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# taz.de -- Gewalt im Supermarkt: Rewe. Dein Rassismus
> In einem Berliner Rewe soll ein Mitarbeiter eine Kundin geschlagen haben.
> Die Betroffene glaubt an ein rassistisches Motiv, die Polizei ermittelt.
Bild: Linh Nguyen kann kaum hören, so schwer soll der Mann zugeschlagen haben
Berlin taz | Linh Nguyen kauert auf einer Transportliege im Gang des
Vivantes Klinikums in Friedrichshain. Ihr linkes Ohr ist dunkel angelaufen
und angeschwollen. Gerade kommt sie von einer HNO-Untersuchung, gestern war
sie beim CT. Neben ihr steht ihre Schwester Minh Phuong. Sie ist aufgelöst,
will unbedingt, dass ein Foto von ihrer Schwester in der Zeitung erscheint.
Alle sollen sehen, wie sie zugerichtet worden sei, am Montag im Rewe in der
Bernhard-Bästlein-Straße in Lichtenberg.
„Sie kann sehr schlecht hören“, sagt Phuong. So hart habe der Mann
zugeschlagen. Phuong beugt sich runter und spricht ihr ins Ohr: „Hast du
Kraft für ein Interview?“ Habe sie nicht. Ihr sei so schwindelig, dass sie
sich schon mehrfach habe übergeben müssen. Jetzt brauche sie Ruhe.
Also erzählt ihre Schwester, wie ein Rewe-Mitarbeiter Nguyen geohrfeigt
habe, mit voller Kraft, mitten ins Gesicht – und zwar nur, weil sie einen
Einkaufskorb fallen gelassen habe. Phuong habe alles selbst mit angesehen.
Sie ist sich sicher, dass es sich bei der Tat um ein rassistisches Motiv
gehandelt habe.
## Im Tumult fiel ihr der Warenkorb runter
Die taz hat den Vorfall rekonstruiert und mit zwei Augenzeug:innen
gesprochen, die über die Betroffenen vermittelt wurden. Inzwischen hat auch
die Polizei Ermittlungen eingeleitet. Der taz gegenüber bestätigt eine
Polizeisprecherin, dass der bisherige Ermittlungsstand der Darstellung von
Linh Nguyen und Minh Phuong im Kern entspricht. Auch die Supermarktkette
Rewe-Ost hat der taz bestätigt, dass es in ihrer Filiale zu dem Vorfall
gekommen ist.
[1][Dabei wollte Linh Nguyen, die eigentlich anders heißt, einfach nur
einkaufen gehen.] Nguyen habe auch ihre Töchter mitgenommen, eine zehn, die
andere drei Jahre alt. Am Regal mit Instant-Nudeln hätten sich die beiden
Kinder für die bunten Packungen begeistert, ein paar aus dem Regal genommen
und falsch zurückgestellt, erzählt Phuong.
Ein Mann in Rewe-Uniform sei schimpfend und schreiend auf die Familie
zugekommen. Sie seien „Assis“, habe er gesagt, und: „Ihr macht die Waren
immer kaputt und rennt dann weg.“
Wie er zu so einer Behauptung komme?, habe Phuong erwidert. Falls die
Kinder etwas kaputt machen, würden sie und ihre Schwester das
selbstverständlich zahlen. Der Rewe-Mitarbeiter habe entgegnet, sie hätten
Hausverbot und sollten gehen. Nguyen sei die ganze Zeit still geblieben.
Sie habe eben noch nach einem Eierkarton oben auf dem Regal gegriffen,
erzählt Phuong: „Da hat er sie schon geschubst.“
## „Die haben das gar nicht ernst genommen“
Die Familie sei verängstigt, die Kinder hätten geweint, sagt Phuong. Sie
hätten schnell rausgewollt, wie es der Mann gefordert habe, doch mit
Kindern an der Hand gehe das nicht so schnell. Im Tumult sei Nguyen an der
Selbstbedienungskasse ihr Warenkorb heruntergefallen. Kaputtgegangen sei
nichts.
Dann kommt es zu dem Vorfall, wie ihn Betroffene und Augenzeug:innen
unabhängig voneinander der taz berichtet haben: Der Rewe-Mitarbeiter rennt
auf die Familie zu, holt mit seiner Hand weit aus und schlägt ihr mit der
flachen Hand ins Gesicht. Dann habe er sie an den Haaren gepackt und sie
auf den Boden geschleudert. [2][Benommen sei Nguyen dort liegen geblieben.]
„Benimm dich doch mal“, soll er gesagt haben. Und dann habe er gelacht,
sagt Phuong. Er habe gespottet, sie solle doch die Polizei rufen – was sie
dann tat.
Während Nguyen immer noch auf dem Boden gelegen haben soll, hätten sich
schockierte Kund:innen um sie herum versammelt. Fassungslos und
verängstigt hätten sie zunächst nicht reagiert, sagt ein Augenzeuge zur
taz. Daneben die zwei Töchter, außer sich, die nicht verstanden hätten, was
da eben ihrer Mutter zugestoßen sei. Und die anderen Rewe-Mitarbeiter:innen
an den Kassen? Die hätten weiter auf ihrem Posten gesessen, Waren übers
Band geschoben, sogar gelacht. Dafür sei eine Frau auf Phuong zugekommen,
die die Selbstbedienungskassen beaufsichtigt. Nach Aussage der Betroffenen
und Zeug:innen sagte sie: Die Familie solle „Platz machen für andere
Kunden“.
„Die haben das gar nicht ernst genommen“, sagt eine Augenzeugin zur taz.
Dass jemand an den Kassen den Vorfall nicht mitbekommen hat, sei
ausgeschlossen: „Der Schlag war superlaut. Das müssen die Kassier:innen
gehört haben.“
## Betroffene glaubt an rassistisches Motiv
Rewe-Mitarbeiter:innen, die am Dienstagabend an der Filiale in Lichtenberg
anzutreffen waren, lehnten gegenüber der taz eine Stellungnahme ab. Von
Rewe-Ost heißt es auf taz-Anfrage: „Die erhobenen Vorwürfe nehmen wir sehr
ernst.“ Der mutmaßliche Täter sei nicht mehr im Konzern tätig. Auf die
taz-Nachfrage, ob das eine Kündigung bedeute, wollte sich das Unternehmen
nicht äußern.
Rewe-Ost kooperiere mit der Polizei, sagt eine Sprecherin. Die habe die
Videoaufnahmen erhalten. Die Polizei Berlin bestätigt auf taz-Anfrage, dass
eine Videodatensicherung veranlasst worden sei. Der Fall ist aber noch
nicht abgeschlossen, das Motiv des mutmaßlichen Täters noch unklar.
[3][Phuong ist sich sicher, dass das Tatmotiv Rassismus war.] Das Register
Lichtenberg, das rassistische und rechtsextremistische Übergriffe
dokumentiert, zählt im letzten Halbjahr 97 rassistisch motivierte Vorfälle.
Im ersten Halbjahr 2024 waren es noch 81 gewesen. Betroffene melden
Vorfälle bei dem Register selbst. Die Dunkelziffer dürfte also weit höher
liegen. Vorfälle gegenüber Personen asiatischer Herkunft erfasst die
Zentrale nicht gesondert.
21 Aug 2025
## LINKS
[1] /Versteckte-Kosten-der-Ernaehrung/!6082222
[2] /KI-als-Hilfe-fuer-Gewaltbetroffene/!6095013
[3] /Nach-ueber-30-Jahren-Protest-Berlin-streicht-das-M-Wort/!6105310
## AUTOREN
Moritz Tübbecke
## TAGS
Rewe
Schwerpunkt Rassismus
Gewalt gegen Frauen
Kolumne Diskurspogo
häusliche Gewalt
Veganismus
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