| # taz.de -- Inklusion für sehbehinderte Fußballfans: Echte Pionierarbeit | |
| > In Sachen digitaler Barrierefreiheit ist im Fußball noch viel Luft nach | |
| > oben. Der 1991 gegründete Fanclub „Sehhunde“ zeigt, wie es geht. | |
| Bild: Regina Hillmann (roter Anorak) war schon damals dabei: Hertha BSC gegen d… | |
| Der 15. Oktober 1999 war ein historischer Tag. Nicht so sehr, weil Bayer | |
| Leverkusen den SSV Ulm mit 4:1 schlug und Ulf Kirsten dabei zwei Tore | |
| schoss, sondern weil die Partie das erste Fußballspiel in Deutschland war, | |
| bei dem es im Stadion eine Blindenreportage gab. Umgesetzt wurde diese Idee | |
| gemeinsam mit dem Fanklub Sehhunde, einem 1991 gegründeten Zusammenschluss | |
| von blinden und sehbehinderten Fußballfans. | |
| Schon damals [1][mit dabei war Regina Hillmann] – eigentlich Fan des 1. FC | |
| Köln – als Mitbegründerin und langjährige Vorsitzende der Sehhunde. In der | |
| Anfangszeit war es ihnen vor allem um den Austausch untereinander gegangen, | |
| erzählt sie. „Aber das Thema Blindenreportage ist schnell eine wichtige | |
| Aufgabe des Vereins geworden und auch geblieben.“ | |
| „Echte Pionierarbeit war das“, sagt Manuel Beck. Er selbst war 1999 gerade | |
| einmal zwölf Jahre alt und lebte als Fan des FC Bayern in Oberfranken. | |
| Inzwischen wohnt er in Köln, versteht sich eher als Fußballfan denn als Fan | |
| eines bestimmten Vereins und ist seit März 2. Vorsitzender der Sehhunde. | |
| Auch beruflich befasst er sich mit Inklusion – unter anderem beim [2][DJK | |
| Sportverband Köln]. Ein Thema, das dabei in letzter Zeit zunehmend in den | |
| Fokus gerückt ist, ist digitale Barrierefreiheit. „Das ist aktuell ein | |
| Riesenthema“, sagt er. | |
| In der Tat hat sich viel verändert seit 1999. Damals nutzten weniger als 20 | |
| Prozent der Menschen in Deutschland das Internet. Heute sind es 95 Prozent. | |
| Auch im Fußball läuft heute vieles von der Vereinskommunikation bis hin zum | |
| Ticketverkauf fast ausschließlich online. Was für viele Menschen ungemein | |
| praktisch ist, kann für andere – vor allem Ältere und Menschen mit | |
| Behinderungen – eine weitere Barriere darstellen. Blinde und Sehbehinderte | |
| zum Beispiel nutzen, wenn sie im Internet surfen, meist einen sogenannten | |
| Screenreader, der den Inhalt einer Seite vorliest. | |
| ## Wie es geht | |
| Wie gut das funktioniert, hängt jedoch stark davon ab, wie eine Seite | |
| aufgebaut ist, wie Beck aus eigener Erfahrung weiß. „Wenn da zum Beispiel | |
| sechs Links sind, die alle ‚Anmeldung‘ heißen, dann muss ich mich erst | |
| einmal durchklicken, um den richtigen zu finden“, erzählt er. Auch Bilder | |
| ohne beschreibenden Alternativtext sind ein häufiges Problem. Die Grundlage | |
| für alles ist jedoch, dass eine Website übersichtlich aufgebaut und einfach | |
| zu navigieren ist. | |
| Das sagt auch Carlo Kosok, stellvertretender Projektleiter und Experte für | |
| digitale Barrierefreiheit bei [3][KickIn!], einer Beratungsstelle für | |
| Inklusion im Fußball. „Inklusion ist ein Prozess und das Ziel ist Vielfalt | |
| und Teilhabe“, sagt er. Man könnte auch sagen, es ist kein Sprint, sondern | |
| ein Marathon. Overlay-Tools für bessere Lesbarkeit zum Beispiel, wie viele | |
| Vereine sie jetzt verwenden, versprechen einfache Lösungen, sie rühren | |
| jedoch nicht an den Kern des Problems, weil sie zum Beispiel keine | |
| Kompatibilität für Screenreader oder Navigierbarkeit per Tastatur | |
| garantieren. | |
| Programmierung ist jedoch nicht alles. „70 Prozent der Barrierefreiheit | |
| finden in der Redaktion statt“, schätzt Kosok. Besonders hilfreich zum | |
| Beispiel sind Inhalte in Leichter Sprache. Je nach Schätzungen profitieren | |
| zwischen 10 und 14 Millionen Menschen in Deutschland von Angeboten in | |
| dieser vereinfachten Form des Deutschen. Nicht nur Menschen mit | |
| Lernschwierigkeiten oder kognitiven Einschränkungen können Leichte Sprache | |
| besser verstehen, sondern zum Beispiel auch Menschen mit eingeschränkten | |
| Deutschkenntnissen oder nachlassender Konzentrationsfähigkeit. | |
| ## Betroffene werden zu selten eingebunden | |
| „Man muss zwischen rechtlicher und tatsächlicher Teilhabe unterscheiden“, | |
| sagt auch Beck. Es nütze wenig, wenn zwar Standards erfüllt werden, aber in | |
| der Praxis die usability für Betroffene trotzdem nicht gegeben ist. Zu | |
| häufig, so Beck, werden diese in den Prozess nicht einmal eingebunden, | |
| sondern bekommen nur das fertige Ergebnis vorgesetzt. Dabei gäbe es häufig | |
| Fans und Vereinsmitglieder, die bereitwillig ihr Wissen teilen würden. Ein | |
| Best-Practice-Beispiel hierfür sei der VfL Wolfsburg. Vor allem aber müsse | |
| man am Ball bleiben. „Es bringt wenig, wenn ich etwas ändere und drei | |
| Updates später habe ich es vergessen und es funktioniert nicht mehr.“ | |
| Was es offenbar braucht, ist ein generelles Umdenken. „Barrierefreiheit | |
| muss die Basis für alles sein“, sagt Kosok. „Eine logisch aufgebaute | |
| Internetseite mit klarer Bedienbarkeit und guter Auffindbarkeit hilft am | |
| Ende allen“, sagt Beck. | |
| Am besten auf den Punkt jedoch bringt es am Ende wahrscheinlich wieder | |
| einmal die Pionierin Regina Hillmann: „Viele verfahren nach dem Motto | |
| ‚Hauptsache wir machen irgendwas‘. Wir müssen aber dahin kommen, dass wir | |
| sagen: Ich mache das sinnvoll und gut und vor allem mache ich das auch | |
| gerne.“ | |
| 11 Aug 2025 | |
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| [2] https://www.djkdvkoeln.de/ | |
| [3] https://inklusion-fussball.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Tölva | |
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