| # taz.de -- Problem Holzkohle: Grillgenuss ohne Waldverlust | |
| > Auf deutschen Grills landet Holzkohle aus aller Welt. Oft ist unklar, ob | |
| > dafür Wald legal gerodet wurde. Wie wird das Barbecue umweltfreundlich? | |
| Bild: Brennt da der Tropenwald? Der Holzkohlengrill wird angezündet | |
| Egal, wie das Sommerwetter sonst so ist – kaum zeigen sich drei | |
| Sonnenstrahlen, zieht kurz darauf der rauchige Duft von glühender Holzkohle | |
| durch die Gärten. Was viele nicht wissen: Der Großteil der [1][Grill]kohle, | |
| die in Deutschland verfeuert wird, hat einen langen Weg hinter sich – und | |
| stammt nicht immer aus vertrauenswürdigen Quellen. Welche Herkunftsländer | |
| sind kritisch und woran können Grillfans nachhaltige Holzkohle erkennen? | |
| Antworten hier: | |
| Woher stammt die Holzkohle auf deutschen Grills? | |
| Um zuverlässig Grills zum Glühen bringen zu können, importiert Deutschland | |
| jedes Jahr eine Menge Holzkohle. 2024 waren es über 107.000 Tonnen. Nur | |
| etwa ein Fünftel der Holzkohle, die hierzulande jedes Jahr verbraucht wird, | |
| wird auch in Deutschland produziert. Der Rest ist angekauft – aus fast 50 | |
| verschiedenen Ländern. | |
| Ginge es darum, eine möglichst vielfältige Lieferkette zu haben, wäre der | |
| deutsche Holzkohlemarkt ein Einser-Schüler. Geht es darum, Holzkohle aus | |
| nachhaltigen Quellen zu beziehen, ist er es nicht. Denn laut Statistischem | |
| Bundesamt kauft Deutschland unter anderem in Nigeria und Paraguay Holzkohle | |
| ein – zwei Herkunftsländern, die Experten kritisch betrachten. Allein aus | |
| Paraguay stammen knapp 10 Prozent der Importe. | |
| Warum sind Importe aus Nigeria und Paraguay kritisch? | |
| Volker Haag untersucht am Thünen-Institut für Holzforschung regelmäßig | |
| Grillkohle. Er sagt: „Nigeria ist ein Land, das seit Jahrzehnten die | |
| eigenen Wälder ausbeutet.“ In den letzten 35 Jahren seien dort über 60 | |
| Prozent der Urwälder verloren gegangen. Das verschärft den Klimawandel, | |
| nimmt Tieren ihren Lebensraum und Menschen die Möglichkeit, den Wald | |
| langfristig zu nutzen. | |
| Ähnlich in Paraguay. Das südamerikanische Land hat von 2000 bis 2020 ein | |
| Viertel seiner Waldfläche verloren, hauptsächlich, weil dort dauerhaft | |
| landwirtschaftliche Flächen entstanden sind. Das geht aus Satellitenbildern | |
| der Organisation Global Forest Watch hervor. | |
| Ob die Grillkohle im deutschen Handel aus Hochrisikoländern wie diesen | |
| beiden stammt, ist nicht immer ersichtlich. Denn die Hersteller und Händler | |
| müssen die Herkunft bisher nicht auf den Säcken angeben. Und selbst wenn | |
| sie es tun, ist unklar, wie sehr Grillfans den Angaben trauen können. So | |
| ist laut Haag Holzkohle aus Nigeria auch über Polen in Deutschland | |
| gelandet. | |
| Woran erkennt man nachhaltige Grillkohle? | |
| Hubert Röder ist Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Er | |
| forscht zu nachhaltiger Forstwirtschaft und rät, beim Kauf von Grillkohle | |
| auf international anerkannte Siegel wie FSC und PEFC zu achten. Produkte | |
| mit diesen Siegeln stammen nachweisbar aus nach bestimmten Kriterien | |
| nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Das Gleiche gilt für Holzkohle, die | |
| das Biosiegel Naturland trägt. Zertifizierte Grillkohle gibt es | |
| mittlerweile in fast jedem Supermarkt. | |
| Dass manche zertifizierten Holzkohlesäcke aus Ländern wie Namibia oder Kuba | |
| stammen, ist laut dem Holzwissenschaftler Haag kein Problem. Dort würden | |
| sich invasive Bäume und Sträucher verbreiten. Ihre Abholzung schütze die | |
| heimische Pflanzenwelt und sei daher nachhaltig. | |
| Und wie ist es mit Holzkohle aus Deutschland? Auch die ist laut Röder | |
| vertrauenswürdig. Hier werde Holzkohle nur mit Restholz hergestellt, also | |
| den Teilen des Baums, die im Sägewerk übrigbleiben oder direkt im Wald | |
| liegen gelassen werden. „Restholz gibt es genügend, es besteht kein Risiko | |
| für eine Übernutzung der Wälder“, sagt der Experte. | |
| Ließe sich der Bedarf mit heimischer Holzkohle decken? | |
| Wer Holzkohle aus Deutschland sucht, hat nicht viel Auswahl. Das | |
| Unternehmen ProFagus stellt als einziges in Deutschland industriell | |
| Holzkohle her, etwa 25.000 Tonnen pro Jahr. Hinzu kommen ein paar | |
| traditionelle Köhlereien, die jährlich maximal wenige hundert Tonnen | |
| Holzkohle in Handarbeit produzieren. Alles zusammen entspricht gerade mal | |
| etwa einem Fünftel dessen, was auf deutschen Grills landet. | |
| Um den Bedarf nur mit Grillkohle aus Deutschland zu decken, müsste die | |
| Produktion also ordentlich hochgefahren werden. Dafür bräuchte es neue | |
| Anlagen. Doch die sind teuer. „Es ist kein Mengenproblem, sondern ein | |
| Preisproblem“, erklärt Röder. Genügend Restholz für weitere industrielle | |
| Anlagen gebe es deutschlandweit. | |
| Ist Grillen mit Holzkohle überhaupt klimafreundlich? | |
| Beim Verbrennen von Holzkohle wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie der | |
| Baum vorher aufgenommen hat. Röder sagt: „Grundsätzlich ist das Verbrennen | |
| von Holz und Holzkohle klimaneutral.“ Problematisch seien vielmehr | |
| Gasgrills, durch die fossiles CO2 in die Luft gelange. Aber: Wie sehr die | |
| Transportwege der importierten Holzkohle auf ihre CO2-Bilanz schlagen, | |
| lässt sich nicht pauschal sagen. Klar ist: Je kürzer die Strecke, umso | |
| weniger Emissionen. Am klimafreundlichsten unterwegs ist daher, wer einen | |
| Elektrogrill mit Ökostrom nutzt. Das könnte nur auf öffentlichen | |
| Grillplätzen schwierig werden. | |
| 9 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Vanessa Michaeli | |
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