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# taz.de -- Verschieden große Füße: So wird kein Schuh draus
> Die Füße unserer Autorin sind asymmetrisch, mehr als eine Schuhgröße
> liegt zwischen ihnen. Das nervt – und setzt auch mal kriminelle Energien
> frei.
Bild: Lackschuhe wären erst die zweite Wahl unserer Autorin
Seit zwei Monaten besitze ich ein Paar Sandalen. Sie sind schwarz, schlicht
und ich mag sie, weil sie mir ein Gefühl von Freiheit und Beweglichkeit
geben. Außerdem kann ich sie in Sekundenschnelle ausziehen. Allerdings
sieht die rechte Sandale inzwischen aus, als hätte sie schon mindestens
drei wilde Sommer erlebt. Bei jedem zehnten Schritt klappt die Vorderkante
nach unten, schleift über den Asphalt und kommt anschließend mit einem
lauten Klatscher wieder unter meinen Zehen an. Ich fühle mich wie ein Kind,
das seine Füße nicht richtig hebt. Habe ich etwa verlernt, in Sandalen zu
gehen?
Nein, erinnere ich mich: Mein rechter Fuß ist kleiner, deutlich kleiner.
Über eine ganze Schuhgröße trennt ihn von meinem linken. Und weil man
Schuhe üblicherweise nur als Paar bekommt, passt immer nur einer von beiden
wirklich gut. Der andere muss sich fügen – oder klatscht begeistert vor
sich hin. Bei geschlossenen Schuhen geht das Problem über ein nerviges
Geräusch oder eine abgenutzte Sohle hinaus. Denn wenn ich mich für die
Größe meines rechten Fußes entscheide, drückt es an den linken Zehen. Wähle
ich einen größeren Schuh, rutscht mein rechter Fuß so lange hin und her,
bis meine Ferse schmerzt.
Das Internet bietet mehrere Lösungen für mein Problem an. Einlegesohlen für
den kleineren Fuß habe ich schon vor Jahren ausprobiert, leider ist der
Unterschied meiner Füße dafür einfach zu groß. Manche Hersteller bieten
tatsächlich auch Schuhe in unterschiedlichen Größen an, nur liegen die
optisch irgendwo zwischen Gesundheitsschuh und Nachmittagskaffee bei Oma
Lise. Für [1][maßgefertigte Schuhe] müsste ich erst einen Spendentopf
eröffnen.
Neulich habe ich mich an einer etwas nervenaufreibenderen Lösung probiert.
Im Schuhgeschäft (das ich nur ungern und deshalb selten betrete) fragte ich
nach zwei Größen. Offiziell, wie ich freundlich betonte, um „einfach mal
auszuprobieren, welche besser passt“. Inoffiziell, um ein kriminelles
Tauschmanöver zu veranstalten. Als gerade niemand hinsah, legte ich zwei
unterschiedliche Größen in die beiden Kartons zurück und hoffte, dass ich
auf dem Weg zur Kasse nicht vergesse, in welchem Karton das für mich
passende Paar liegt. Und dass keine*r der Mitarbeiter*innen auf die
Idee kommt, vor dem Bezahlen einen letzten Kontrollblick auf die Etiketten
zu werfen.
Die Aktion klappte tatsächlich, und einige Minuten später stand ich mit
einem leisen Lächeln, aber vor allem einem wirklich schlechten Gewissen vor
dem Laden. Werden die Schuhe weggeschmissen, sollte ein*e
Mitarbeiter*in davon Wind bekommen? Falls ja, zeige ich mich reuevoll
und nehme in Zukunft wieder schmerzende Zehen in Kauf. Oder braucht eine
andere Person womöglich genau meine Kombination, nur umgekehrt? Größe 41
rechts und 39,5 links, anyone? Vielleicht bin ich ja gar nicht so allein
mit meinem Problem.
Eine Schuhtauschbörse könnte Abhilfe schaffen. Denn wer im Laden nicht
heimlich Größen tauscht, muss seine Schuhe zwangsläufig in doppelter
Ausführung kaufen – und hat danach ein spiegelverkehrtes Paar übrig.
Tatsächlich gibt es solch eine Plattform, [2][sie heißt schuhtausch.de],
sogar ein Forum zum Austausch unter Betroffenen entdecke ich auf der etwas
versteckten Internetseite. Genial, denke ich. Denn mal ehrlich, welche
Kleidungsstücke kommen für eine Tauschbörse besser infrage als Schuhe? Nur
noch unterschiedlich große Hände würden von einer solchen Lösung
profitieren. Bei verschieden langen Armen oder ungleichen Pobacken
gestaltet sich das schon schwieriger.
„Hallo du, genau dich suche ich!“, schreibt Kerstin aus Franken in dem
Forum. „Trägst du links 39 und rechts 41? Dann freue ich mich sehr auf
dich.“ Mit Absätzen könne Kerstin nichts anfangen, aber sportliche Schuhe
trage sie gerne. Oh Kerstin, wie gerne würde ich deine Schuhpartnerin sein.
Dumm nur, dass wir genau dieselbe Asymmetrie haben.
Für einen Moment verliere ich mich in der Vorstellung, wie Kerstins Körper
wohl sonst so aussieht. Ob sie so groß ist wie ich? Ob noch weitere ihrer
Körperteile asymmetrisch sind? Als ich nämlich neulich nach dem Duschen
nackt vor dem Spiegel stand, fiel mir auf, dass so ziemlich jedes meiner
Körperteile auf der rechten Seite anders aussieht als auf der linken. Meine
linke Brust ist allem Anschein nach schwerer als die rechte, sie hängt
deutlich weiter unten. Auch mein linker Oberarm und Oberschenkel sind
muskulöser als ihre Gegenstücke.
Im ersten Moment schämte ich mich für den Anblick. Symmetrie [3][gilt
schließlich seit jeher als Schönheitsideal], von dessen Vorstellungen ich
mich leider bis heute beeinflussen lasse. Später stellte ich dann fest:
Dass links bei mir alles ein bisschen größer und stärker ist, das passt
doch eigentlich ganz gut ins Bild.
29 Aug 2025
## LINKS
[1] /Ich-habe-das-im-Blut/!5363863/
[2] https://www.schuhtausch.de/
[3] /So-schoen-symmetrisch/!5637544
## AUTOREN
Katharina Federl
## TAGS
Füße
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