| # taz.de -- Buchvorstellung von Boris Becker: Eine Tennis-Ikone in ganz klein | |
| > Boris Becker hat seine Gefängniserfahrungen aufgeschrieben. Er berichtet | |
| > vom brutalen Alltag, aber auch davon, wie er künftig gesehen werden | |
| > möchte. | |
| Bild: Unser Lehrer Boris Becker: In seiner Haftzeit unterrichtete der Wimbledon… | |
| Klein ist er geworden, der [1][Boris Becker], so präsentiert er sich. Einen | |
| kleinen roten Teppich hat man dem Tennisweltstar hingelegt. Ins Berliner | |
| Kino Delphi ist er am Donnerstagabend gekommen, um „[2][Inside]“ | |
| vorzustellen, sein neues Buch. | |
| Es handelt von seiner Zeit in englischen Gefängnissen. 231 Tage war er da. | |
| Klein waren die Zellen dort, klein die Betten. Davon berichtet er an diesem | |
| Abend, den der Ullstein-Verlag organisiert hat. | |
| Das Delphi ist ein Berliner Off-Kino, eines der größten zwar, aber doch | |
| eines, das sich bewusst von Mainstream und Blockbustern absetzen möchte. | |
| Hier fährt Becker vor, steigt aus mit Frau, mit Sohn, mit Schwester und | |
| Neffe und Nichte. Promis sind nicht da. Einzig der Name von Beckers Ehefrau | |
| deutet Grandezza an: Lilian de Carvalho Monteiro. | |
| Warum dieses Buch? „Ich bin es leid, von Leuten beurteilt, verurteilt zu | |
| werden“, sagt er. Und es sei eine Art Therapie, „ins eigene Gewissen | |
| gehen“. Doch ein bisschen relativierend erklärt er sein Urteil, das | |
| englische Insolvenzrecht sei schwierig, und weil er ja was zum Leben | |
| brauchte, habe er sich Geld aus seiner insolventen Firma geholt. „Das war | |
| mein Verbrechen.“ So sei er in den Knast gekommen. „Ohne meinen | |
| [3][Wimbledon-Sieg 1985] wäre ich nicht im Gefängnis gelandet.“ | |
| ## Weg von Wimbledon in den Knast | |
| Äußert Becker diesen Satz über seinen Prozess, klingt er wie eine | |
| Verschwörungstheorie. In anderem Zusammenhang erhält dieser Gedanke jedoch | |
| eine andere Bedeutung. „Wäre ich nicht grenzenlos, hätte ich nicht | |
| Wimbledon gewonnen“, meint er. Wer als 17-Jähriger siegesbewusst in ein | |
| Wimbledon-Finale gehe, akzeptiere doch keine Grenzen. Aber: „Diese | |
| Grenzenlosigkeit hat mich ins Gefängnis gebracht.“ | |
| Dort habe man nicht gewusst, wer er sei. „Das war meine Rettung.“ Als er | |
| später als Kloputzer arbeitete, sei im Fernsehen gerade Wimbledon gelaufen. | |
| In [4][Novak Đokovićs] Box saßen Lilian und sein Sohn Noah. Moment mal, | |
| hätten die Mitgefangenen gesagt, als sie Lilian sahen, „die Alte war doch | |
| letzte Woche hier im Gefängnis“. Da sei die Anerkennung gestiegen. | |
| Überhaupt Race. „Hautfarbe spielt in englischen Gefängnissen eine große | |
| Rolle. Die Schwarzen halten zusammen, die Nazis halten zusammen.“ Ein | |
| Mitgefangener, mit dem Becker sich anfreundete, hat karibische Wurzeln. Als | |
| er zusammen mit Becker im Besuchsraum des Gefängnisses war und Lilian sah, | |
| habe ihn das beeindruckt: „dass dieser extrem Weiße Deutsche | |
| Dschungelfieber hat“. So hat er sich wirklich ausgedrückt. Ein anderer | |
| Mithäftling aus Laos hatte lange in Hamburg gelebt und daher seine | |
| Beziehungsgeschichte gekannt. Er habe ihm erklärt: „Deswegen beschütze ich | |
| dich.“ | |
| Becker legt Wert darauf, aus eigener Kraft respektiert worden zu sein. „Wir | |
| hatten einen Schachklub“, erzählt er, und viele hätten mitbekommen, dass er | |
| ganz gut spielt. Eine Gruppe von Rumänen und Albanern habe ihn | |
| aufgefordert, zu ihnen zu kommen. „Wir können nicht gut lesen und | |
| schreiben“, sagten sie. Becker las ihnen Briefe vor und schrieb für sie. So | |
| wurde er beschützt. Sogar Lehrer wurde Boris Becker. Für wenige Wochen etwa | |
| unterrichtete er Mitgefangene in Mathematik und, tatsächlich, in Englisch. | |
| ## Gehäutet aus dem Gefängnis | |
| „Wir sind alle gleich.“ Der Knastalltag habe sie alle klein gemacht. „Es | |
| wird vergewaltigt in den Duschen“, hat er erlebt. Ein gefährlicher Moment | |
| sei immer, wenn man in der Kantine das Essen hole. Einmal sei er | |
| angegriffen worden, Mitgefangene seien dazwischen gegangen. | |
| Doch er beharrt darauf: Nicht seine Prominenz habe ihn geschützt. So ganz | |
| kann man das nicht glauben. An anderer Stelle berichtet er von einem | |
| Häftling, mit dem er sich anfreundete und der [5][Cristiano-Ronaldo]-Fan | |
| war. Becker erzählte ihm von persönlichen Begegnungen mit dem Fußballstar. | |
| Das beeindruckte den Mann. Aber, so macht sich Becker schnell wieder klein, | |
| man dürfe ja nicht mit solchen Geschichten prahlen. | |
| Ob er etwa als Gewinner, als Sieger aus dem Gefängnis gekommen sei, wird er | |
| gefragt. „Ich habe mich gehäutet“, lautet die Antwort. „Ich habe wieder … | |
| Mentalität des Tennisspielers.“ Dann fügt er hinzu: „Das Gefängnis tat m… | |
| gut, es hat mich gereinigt.“ | |
| Nach Deutschland kehrte er, „klassisch BB“ (Boris Becker), mit dem | |
| Privatflugzeug eines Freundes zurück. Ein Bier und eine Pizza waren seine | |
| erste Nahrung. „Ich habe gelernt, die kleinen Dinge zu schätzen.“ Die erste | |
| Nacht habe er in einem sehr kleinen Apartment verbracht, doch für ihn sei | |
| es eine wirklich große Wohnung gewesen. Es war ein Penthouse. | |
| 12 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Boris-Becker/!t5018072 | |
| [2] https://www.ullstein.de/werke/inside/hardcover/9783864933561 | |
| [3] /Augenblicke-mit-Boris/!584695/ | |
| [4] /Boris-Becker-coacht-Novak-Djokovic/!5052414 | |
| [5] /Cristiano-Ronaldo/!t5015813 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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| Uli Hoeneß | |
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