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# taz.de -- Vizepremierministerin in Großbritannien: Angela Rayner tritt zurü…
> Die Labour-Politikerin legt alle Ämter in Kabinett und Partei nieder.
> Eine regierungsinterne Prüfung hat bestätigt, dass sie Steuern
> hinterzogen hat.
Bild: Steuerskandal: Britische Vizepremier Angela Rayner (re.) tritt zurück
In Großbritannien ist die stellvertretende Premierministerin [1][Angela
Rayner] zurückgetreten. Die 45-jährige Labour-Politikerin [2][legte
Freitagmittag all ihre Ämter nieder], also auch den Posten als
Bauministerin in der Regierung und den stellvertretenden
Labour-Parteivorsitz. Sie wird ab sofort nur noch als einfache Abgeordnete
auf den Labour-Hinterbänken im Parlament sitzen.
Mit ihrem Rücktritt zieht Rayner die Konsequenz aus einer Untersuchung des
Ethik-Beauftragten der Regierung in Steuerunregelmäßigkeiten im
Zusammenhang mit einem Wohnungskauf Rayners. Die Politikerin hatte in Hove
an Englands Südküste eine Luxuswohnung für 800.000 Pfund (knapp 1 Millionen
Euro) gekauft und eine der fälligen Steuern von 70.000 auf 30.000 Pfund
reduziert, indem sie die Wohnung fälschlicherweise als ihren Hauptwohnsitz
angab. Am vergangenen Mittwoch hatte sie das nach mehreren Tagen kritischer
Presseberichte zugegeben und den Ethik-Beauftragten der Regierung, der für
die Prüfung mutmaßichen Fehlverhaltens von Regierungsmitgliedern zuständig
ist, um eine Untersuchung gebeten.
Die [3][Stellungnahme des Ethik-Beauftragten Laurie Magnus] wurde
Premierminister Keir Starmer am Freitag vorgelegt und kam zum Schluss,
Rayner habe die geltenden Regeln zum Verhalten von Regierungsmitliedern
gebrochen. Damit war entweder ihr Rücktritt oder ihre Entlassung
unausweichlich. Magnus lobte die Kooperation Rayners bei der Untersuchung,
die deswegen unüblich schnell zum Abschluss kam.
Konkret führt der Bericht aus, Rayner habe es versäumt, sich rechtzeitig
professionelle Steuerberatung zu holen. Sie selbst hatte zunächst
behauptet, sie sei bei ihrer Steuerzahlung externer Beratung gefolgt, ohne
offenzulegen, wer sie wie beraten hatte. Journalisten fanden das
schließlich heraus und die betroffenen Maklerfirmen stellten klar, sie
hätten bloß Einschätzungen aufgrund der von Rayner gelieferten Angaben
gemacht und ansonsten empfohlen, einen Steuerberater aufzusuchen.
## Juristische Beratung bereits am Montag erhalten
Die Komplexität der Affäre rührt daher, dass in den Wohnungskauf in Hove
ein Fonds involviert ist, in dem Entschädigungsgelder stecken, die einst
der britische staatliche Gesundheitsdienst NHS Rayner wegen Fehlern bei der
Frühgeburt ihres mittlerweile 17 Jahre alten Sohnes an Angela Rayner
zahlte. Bevor sie im Mai die Wohnung in Hove kaufte, verkaufte sie ihren
Anteil an einer einst als Hauptwohnsitz genutzten Immobilie in ihrem
nordwestenglischen Wahlkreis Ashton-under-Lyme an diesen Fonds und nutzte
den Erlös zur Teilfinanzierung des Wohnungskaufs in Hove. Da aber der Fonds
die Vermögensverwaltung ihres Sohnes ist und dieser noch minderjährig ist,
verkaufte sie damit rechtlich gesehen den Immobilienanteil an sich selbst.
Damit konnte sie den nachfolgenden Wohnungskauf in Hove nicht als Kauf
eines Erstwohnsitzes geltend machen, so die Untersuchung. Ihr Hauptwohnsitz
ist mittlerweile ohnehin in London.
Entsprechende juristische Beratung soll Rayner Presseberichten zufolge
schon am Montag bekommen haben, nachdem erste Journalistenrecherchen vor
einer Woche Fragen aufwarfen. Trotzdem behauptete sie danach noch mehrere
Tage lang, sie habe in gutem Glauben richtig gehandelt, bis sie am Mittwoch
abrupt das Gegenteil zugab. Ob sie damit auch Starmer tagelang hinters
Licht geführt hat oder auch er wider besseres Wissens seine
Stellvertreterin tagelang verteidigte, blieb am Freitag offen.
Dass sie sich nicht gleich korrekt beraten ließ, bedaure sie jetzt zutiefst
„angesichts meiner Position als Bauministerin und meinen komplexen
Familienverhältnissen“, schrieb Rayner in ihrem [4][Rücktrittsbrief]. Die
mediale Aufmerksamkeit habe ihrer Familie sehr zugesetzt. „Am wichtigsten
war und ist mir immer, meine Kinder zu schützen, und die Belastung, die
mein Verbleib im Amt für sie dastellt, wird unerträglich.“
Premierminister Starmer nahm den Rücktritt seiner „vertrauten Kollegin und
engen Freundin“ an und äußerte in [5][einem Antwortbrief] die Hoffnung,
Rayner werde weiterhin „eine wichtige Rolle in unserer Partei“ spielen. Sie
habe Großes geleistet und ihr Aufstieg sei „eine Verkörperung sozialer
Mobilität“. Ihr Rücktritt jetzt sei aber „die richtige Entscheidung“.
Die 1980 geborene Rayner wuchs in Stockport nahe Manchester in bitterarmen
Verhältnissen auf und verließ mit 16 Jahren die Schule ohne Abschluss, als
sie ihr erstes Kind erwartete. Wie sie auch jetzt mehrfach betont hat,
verdankt sie es den Förderprogrammen der 1997 gewählten Labour-Regierung
von Tony Blair für alleinerzehende Mütter, dass sie doch noch die
Ausbildung zur Pflegerin absolvieren konnte – sie wurde danach
Gewerkschafterin und Labour-Politikerin, seit 2015 sitzt sie im britischen
Unterhaus. Seit 2021 ist sie die Nummer Zwei der Labour-Partei, seit 2024
Bauministerin und stellvertretende Premierministerin.
Rayners Rücktritt überschattet den „Neustart“, den Premierminister Starmer
erst vor wenigen Tagen verkündet hatte, als er zum Ende der Sommerpause die
„zweite Phase“ seiner Regierung ausrief. Er ist zugleich eine Steilvorlage
für den [6][Jahresparteitag der rechtspopulistischen Oppositionspartei
Reform UK] von Nigel Farage, der am Freitagmittag in Birmingham begann.
Reform UK liegt seit Monaten in allen britischen Meinungsumfragen klar vorn
und setzt zunehmend die politische Agenda in Großbritannien, insbesondere
mit Rufen nach einer migrationsfeindlicheren Politik. Am Freitag [7][sagte
Farage zur Parteitagseröffnung], die Labour-Partei werde jetzt wohl
auseinanderfliegen und spätestens 2027 werde es Neuwahlen in Großbritannien
geben – er rechnet dann mit einem klaren Wahlsieg.
Nach Rayners Rücktritt nahm Premierminister Starmer am Freitagnachmittag
eine umfassende Regierungsumbildung vor. Neuer stellvertretender
Premierminister wird der bisherige Außenminister David Lammy, der zugleich
das Justizministerium übernimmt. Um den stellvertretenden
Labour-Parteivorsitz, den Parteichef Starmer nicht im Alleingang besetzen
kann, ist nun eine parteiinterne Neuwahl fällig.
5 Sep 2025
## LINKS
[1] /Wegen-Steuerbetrug/!6108159
[2] https://x.com/AngelaRayner/status/1963924087681569251
[3] https://x.com/SophiaSleigh/status/1963926299212198272
[4] https://x.com/AngelaRayner/status/1963924087681569251
[5] https://x.com/PolitlcsUK/status/1963926126918533479
[6] https://reformpartyconference.co.uk/
[7] https://x.com/PolitlcsUK/status/1963941331778011293
## AUTOREN
Dominic Johnson
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