# taz.de -- Museumsdirektorin über Auswanderer: „Amerika lockte mit boomende… | |
> Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven versetzt Besucher in die | |
> Situation der Auswanderer vor 200 Jahren. Nun feiert es seinen 20. | |
> Geburtstag. | |
Bild: Millionen Menschen zog es nach Amerika: Nachbildung einer Gangway im Deut… | |
taz: Frau Blaschka, das Deutsche Auswandererhaus wird 20 Jahre alt. Wie kam | |
Bremerhaven 2005 zu diesem Museum? | |
Simone Blaschka: Schon seit Mitte der 1980er-Jahre forderten hier sehr | |
engagierte Menschen ein solches Museum. Denn Bremerhaven war nach Liverpool | |
der zweitgrößte Auswanderungshafen Europas. Von hier emigrierten 7,2 | |
Millionen Menschen. | |
taz: Mehr als aus Hamburg? | |
Blaschka: Ja. Diese Gruppe baute damals erst mal ganz klassisch eine | |
Bibliothek auf. Und dann beschloss auch die Politik, dass die Stadt auf | |
authentischen Tourismus setzt, der mit der eigenen Geschichte zu tun hat. | |
So wurde 2005 das [1][Deutsche Auswandererhaus] eröffnet. | |
taz: Welche Bauten erinnern an damals? | |
Blaschka: In der Innenstadt sind Teile des historischen Auswandererhauses | |
aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in das Gebäude der heutigen Hochschule | |
verbaut worden. Damals kamen ja die Menschen aus deutschen und auch | |
osteuropäischen Staaten her und mussten irgendwo bleiben, bis ihr Schiff | |
fuhr. Da baute man eine Art Hotel, das alte Auswandererhaus, nach dem wir | |
heißen. | |
taz: Wann begann die Auswanderung in großer Zahl? | |
Blaschka: So ab 1816. Es gab im 19. Jahrhundert einen Landmangel. Die | |
bäuerlichen Familien konnten beispielsweise absehen, dass ihre Kinder davon | |
nicht mehr würden leben können. | |
taz: Also wirtschaftliche Not? | |
Blaschka: Ja, aber man brauchte für die Reise ein gewisses Kapital. Dafür | |
verkauften viele ihr kleines Stückchen Land. Die ganz Armen, die Tagelöhner | |
und Mägde, konnten anfangs gar nicht auswandern. Und so ab 1870, als es | |
günstiger wurde, änderte sich das. Mit der Dampfschifffahrt ging die | |
Überfahrt viel schneller: zwölf Tage statt sechs Wochen mit dem | |
Segelschiff. Und es passten mehr Passagiere auf ein Schiff. Da wanderten | |
auch Menschen aus dem östlichen Europa und aus den Städten aus. Denn | |
Amerika lockte mit den boomenden Städten und Arbeitsmöglichkeiten. | |
taz: Gab es auch Rückkehrer? | |
Blaschka: Ja. Als es noch sehr teuer war nicht so viele. Aber vor allem im | |
20. Jahrhundert gab es Rückkehrer. Das war oft kein Scheitern, sondern eine | |
Entscheidung, etwa aus Heimweh. | |
taz: Was erlebt der Besucher [2][im Museum]? | |
Blaschka: Eine Zeitreise. Er erhält mit dem Ticket die Biografie eines | |
Ausgewanderten und begleitet ihn. Man erfährt, warum diese Menschen gingen. | |
Dann steigt man auf das Schiff. Wir haben hier sehr viele Nachbauten. Man | |
geht eine Gangway hoch, steht dann wirklich im Zwischendeck und kommt in | |
Ellis Island an, der Einwanderungsstation von New York. Dann sieht man | |
beispielsweise einen „Deli“ aus den 50ern. Das ist ein kleiner | |
Lebensmittelladen, wie ihn viele deutsche Familien in New York betrieben. | |
Was toll ist: In diesem Laden erreichen wir junge Menschen mit | |
Einwanderungsgeschichte, deren Familie hier auch einen kleinen Laden hatte. | |
Die sehen, aha, was Europäerinnen und Europäer bei der Auswanderung früher | |
erlebten, hat auch mit uns zu tun. | |
taz: Das Museum fördert Verständnis? | |
Blaschka: Genau. Wir haben [3][zum Thema Migration] den Saal der Debatten, | |
der die Fragen behandelt, die leider immer wieder auftauchen. Was darf es | |
kosten? Wer darf Deutscher oder Deutsche werden? Wem gewähren wir Schutz? | |
Und auch die Frage nach Gerechtigkeit, gleichen Löhnen und Wohnbedingungen. | |
Und dann haben wir Räume mit Objekten, die Familien aufbewahrten. Etwa ein | |
Taufgeschenk einer Hugenotten-Familie, die aus Frankreich floh. | |
taz: Kann man bei Ihnen über die eigenen Vorfahren forschen? | |
Blaschka: Ja, man kann bei uns kostenlos Ancestry nutzen, die weltweit | |
größte genealogische Datenbank. Das ist im Eintritt enthalten. Und es gibt | |
bei uns auch noch eine deutsche Datenbank mit alten Passagierlisten. | |
taz: Was passiert am Geburtstag? | |
Blaschka: Am 8. August feiern wir abends eine Party mit Livemusik und | |
tagsüber gibt es ein Programm. Und jeder 500. Gast gewinnt eine Reise nach | |
Antwerpen. Das ist auch eine Hafenstadt mit Auswanderungsgeschichte und sie | |
ist auch wunderschön. | |
6 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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