| # taz.de -- Neuer Dresden-„Tatort“: Übermüdete Menschen im Wirbelwind aus… | |
| > Dieser Krimi braucht Anlauf und wird dann groß. Dabei geht es um keine | |
| > populäre Frage – die nämlich nach der Versorgung von traumatisierten | |
| > Kindern. | |
| Bild: Peter Schnabel (Martin Brambach) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) … | |
| Manchmal macht ein „Tatort“ so Sachen, wo man denkt: Das wird hier heute | |
| kein Glanzstück. Und dann wird es doch. So wie diese Woche in Dresden. | |
| [1][„Siebenschläfer“] ist ein sich langsam und feinsinnig entfaltender | |
| Sozialkrimi, der es sich offenbar zum Ziel gesetzt hat, nur die | |
| Hardcore-Fans an seinem süßen Kern teilhaben zu lassen – und alle anderen | |
| in den ersten zehn Minuten in die Flucht zu schlagen. | |
| Der Film steigt mit dem Uninspiriertesten ein, was man an den Anfang eines | |
| Films stellen kann: einem in die Jahre gekommenen Popsong (sorry, Beyoncé). | |
| Zu dessen Klängen türmen zwei Jugendliche aus dem Fenster ihres Jugendheims | |
| und werden – Trommelwirbel – beinahe erwischt. Na, so was. | |
| Am nächsten Morgen ist eine der beiden tot, die 17-jährige Lilly, im | |
| Baggersee ertrunken. Aber anstatt dass Spannung aufkommt, stehen | |
| Kommissarin Winkler (Cornelia Gröschel) und Kommissar Schnabel (Martin | |
| Brambach) in der unausweichlichen „Die Spaziergängerin hat sie | |
| gefunden“-Szene herum, ringen um Chemie miteinander und kommen nicht so | |
| richtig in Fahrt. Ist die Kripo Dresden ohne [2][Kommissarin Gorniak] | |
| blutleer geworden? | |
| Das wäre dramatisch, denn für Gorniak ist keine Nachfolgerin in Sicht. Die | |
| letzte hat kurzfristig abgesagt, weil sie keine Kita gekriegt hat, erklärt | |
| uns Schnabel – [3][Fachkräftemangel.] Fachkräftemangel herrscht übrigens | |
| auch im Jugendheim, da wo die Tote gewohnt hat, und im Jugendamt ebenfalls. | |
| ## Auf der Suche nach Verantwortlichen | |
| Und da entfaltet „Siebenschläfer“ endlich seinen eigentlichen Kern. Drei | |
| unterbesetzte und überforderte Institutionen kreisen um das, was schon mit | |
| üppigen Ressourcen kaum zu schaffen ist: die angemessene Versorgung von | |
| traumatisierten und verhaltensauffälligen Kindern. | |
| Drei Institutionen, die nun auch noch anfangen, sich im Kreis herum für den | |
| Tod von Lilly verantwortlich zu machen. Klug baut der Film nacheinander | |
| alle im Umfeld der Heimkinder als mögliche Bösewichte auf, nur um immer | |
| wieder festzustellen, dass sie nichts weiter sind als übermüdete Menschen, | |
| abgestumpft von Elend und Streit, deren Job es ist, sich täglich aus | |
| diversen falschen Entscheidungen eine auszusuchen. | |
| Und doch stimmt es, denn aus Sicht der Jugendlichen sind ja diejenigen, die | |
| sich kümmern, auch die, die bevormunden, Freiheit rauben, maßregeln, | |
| strafen. Die Bösen eben. Das weiß auch Schnabel, der sich in seine eigene | |
| Heimzeit zurückversetzt fühlt und in der ganzen Umgebung erst mal rotsieht. | |
| Inmitten dieses Wirbelwinds aus Systemversagen findet Schnabel eine | |
| verwandte Seele ausgerechnet im Hauptverdächtigen, dem aggressiven Pascal | |
| (furchteinflößend und nahbar zugleich: [4][Florian Geißelmann]). Der | |
| Polizeionkel und der impulsive Jugendliche entwickeln zur Mitte hin eine | |
| charmante Buddy-Dynamik, die den Film aus dem tatortigen Mittelfeld | |
| herausreißt und ihm eine Seele verleiht. | |
| Das kommt nicht ohne Melodramatik aus, und auch nicht ohne pädagogische | |
| Dialoge. Aber das soll verziehen sein. Das hier ist kein kühles, | |
| realistisches Drama, kein Spiegel der Verhältnisse, sondern etwas, das | |
| bewegen und bezaubern und vielleicht auch ein bisschen belehren will. | |
| Manchmal sind es ausgerechnet die kleinen, leisen Momente, die, in denen | |
| kurz alles hoffnungsvoll und einfach erscheint, mit denen ein Krimi einem | |
| den Atem rauben kann. Mehr noch als jeder „Nehmen Sie die Waffe | |
| runter“-Showdown. Aber keine Sorge, den kriegen wir natürlich trotzdem. | |
| 12 Oct 2025 | |
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| [2] /Dresden-Tatort-in-der-ARD/!6066434 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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