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# taz.de -- Neues Album von Tyler, the Creator: Tanzen statt Filmen
> Tyler, the Creator bricht meist mit dem Gewohnten. Auf seinem neuen Album
> „Don’t Tap the Glass“ fordert er zum Tanzen auf.
Bild: Tyler, the Creator
Konzerte und Zoos haben im 21. Jahrhundert mehr gemeinsam als man denkt. Ob
ein Gorilla träge im Gehege sitzt, eine Schlange im Terrarium eine Maus
verschlingt oder ein Star sich auf der Bühne abrackert, ist erst mal egal.
Hauptsache, man kann mit dem Smartphone draufhalten, um alles zu
dokumentieren.
Was den einen das blöde An-die-Scheibe-klopfen im Zoo, ist den anderen das
aufdringliche Ins-Gesicht-Filmen. Bleibt die Frage: Was dagegen tun? Und
würde sich, Stichwort Maus-verschlingen, [1][2025 noch jemand trauen, einer
Fledermaus bei einem Konzert den Kopf abzubeißen] wie Ozzy Osbourne (Gott
habe ihn selig).
Wahrscheinlich nicht. Erstens, weil es makaber ist und zweitens, weil es
noch vor Konzertende viral gehen würde und dann niemand mehr über die
Musik spricht. [2][Der kalifornische Künstler Tyler, the Creato]r, Skater,
Stilikone, Rowdie und vieles mehr, hat schon mal eine riesige Schabe
verschlungen. Das ist bestens dokumentiert im Musikvideo zu seinem Song
„Yonkers“ – und mittlerweile 14 Jahre her.
Damals war er Anfang 20 und ihm und [3][seinen Freunden vom
HipHop-Kollektiv Odd Future] ging es vor allem um den größtmöglichen
Schock. Auch vor der Kamera. Seitdem hat sich vieles verändert am
Auftreten, der Musik und den Interessen von Tyler, the Creator. Seine bis
ins tiefste Innere reichenden Selbstreflexionen sind untermalt mit
komplexen Soundgebilden voller Soul- und Funk-Verweise.
Er ist einer [4][der wenigen jüngeren Rapper], die das Medium Album noch
ernst nehmen. Eigentlich. Doch dann ist gerade ohne Ankündigung „Don’t Tap
the Glass“ erschienen, sein achtes Werk. Es ist ein erneuter Bruch mit dem
von ihm Gewohnten und das hat auch mit Enttäuschung zu tun.
Er habe, schreibt Tyler in einem mit dem Album veröffentlichten Post im
Netz, seine Freunde gefragt, warum sie nicht mehr in der Öffentlichkeit
tanzen. Die Antwort: Sie haben Angst davor, gefilmt und so vielleicht zum
Meme zu werden. „Don’t Tap the Glass“ ist ein Aufbegehren gegen diese Art
von Selbstzensur.
## Beipackzettel zur Musik
Damit das auch wirklich aufgeht, beginnt der Auftaktsong „Big Poe“ mit
einer blechernen Stimme, die drei Regeln aufstellt: 1. „Body movement, no
sitting still“, 2. „Only speak in glory, leave your baggage at home“ und …
„Don’t tap the glass“. Man kann das als Beipackzettel zur Musik verstehen,
die wie ein angstlösendes Medikament funktioniert.
„Burn this shit down“ spuckt Tyler einem kurz darauf mit aufgekratzter
Stimme entgegen, während im Hintergrund ein Beat läuft, der bei jeder
Blockparty funktionieren könnte. Wir haben es hier mit einem ekstatischen
Dance-Album zu tun, das einerseits Wut kanalisiert und andererseits
Schamgrenzen verschiebt. Musik, die wirkt wie ein Mischkonsum aus MDMA und
Xanax.
Tyler, the Creator, der die meisten Songs komponiert und auch selbst
produziert hat, bedient sich hier inhaltlich und soundästhetisch an Genres
wie Funk und an Party-Rap-Evergreens wie „Jump“ von Kriss Kross und wirft
all das in einen Häcksler.
Heraus kommt Musik, die unbedingt Bewegung provoziert, aus der aber immer
eine Rest-Verschrobenheit mitschwingt. Schön ist, dass das Album alle
Phasen einer gelungenen Party abdeckt, inklusive des latent depressiven
„Don’t you worry Baby“, dem perfekten Rausschmeißer.
Und was erzählt Tyler auf der Reimebene? Sagen wir mal so: Er lässt die
Musik für sich sprechen, rumpelt und pöbelt ansonsten vor allem vor sich
hin. Er ist mit seinem Album dadurch Party-Rap-Legenden wie Sugar Hill Gang
und 2 Live Crew näher als den großen Storytellern. „Don’t Tap the Glass“
ist die perfekte Pose in Tylers Œuvre, ein wirkungsvoller Zwischenruf. Das
beste inhaltliche Statement ist hier die Gesamtproduktion. Wer dazu nicht
tanzt, sondern nur filmt, wird diese Musik nie zu fassen bekommen.
29 Jul 2025
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## AUTOREN
Johann Voigt
## TAGS
Neues Album
Rap
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Dancefloor
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Unverständliches.
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