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# taz.de -- Porno-Fotografien: Italiens Frauen kämpfen gegen Sexismus im Netz
> Seit Jahren posten Männer in Italien in Internetforen Bilder ihrer Frauen
> ohne Einwilligung. Auch Politikerinnen sind betroffen.
Bild: Kaum Kontrolle am eigenen Bild früher wie heute: Tazio Secchiarol war ei…
Rom | taz | Mia moglie (Meine Frau) – einigermaßen harmlos klang der Name
der italienischen Facebook-Gruppe, die immerhin knapp 32.000 Teilnehmer
zählte. Doch die dort präsenten Männer tauschten sich keineswegs über
Eheerfahrungen und -probleme aus. Stattdessen posteten sie reihenweise
Fotos ihrer Frau, ihrer Freundin, ihrer Ex, mal in Unterwäsche, mal im
Bikini, immer wieder auch nackt.
Und gerne fügten sie Fragen hinzu: „Was sagt ihr dazu?“, oder auch: „Was
würdet ihr mit ihr machen?“ Die Antworten reichten von: „Wenn du sie nicht
bumst, komme ich vorbei“, bis zu: „Ich würde sie vergewaltigen.“
Facebook selbst störte sich daran nicht weiter. Schon seit 2019 war die
Gruppe aktiv, nicht etwa im Dark Web, nicht als geschlossene Gruppe,
sondern offen für alle. Dabei hatten diverse Frauen schon vor Monaten an
Facebook-Konzern Meta geschrieben. Die Antwort: Bei Mia moglie geschehe
nichts Strafbares, also werde Facebook nicht intervenieren. Und als eine
Krankenpflegerin aus der Toskana die Polizia Postale („Postpolizei“) über
die skandalöse Facebook-Gruppe informierte, gab es gleich gar keine
Antwort.
Die Polizia Postale, eine Abteilung der Staatspolizei, ist zuständig für
Internetkriminalität, verfolgt Pädophilenringe genauso wie Onlinebetrüger.
Doch dann nahm sich die Schriftstellerin Carolina Capria der Sache an und
postete die unappetitliche Geschichte des in Vergewaltigungsfantasien
schwelgenden Klubs von Frauenfeinden auf Instagram. Offenbar hatte Capria,
anders als die toskanische Krankenpflegerin (die die Schriftstellerin
angeschrieben hatte), die nötige Reichweite. Binnen Tagen war das Thema in
allen Medien, binnen Tagen wachte auch Facebook auf und schaltete vor zehn
Tagen die Gruppe „wegen Verletzung unserer Normen gegen die sexuelle
Ausbeutung“ ab.
## Tausende betroffene Frauen machen Druck
Mehr als tausend Anzeigen betroffener Frauen sind in den letzten Tagen bei
der Polizia Postale eingegangen, Anzeigen wie die jener Frau, die auf einem
Foto ihr Schlafzimmer erkannte, wo sie schlafend geknipst worden war. „Mein
Mann hat mich auf der Piazza des Internets zur Schau gestellt, in dieser
Gruppe von Spannern, die widerliche Kommentare absonderten, und er
antwortete darauf auch noch!“, empörte sie sich gegenüber dem Corriere
della Sera und fügte hinzu: „Diese Sache hat einen Namen, sie heißt
Gewalt.“ Nicht umsonst zogen diverse Kommentatorinnen des Skandals eine
Parallele zum Fall Gisèle Pelicots, jener Französin, die über Jahre hinweg
von ihrem Mann betäubt und dann von anderen Männern vergewaltigt wurde.
Kaum hatte sich in Italien die mediale Aufmerksamkeit um Mia moglie gelegt,
da kochte schon der nächste Fall hoch. Auf der Website phica.eu tummelten
sich Dutzende Foren, in denen Fotos von Politikerinnen, von
Schauspielerinnen, Sängerinnen oder auch Nachrichtensprecherinnen gepostet
wurden, versehen mit unzähligen obszönen und sexistischen Kommentaren. Auch
hier konnten Männer ihren Fantasien freien Lauf lassen, konnten sie sich
und ihren Netzkomplizen ausmalen, was sie denn sie mit der
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni oder mit der Oppositionsführerin Elly
Schlein machen würden. Phica.eu war schon seit dem Jahr 2005 in Betrieb und
hatte rund 700.000 Mitgliedern. Auch im Fall dieser Website geschah über
Jahre schier gar nichts.
Die Soziologin Silvia Semenzin hatte schon im Jahr 2019 auf die Seite
aufmerksam gemacht, und sie berichtet, auch sie habe seinerzeit von der
Polizia Postale die Auskunft erhalten, leider sei da nichts zu machen.
## Vorgehen gegen digitale sexuelle Gewalt
Jetzt dagegen schritten deren Betreiber eilends zur Abschaltung. Die
Ermittlungen werden sie damit nicht verhindern können und auch nicht die
Debatte darüber, wie Italien seine juristischen Instrumente gegen digitale
sexuelle Gewalt schärfen kann.
„Der digitale Sexismus ist die neue Frontlinie der patriarchalen Gewalt“,
kommentiert in der Tageszeitung La Repubblica die Soziologin Linda Laura
Sabbadini, hier handle es sich nicht zuletzt um „Produkte der männlichen
Frustration darüber, dass ihre Erwartungen, die Frauen zu dominieren,
negiert werden“. Da helfe nur eines: effizientere Gesetze, die Abschaltung
der „Websites der Schande“, die Verurteilung ihrer Betreiber.
31 Aug 2025
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Giorgia Meloni
Pornografie
Sexualisierte Gewalt
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