Man kann machen, was man | |
| will. Das mache ich auch. Warum nicht?“ | |
| 15 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rassistisches-Statement/!526795&s=david+stern+nba/ | |
| [2] /Kolumne-American-Pie/!5388651 | |
| [3] /NBA-Trotz-seiner-Blessuren-treibt-Allen-Iverson-die-76ers-voran/!1232884/ | |
| ## AUTOREN | |
| David Fischer | |
| ## TAGS | |
| American Pie | |
| NBA | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Reden wir darüber | |
| Social-Auswahl | |
| American Pie | |
| Kolumne Erste Frauen | |
| Basketball-EM | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Saisonauftakt in der NBA: Business unterm Korb | |
| Datenanalyse, Hightech-Klamotten und Streaming – die NBA bündelt immer mehr | |
| Geschäfte unter ihrem Dach. Jetzt wird auch wieder Basketball gespielt. | |
| Indigene Basketballerinnen aus den USA: Sieben Weltmeisterinnen unter anderem N… | |
| Ein indigenes Team tritt bei der Weltausstellung 1904 als „World Champion | |
| Girls Basketball Team“ an. Es wird gefeiert – und erfolgreich assimiliert. | |
| Deutsche Team bei Basketball-EM: Selbstlob muss sein | |
| Das deutsche Nationalteam wirkt bei der Europameisterschaft sehr gefestigt. | |
| Rassismus gegen Dennis Schröder überschattet indes den Sieg gegen Litauen. | |
| Alternde Stars im Basketball: Ausstieg verpasst | |
| Allen Iverson und Shaquille O'Neal sind nur noch Abziehbilder ihrer selbst. | |
| Schluss machen sie aber noch lange nicht: auf Geld und Berühmtheit wollen | |
| sie nicht verzichten. |