# taz.de -- Die Wahrheit: Blutige Hölle mit Röstaromen | |
> Nicht alle können in der Freiluftsaison die Geselligkeit beim Grillen | |
> genießen. Erschütternde deutsche Schicksale an Feuer und Flamme. | |
Petra (49) schaut sehnsüchtig aus dem Fenster auf den Grill nebenan. Doch | |
ihre Fenster sind verschlossen und hermetisch abgedichtet, denn Petra | |
leidet an einer schweren Grillallergie. „Komme ich in Kontakt mit | |
Rauchpartikeln, kriege ich Ausschlag“, erzählt sie mit trauriger Stimme. | |
Draußen werden gerade Nackensteaks, Käsetaler und Auberginen auf den Rost | |
geworfen. Eine Träne rinnt über Petras Wange und Speichel aus ihrem | |
Mundwinkel. „Aber zwei Minuten in der Nähe eines Grills und ich bin rot wie | |
eine Krakauer!“ | |
„Die Röstaromen verändern die Kohlenstoffketten des Grillguts. So können | |
sie zum starken Allergen werden“, weiß Dr. Helfried Jumer, Chefarzt der | |
Fachklinik für Gastronomistik in Bad Essen. „Studien haben ergeben, dass es | |
zur Desensibilisierung etwa drei Sommer in Kleingartensiedlungen und 600 | |
Rostbratwürste braucht. Allerdings sind währenddessen mehrere Probanden an | |
Gefäßverfettung verstorben.“ | |
Medikamentöse Behandlungen sind nicht ausgereift, weiß Petra: „Manchmal, | |
wenn ich vorher starke Antiallergika nehme, kann ich kurz rausgehen und | |
einen Teelöffel Nudelsalat mitessen.“ Doch dann jucken die Bratwürste schon | |
wieder auf der Haut. „Mit Bier ablöschen hilft. Aber nur zwei Minuten.“ | |
Heiner (56) ist ein Mann, wie man ihn am Rost erwarten würde: | |
Holzfällerhemd, Wohlstandsbauch und Garten-Clogs – ein ganzer Kerl. „Und | |
ja, ich hab gegrillt, gerne sogar“, erzählt er. „Das Problem war: Ich | |
konnte irgendwann nicht mehr aufhören.“ | |
Heiner leidet seit vielen Jahren an Grillsucht. „Irgendwann habe ich nur | |
noch gegrillt. Ich hab mir mein Mittagessen gegrillt, das Abendessen, das | |
Frühstück. Ich hab auf Müsli umgestellt, dann habe ich das Müsli gegrillt! | |
Ich war süchtig nach Verbranntem. Zeitweise hab ich sieben Mal am Tag | |
gegrillt. Auch im Winter. Selbst auf der Arbeit hab ich heimlich in der | |
Tiefgarage meine Stulle gegrillt.“ | |
Heiner nahm in dieser Zeit 90 Kilo zu, seine Ehe ging kaputt. „Meine Frau | |
hat alles Grillgut in einem Panzerschrank verschlossen. Meine Sucht war | |
stärker: Wurde ich nachts wach, habe ich den Grill angemacht und einen | |
Waschbären aufgelegt. Es war mir egal, was ich grillte. Ich hab | |
Grillanzünder in Flachmänner gefüllt und im Büro heimlich geschnüffelt. | |
Meine Frau hat mich für einen Veganer verlassen, weil sie auch mal Rohkost | |
essen wollte.“ | |
Hermine Adam kennt diese Geschichten. Sie ist Psychologin am | |
Uwe-Ochsenknecht-Institut für Maskulinismusforschung Rüsselsheim. „Unsere | |
Studien haben ergeben: Die von Grillsucht Betroffenen sind zu 102 Prozent | |
Männer.“ Zu 102? „Viele Grillsüchtige sind Maskulinisten, die zählen wir | |
mit 120 Prozent.“ | |
Die Polizei war Dauergast in Heiners Garten. „Anfangs halfen sie noch mit, | |
alles aufzuessen“, erinnert sich Heiner. „Aber irgendwann erkannten sie, | |
dass ich ein ernsthaftes Problem habe. Spätestens als sie merkten, dass sie | |
gerade Waschbär aßen.“ | |
Heiner kam in eine Entzugsklinik. „Sechs Wochen ausschließlich Salate, | |
Speiseeis und Sushi – ein kalter Entzug.“ Heute ernährt sich Heiner normal. | |
Nur um Grills muss er einen großen Bogen machen. Die Sommermonate verbringt | |
er deshalb auf Spitzbergen, in Grönland oder Waldbrand-Risikogebieten. | |
„Weil da offenes Feuer und Grillen strikt untersagt ist.“ Bei einem dieser | |
Urlaube lernte er Petra kennen. Sie wurden ein Paar und wollen nach | |
Bielefeld ziehen: „Weil’s da 365 Tage im Jahr regnet.“ | |
## Ein Würstchen – und die Sucht wäre zurück | |
Heiner weiß: Nur ein einziges kleines Nürnberger Würstchen – und die Sucht | |
wäre zurück. Seit drei Jahren ist er trockener Grillsüchtiger. „Nur sagen | |
wir nicht ‚trocken‘ “, erklärt Heiner, „sondern: ‚Mein Rost bleibt b… | |
“ | |
Konstanze (29) wohnt in einem Plattenbau im 24. Stock. Das ist ihr Ausweg, | |
grillenden Nachbarn zu entkommen, denn sie leidet seit ihrem 17. Lebensjahr | |
an Barbecubophobie, zu gut deutsch Grillangst. Auslöser war wohl der | |
Versuch ihres Bruders, einen Grill anzuzünden mithilfe von drei Litern | |
Feuerzeugbenzin. Er verlor einen Arm, das Augenlicht und Konstanze | |
jegliches Vertrauen in selbst ernannte Grillmeister. Seitdem bekommt sie in | |
Sichtweite von Grills Panikattacken. Öffentliche Volksparks im Sommer sind | |
für sie Angsträume. Die Feuerwehr hat sie auf Kurzwahl. | |
„Mein Bruder machte trotzdem weiter“, erzählt Konstanze konsterniert. | |
„Letztes Jahr wurde er bei den Paralympics der deutschen Grillolympiade in | |
Rostock Silbermedaillengewinner in der Klasse der einarmigen | |
Sehbehinderten.“ Das sei die größte Gruppe von Grillversehrten. Konstanze | |
hingegen macht seit zwei Jahren eine Verhaltenstherapie. Stolz berichtet | |
sie: „Inzwischen kann ich wieder im Stövchen ein Teelicht anzünden.“ | |
Jonas treffen wir an der Tür des Grill Deluxe an der Friedrichstraße, wo er | |
sich gerade festgeklebt hat. Er ist Klimaaktivist, seine Grillabstinenz | |
selbst gewählt. „Grillen ist Gift fürs Klima!“, skandiert der 17-Jährige. | |
Grillskam heißt der aus Schweden importierte Begriff. „Grillen verursacht | |
mehr Treibhausgase als alle innerdeutschen Flüge zusammen und da ist der | |
Methanausstoß der gegrillten Rinder noch nicht mal eingerechnet!“ | |
## Grillen spart Kohlendioxid | |
„Bullshit“, widerspricht Jo Hunter, CEO des Grill Deluxe, der gerade | |
versucht, den Aktivisten mithilfe von Pflanzenöl und gezielten | |
Faustschlägen von der Tür zu lösen. Hunter ist zudem Sprecher der deutschen | |
Sektion der George-Foreman-Stiftung für Grillkultur. Sie setzt sich seit | |
Jahren für die Anerkennung des Grillens als immaterielles Welterbe ein. | |
„Holzkohle ist CO2-neutral und wer grillt, fliegt in der Zeit nicht und | |
fährt kein Auto“, erläutert er. „Und jedes Rind, das auf dem Grill landet, | |
kann kein Methan mehr auspupsen. Grillen spart also CO2!“ | |
Inzwischen ist auch die Politik auf das Grillproblem aufmerksam geworden. | |
Linus Hoppe, Berliner Umweltpolitiker, verweist auf jährlich rund 800 | |
Grilltote und Schwerverletzte sowie weitere Umweltschäden: Sandkästen in | |
öffentlichen Parks enthielten inzwischen zu 30 Prozent Grillasche, deutlich | |
mehr als Hundekot. Er fordert, mit privatem Silvesterfeuerwerk auch | |
privates Grillen zu verbieten. | |
„Eine kommunale Grillparty pro Sommer mit geschultem Personal reicht doch! | |
Und als Sofortmaßnahme brauchen wir selbstverständlich eine Promillegrenze | |
für Grillende.“ Hoppes Vorschläge fanden bislang allerdings wenig Gehör. | |
Das Thema Grillen ist vielen dann doch zu heiß. | |
9 Aug 2025 | |
## AUTOREN | |
Volker Surmann | |
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