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# taz.de -- Fußball im Kölner OB-Wahlkampf: Mehr Fläche für den Geißbock
> Der 1. FC Köln möchte sein Gelände vergrößern und beansprucht
> Grünflächen. Der Zugriff des Profisports auf die grüne Lunge der Stadt
> ist umstritten.
Bild: Seltene Harmonie von Sport und Natur: Ein Platz am Geißbockheim des 1. F…
Köln taz | Am Wochenende stehen in Köln gleich zwei wichtige Wahlen an: Am
Samstag wählt der lokale Bundesligist seinen neuen Vorstand, am Sonntag
folgt die Stichwahl um das Amt der Oberbürgermeisterin oder des
Oberbürgermeisters.
Zwei Wahlen, die beim ersten Blick nur marginal etwas miteinander zu tun
haben – und dennoch sind sie eng miteinander verzahnt. Wechselwirkungen
zwischen Fußball und Politik, zwischen Breitensport und Bundesliga,
zwischen Kapitalinteressen und Umweltschutz: In Köln geht es um Grünflächen
im öffentlichen Raum, die ein leistungsorientiert denkendes
Fußballunternehmen für sich nutzen möchte. Doch der Widerstand dagegen ist
groß, die Diskussionen seit Jahren emotional. Die neue Stadtführung wird
entscheiden, wie es damit weitergeht.
Wer ins Rathaus einzieht, zeigt sich an diesem Sonntag nach der Stichwahl
zwischen [1][Berîvan Aymaz (Grüne)] und Thorsten Burmester (SPD). Die
derzeit noch amtierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos)
hatte angekündigt, nach zehn Jahren als OB nicht erneut kandidieren zu
wollen.
Ihre mögliche Nachfolgerin Aymaz ist in der Türkei geboren und derzeit
Vizepräsidentin des Landtags in NRW. Zuvor war die 53-Jährige Sprecherin
für Integrationspolitik und Internationales der Grünen-Fraktion. Sie könnte
die erste grüne Oberbürgermeisterin einer deutschen Millionenmetropole
werden. Burmester war von 2022 bis 2024 Vorstandsvorsitzender beim
Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Frühere Stationen waren in der
Verwaltung auf Bundes- und Länderebene und im Team von Ex-Kanzler Gerhard
Schröder.
Beim ersten Wahlgang entfielen 28 Prozent der Stimmen auf Aymaz, Burmester
holte 21 Prozent. Im Kölner Stadtrat stellen die Grünen mit 22 Sitzen die
größte Fraktion, SPD und CDU haben jeweils 18. Welches Ratsbündnis zustande
kommen wird, ist unklar, die Mehrheitsbildung dürfte kompliziert werden.
Das ist die Ausgangslage vor dem Kommunalwahlsonntag in Deutschlands
viertgrößter Stadt.
## Mitgliederversammlung beim 1. FC Köln
Einen Tag zuvor wurde es in Müngersdorf spannend, ohne dass da ein
Heimspiel des 1. FC Köln stattfindet. Der FC, [2][sportlich zuletzt in die
Bundesliga aufgestiegen], lädt zur Mitgliederversammlung ein. Der
Traditionsverein hat derzeit über 150.000 Mitglieder, ist einer der größten
Fußballvereine in Deutschland. Neben dem Karneval ist der FC für viele das
wichtigste Aushängeschild der Stadt.
Im Vergleich zum Großteil der anderen Bundesligisten fußt er auf einer
demokratischen Satzung, weshalb Mitglieder ihr Recht auf Teilhabe
wahrnehmen können. Die lange Tagesordnung mit Berichten, Aussprachen und
der Wahl dürfte dafür sorgen, dass die Veranstaltung sich den ganzen Tag
hinzieht. Erstmals kandidieren drei Teams für den Vorstand des Vereins.
Eines der Kernthemen im Kommunal- und Vorstandswahlkampf ist der Ausbau des
„Geißbockheims“, dem bereits 1953 erbauten Vereinssitz des 1. FC Köln. Die
Anlage ist im Besitz der Stadt und vom FC nur gepachtet, sie umfasst neben
Klubhaus und Geschäftsstelle mehrere Trainingsplätze und ein kleines
Stadion. Ist vom Geißbockheim die Rede, ist die gesamte Anlage gemeint. Sie
liegt im Äußeren Grüngürtel, einer halbkreisförmigen Grünzone in der Stad…
deren Entstehung maßgeblich der damalige OB Konrad Adenauer vorangetrieben
hatte.
Teil des Grüngürtels ist das Landschaftsschutzgebiet Gleueler Wiesen auf
dem der 1. FC Köln bauen will. Der Verein, die Ratsfraktionen und
Bürgerinitiativen streiten seit mehr als zehn Jahren, ob dieses Projekt
überhaupt umgesetzt werden soll.
Im Dezember 2015 hatte der Stadtentwicklungsausschuss mit einer Mehrheit
aus Stimmen von SPD, CDU, FDP und den Grünen den Beschluss gebilligt, für
das Geißbockheim einen Bebauungsplan zu erstellen. Der FC möchte auf dieser
Grünfläche drei Fußballplätze bauen, zudem Kleinspielfelder für alle
Kölnerinnen und Kölner – das war wesentlicher Bestandteil der Gespräche
zwischen Stadt und dem Verein, denn die Öffentlichkeit sollte auch davon
profitieren. 2020 beschloss der Stadtrat, dass der FC seine Pläne umsetzen
kann. SPD, FDP und CDU stimmten dafür, die Grünen waren dagegen. Seitdem
ist jedoch nicht viel passiert, auch Gespräche über Ersatzflächen haben
nicht gefruchtet.
## Jahrzehntelanger Kampf
Die Bürgerinitiative Grüngürtel für alle und der Naturschutzbund
Deutschland hatten gegen den Ausbauplan mobil gemacht und geklagt, der
Rechtsstreit ist bis heute nicht beendet. Die Umweltschützer wollen den
„geliebten Grüngürtel in seiner jetzigen Form als Park für alle Bürger
bewahren“ und sprechen sich für einen „landschafts- und klimaneutralen
zweiten Standort“ aus.
Die schwankenden Mehrheitsverhältnisse im Rat verhinderten einen Baubeginn
auf den Gleueler Wiesen bisher. 2024 war noch ein Kompromiss erarbeitet
worden, mit dem ein zweistöckiges Leistungszentrum, aber nicht die drei
Plätze auf den Gleueler Wiesen hätten gebaut werden können. Dieser fand ein
jähes Ende, weil der FC ein paar Wochen vor der Kommunalwahl angekündigt
hatte, sich aus den Verhandlungsprozessen mit Stadtrat und Stadtverwaltung
zurückzuziehen.
„Seit über einem Jahrzehnt kämpfen wir für eine zukunftsorientierte Lösung
am Geißbockheim. Die Auswirkungen dieser Entscheidung betreffen längst
nicht mehr nur den 1. FC Köln. Es ist eine Entscheidung für oder gegen die
Zukunft des Sports in unserer Stadt“, erklärte die Geschäftsführung des
Vereins. Alle Alternativen seien gescheitert, nun sei „Zeit, zu handeln“.
Darauf folgte Ende August eine Demonstration am zentral gelegenen Kölner
Heumarkt. Etwa 3.000 Fans waren vor Ort, um vor der Kommunalwahl Druck auf
die Parteien auszuüben. In einem Mitgliederbrief hatte der FC aufgefordert,
bei der Entscheidung zur Wahl von OB und Stadtrat zu berücksichtigen,
welche Parteien den Verein unterstützen – und welche nicht.
## Wahlkampfthema Geißbockheim
Die Kölner SPD rund um OB-Kandidat Thorsten Burmester hatte im Wahlkampf
betont, zum Beschluss und zu seiner Vollendung zu stehen und das Vorhaben
des FC weiterhin zu befürworten. Der Verein sei „mit seinen Plänen bereits
Kompromisse eingegangen“, diese bildeten einen „guten Ausgleich zwischen
umweltpolitischen und sportpolitischen Erwägungen“.
Das Wahlprogramm der Grünen enthielt keinen Satz zum Geißbockheim,
Spitzenkandidatin Aymaz erklärte aber, „der Schutz des Grüngürtels mit all
seinen vielen wichtigen Funktionen“ sei „nicht diskutabel“.
Noch am vergangenen Montag hatten Aymaz und Burmester in einer
Podiumsdiskussion ihre unterschiedlichen Standpunkte zum Geißbockheim und
der Gleueler Wiese dargelegt. Burmester, so der Kölner Stadt-Anzeiger, habe
Verständnis für den 1. FC Köln und seine Ausbaupläne gezeigt. Die Replik
von Aymaz: „Gerade in einer Zeit, in der wir den Klimawandel auch in
unserer Stadt so stark spüren, müssen wir klarmachen, dass diese grüne
Lunge absolut geschützt bleiben muss.“
Parteipolitisch, zwischen Grünen und SPD, sind die Fronten ohnehin seit
Langem klar. Da es zwischen den Fraktionen zwei fundamental andere
Ansichten zum Thema Geißbockheim gibt, ist vorstellbar, dass dieses Thema
auch weiterhin keinen kurzfristigen politischen Rückhalt bekommen wird.
Schnelle Lösungen für einen Prozess, der schon zehn Jahre andauert, mit den
Grünen als stärkste Fraktion im Stadtrat und einer möglichen neuen grünen
OB – das erscheint ambitioniert, unabhängig vom neugewählten Vorstand des
Vereins.
Und ob die neue Stadtführung dann wirklich das Geißbockheim als Priorität
ansieht, darf bei der Vielzahl der Probleme in Köln angezweifelt werden.
Schulen, Straßen und Pflegeeinrichtungen, Wohnungsangebot, die KVB,
öffentliche Sicherheit – das dürften in den nächsten Jahren die
Schwerpunkte sein, weil sich große Teile der Kölner Bevölkerung wegen
dieser Zustände desillusioniert zeigen.
Fakt ist: Die Baumaßnahmen auf den Gleueler Wiesen würden etwa 0,5 Prozent
des [3][Äußeren Grüngürtels] betreffen, sagen FC und SPD. Hinter diesem
niedrigen Prozentsatz schwelen allerdings Konflikte mit großem
Spaltungspotenzial – unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat.
Die Privatisierung von öffentlichen Flächen in dicht bevölkerten
Großstädten dürfe nicht endlos vorangetrieben werden, sagen nicht nur
Umweltschützer.
Ein finanziell gut aufgestelltes Wirtschaftsunternehmen aus dem
Profifußball bekäme schneller mehr Platz zur Verfügung gestellt als
zahlreiche Breitensportvereine, die es sich nicht leisten können. Auch das
wird in der Auseinandersetzung diskutiert. Wie also soll man einem Kind
erklären, dass sich seine Mannschaft weiter einen Ascheplatz mit anderen
Vereinen teilen muss, während der Nachwuchs des FC einen Teil
Landschaftsschutzgebiet nutzen kann?
27 Sep 2025
## LINKS
[1] /Koeln-waehlt-am-Sonntag/!6105488
[2] /Aufstieg-des-1-FC-Koeln/!6085832
[3] /Kolumne-Generation-Camper/!5025236
## AUTOREN
Arne Steinberg
## TAGS
Fußball
1.FC Köln
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