Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Opposition gegen Putin: Pugatschowa mischt alle auf
> Zu Sowjetzeiten war sie ein Star, heute kritisiert sie Putins
> Angriffskrieg gegen die Ukraine – und gibt dazu ein Interview. Das geht
> viral.
Bild: Die berühmte russische Sängerin Alla Pugatschowa lebt derzeit im Exil i…
Moskau taz | Alla Pugatschowa bezeichnet sich selbst kokett als „eine Frau,
die singt“. Bei ihren legendären Auftritten jubelte der Schlagerikone einst
die ganze Sowjetunion zu. Früh stieg die inzwischen 76-jährige russische
Ausnahmeerscheinung zur unangefochtenen Königin der Bühne auf.
1988 nahm sie mit dem Sänger Udo Lindenberg eine Schallplatte auf mit dem
Titel „Lieder statt Briefe“. Gemeinsam gingen beide auf [1][Tournee] – in
der Sowjetunion, der Bundesrepublik und der Schweiz. Pugatschowas
Popularität hält bis heute an. Allerdings sind es im Moment weniger der
Klang ihrer sonoren Stimme, der Russlands Gemüter emotional berührt oder
die Texte der von ihr interpretierten Lieder.
Es sind ihre gesprochenen Worte, die das russischsprachige Internet seit
dem 10. September aufmischen. An diesem Tag gab [2][die Diva] erstmals seit
Jahren des Stillhaltens ein [3][Interview]. Innerhalb von nur neun Tagen
wurde das über dreieinhalb Stunden lange Youtube-Video fast 21 Millionen
Mal geklickt – obwohl YouTube in Russland seit einem Jahr nur noch über VPN
funktioniert.
Jetzt reden alle über Pugatschowa, nur das russische Staatsfernsehen
schweigt. Der Grund liegt auf der Hand: Spätestens seit Februar 2022 wurde
ihre Beliebtheit für den Kreml zum Problem, denn die Primadonna hatte nie
einen Hehl daraus gemacht, dass sie rein gar nichts für Russlands
kriegerische Aktivitäten in der Ukraine übrig hat.
## Ein Irrtum
Das Weite suchen wollte sie trotzdem nicht. Im Frühjahr 2022 schien ihr
Bleiben in Russland noch möglich. Wer hätte ihr auch Steine in den Weg
legen sollen – ihr, die die Aura einer Unantastbaren umgibt? Ein Irrtum,
wie sich herausstellte.
Im September 2022 verließ Pugatschowa Russland mit einem One-Way-Ticket in
Richtung Israel. Dem war ein Treffen mit Sergej Kirienko vorausgegangen,
dem stellvertretenden Leiter der russischen Präsidialverwaltung. Kirienko
versuchte, Pugatschowa zu beschwichtigen. Es gäbe keinen Anlass zur Sorge
um ihre Familie, sie könne ruhig ihre Meinung offen kundtun.
Zwei Tage später wurde ihr fünfter Ehemann Maxim Galkin, Stand-up-Comedian,
Fernsehstar und erklärter Kriegsgegner, als sogenannter ausländischer Agent
diffamiert. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung lag es nahe, israelische
Pässe zu beantragen. Derzeit hält sich die Familie in Lettland auf, wo die
bekannte russische Journalistin Jekaterina Gordejewa das viel diskutierte
Interview mit Pugatschowa führte.
Im Gespräch finden sich keine politischen Enthüllungen, keine zugespitzten
Anschuldigungen gegen die russische Führung. „Alle wissen, dass ich gegen
den Krieg bin“, merkt die Sängerin lakonisch an.
## An der kurzen Leine
Vielen russischen Oppositionellen geht das jedoch nicht weit genug.
Pugatschowa plaudert ausführlich über Privates, über ihre Karriere unter
einer gängelnden Aufsicht der allmächtigen kommunistischen Partei, die sie
mit Anweisungen und Verboten an der kurzen Leine hielt.
Aber ihre freizügige Erzählung enthält auch jene aufschlussreiche Episode
mit Kirienko. Oder die Beschreibung einer Szene, in der Michail Gorbatschow
die Sängerin um Rat bat, weil er, der mächtigste Mann der untergehenden
UdSSR, keine Ahnung hatte, wie er das Volk für sich gewinnen könne.
Von Wladimir Putin als jungem Nachfolger Boris Jelzins habe sie viel
gehalten, weil er damals die richtigen Worte gefunden habe – auch über die
Ukraine. Denn einen Krieg mit dem Nachbarland habe Putin ausgeschlossen.
Mit Dmitrij Medwedjew, den Putin von 2008 bis 2012 zwecks Einhaltung der
Verfassung im Kreml plazierte, habe sie nach eigenen Worten einst sogar so
etwas wie Freundschaft verbunden. Inzwischen erkenne sie beide nicht
wieder, das sei ein Schock.
Pugatschowa spricht nicht als Politikerin, die sie nie war, sie spricht zu
ihren Fans. Intuitiv weiß sie, welchen Ton sie anschlagen muss, um bei
ihnen Gehör zu finden. Sie zeigt Mitgefühl für sie, gibt fatale
Fehleinschätzungen zu. Mit der simplen Formel „Patriotismus ist der Heimat
zu sagen, dass sie Unrecht hat“ lädt sie die Bevölkerung dazu ein, es ihr
gleichzutun.
## Ein neues Idol
Ihr angestammtes Publikum dankt es ihr, Teenies haben ein neues Idol
entdeckt. Massenweise finden sich Kommentare wie dieser: „Einen solchen
positiven Stimmungswandel bei völlig unterschiedlichen Menschen habe ich
nur 1991 auf den Barrikaden des Weißen Hauses gesehen. Sie hat uns in einer
scheinbar hoffnungslosen Zeit Hoffnung gegeben!“
Nein, eine „Volksfeindin und Verräterin“ sei Pugatschowa, echauffierte sich
Tschetscheniens mit äußerster Brutalität herrschendes Oberhaupt Ramsan
Kadyrow. Den sowjetischen General Dschochar Dudajew, Anfang der 1990er
Präsident der niemals anerkannten separatistischen Republik Itschkerija und
Hassobjekt Nummer eins der moskautreuen tschetschenischen Führung,
bezeichnete Pugatschowa als „anständigen Menschen“.
Dafür bekam sie auch aus den Reihen sogenannter Kriegsblogger*innen
Schelte. Der TV-Anwalt und Afghanistan-Veteran Alexander Treschtschow
fühlte sich durch diese Aussage sogar in seiner Ehre gekränkt und reichte
Klage bei Gericht ein. Umgerechnet 150 Millionen Euro Schmerzensgeld
fordert er.
Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums und nie um
einen peinlichen Kommentar verlegen, tat das Interview als „Basar der
Heuchelei“ ab. „Ich weiß, was als Nächstes passieren wird, aber ich darf …
nicht sagen“, gibt Pugatschowa an ihre Fans weiter. „Merkt euch das Jahr
2027.“
19 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=IUqAGwQ0Z30
[2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5882174
[3] https://www.youtube.com/watch?v=D6rFxVPz7UI
## AUTOREN
Vera Bessonova
## TAGS
Russland
Sängerin
Russische Opposition
GNS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kehrtwende des US-Präsidenten: „Russland sieht aus wie ein Papiertiger“
Nach einem Treffen mit Selenskyj hält der US-Präsident einen Sieg der
Ukraine für möglich. Sie könne ihr gesamtes Staatsgebiet zurückgewinnen.
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: EU-Staaten offen für Kredit an Ukraine a…
Mit der mutmaßlichen Verletzung des estnischen Luftraums durch Russland
wird sich zu Wochenbeginn der Nato-Rat befassen. Bei einem ukrainischen
Angriff auf die Region Samara sterben vier Menschen.
Abschied von Russland: Mütterchen, es ist Zeit zu gehen
Mehr als ihr halbes Leben verbrachte unsere Korrespondentin in dem Land,
das seinen Nachbarn überfallen hat und die eigenen Leute nicht frei reden
lässt.
Krieg in der Ukraine: Russische Pop-Diva als Agentin
Auch Prominente sind vom russischen Angriffskrieg betroffen. Jüngste
Beispiele: Popdiva Alla Pugatschowa und der Balletttänzer Olexandr
Schapowal.
Antikriegslied von russischer Sängerin: Seufzen gegen den Krieg
Popstar Zemfira veröffentlicht das Lied „Ne Strelayte“ erneut. Es wird zur
Hymne der russischen Antikriegsbewegung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.