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# taz.de -- Klimaresistenter Radweg: Immer noch eine Spur zu heiß
> Die „Kühle Spur“ in Brandenburg soll die erste an den Klimawandel
> angepasste Radstrecke Deutschlands sein. Der Schatten aber lässt auf sich
> warten.
Bild: Auf der Suche nach dem versprochenen Schatten
Großräschen taz | Erst mal ist an dem Tag pralle Sonne: 28 Grad, kein
Schatten in Sicht. Aber vom Bahnhof Großräschen sind es nur ein paar
Minuten mit dem Rad bis zur „Kühlen Spur“. So wird der Radweg beworben, er
ist laut dem Tourismusverband Lausitzer Seenland „[1][der erste
klimawandelangepasste Fahrradweg Deutschlands]“. Das Kühle lässt aber auf
der Seestraße, wo die Strecke startet, noch auf sich warten. Dann endlich,
am Ende der Straße, steht vor der Touristeninformation die Erlösung: ein
Trinkbrunnen. Es wird der Einzige auf der gesamten Strecke sein.
31,4 Kilometer führt die „kühle Spur“ durch das Lausitzer Seenland, ein
Rundweg entlang an Sehenswürdigkeiten und lokalen Gaststätten. Der Fokus
der Strecke soll dabei auf Hitzeschutz und „naturnahem Radvergnügen“
liegen. Mehrere Bademöglichkeiten, Bäume entlang der Strecke und besagter
Trinkbrunnen sollen für Abkühlung an heißen Tagen sorgen.
## Ein touristisches Pilotprojekt
Die „Kühle Spur“ ist ein Pilotprojekt. Entwickelt wurde es von Forschenden
des [2][Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (Zalf)] und der
[3][Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg] (BTU).
Offiziell trägt es den Namen „Landschafts-Innovationen in der Lausitz für
eine klimaangepasste Bioökonomie und naturnahen Bioökonomie-Tourismus“,
kurz LIL-KliBioTo, wie es dann auf der Infotafel zur Strecke steht.
„Nicht nur der Wintertourismus muss sich an den Klimawandel anpassen,
sondern auch der Sommertourismus, weil die Anzahl der heißen Sommertage
zunimmt“, sagt Frank Wätzold. Er ist Hochschullehrer im Bereich
Umweltökonomie an der BTU. Eine solche Anpassung müsse jetzt anfangen, weil
sie erst nach etwa 15 bis 20 Jahren wirksam werde. Dann erst entfalten die
Bäume ihre volle Schattenwirkung. „Der Klimawandel erfordert langfristiges
Denken“, sagt der Experte.
In der Gegenwart aber lässt der Schatten so – auch wenn die Strecke jetzt
schon als „Kühle Spur“ beworben wird – noch auf sich warten. Was steht, …
der Plan, in der Theorie. Ein Großteil des Wegs führt allerdings weiter
durch die pralle Hitze. Manchmal ist da Halbschatten, und manchmal geht es
durch den Wald – und wird dort tatsächlich kühl. Und ja, die Landschaft ist
wirklich schön. Da ist etwa der Hafen in Großräschen, da ist der
Schlosspark in Altdöbern. Auf der Website des Tourismusverbands zur Kühlen
Spur gibt es zudem Restauranttipps. „Radtouristinnen und -touristen sollen
ja auch zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beitragen. Von daher
können sie auch gern einkehren“, sagt Wätzold dazu.
Es ist kein Zufall, dass das Projekt in Zusammenarbeit mit dem
Tourismusverband Lausitzer Seenland entstand. Schließlich hat der Bergbau
dort ordentliche Spuren hinterlassen, die nun mit der so geschaffenen
Wasserlandschaft als „Urlaubsparadies“ vorgestellt wird. Bald werden auch
die Forschenden ihre Erkenntnisse in wissenschaftlichen Arbeiten
publizieren, die zur Erforschung von klimaresistentem Tourismus
richtungsweisend sein dürften. Für Radfahrer:innen aber ist die
Verkündung einer kühlen Spur aktuell schlicht irreführend.
„Wir haben die Idee entwickelt, die gab es vorher noch nicht“, sagt Wätzold
als Verteidigung. Die Kühle Spur soll außerdem ein Gebiet erschließen, in
dem es bisher noch nicht so viel Radtourismus gibt. „Im Grunde genommen
brauchten wir nur verschiedene Radwege zu verknüpfen“, sagt Wätzold. Zur
Analyse der Kühlwirkung wurde der Radweg an heißen Tagen mit
Wärmebildkameras und Drohnen analysiert. Zudem wurden Radfahrende nach
ihren Präferenzen befragt. Daran anschließend wurde die Route geplant und
eine „Heatmap“ erstellt, die allerdings eben einige Streckenabschnitte als
kühlwirkend ausweist, an denen allerdings erst kleine Bäume stehen, die bei
Weitem noch keinen Schatten spenden. Die Heatmap sagt also gewissermaßen
die Kühlwirkung in 20 Jahren vorher.
## Die Anpassung für die Zukunft
An diesem sommerlichen Dienstag bei 28 Grad ist auf dieser innovativen
Radstrecke wenig los. Die Route ist auch nicht ausgeschildert, es gibt
lediglich eine Infotafel und die Routenführung auf der App Komoot.
Als „vorwiegend asphaltiert“ ist der Weg beschrieben, was stimmt.
Allerdings reicht auch ein kurzer Wegabschnitt mit Brandenburger Sand und
Schottersteinen, dass man mit dem Fahrrad ordentlich ins Schlittern kommt.
Der Helm kann nicht schaden, und Sonnenschutz tut sowieso weiter Not auf
der Strecke.
Die frühe Umsetzung von klimawandelresistenten Maßnahmen ist eine gute
Sache, und gut ist es gleichfalls, wenn Forschende darüber neue
Erkenntnisse erlangen. Die Anpassung muss schon jetzt stattfinden, sodass
auch künftig trotz der Erderwärmung überhaupt noch Radfahren im Sommer
möglich ist.
Ein wenig aber hakt es in der Lausitz an der Kommunikation: Eine „bald mal
kühle Spur“ wäre momentan doch der passendere Name.
13 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.lausitzerseenland.de/de/erleben/radfahren/thematische-tagestour…
[2] https://www.zalf.de/de/Seiten/ZALF.aspx
[3] https://www.b-tu.de/
## AUTOREN
Lea Knies
## TAGS
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