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# taz.de -- Eingriff in die Pressefreiheit in Israel: Der verschwundene Laptop
> Der taz-Korrespondentin wird am Flughafen in Tel Aviv der Laptop
> abgenommen. 9 Tage später bekommt sie ihn wieder, schwer lädiert. Die taz
> legt Beschwerde ein.
Bild: Verdächtiges Gepäck? Szene am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv Ende Juni
Berlin taz | Am 7. Juli brach [1][unsere aktuelle Israel-Korrespondentin
Serena Bilanceri] von Jerusalem nach Wien auf. Sie sollte in der
österreichischen Hauptstadt [2][mit dem „Piazza Grande Religion Journalism
Award“ für besonders gelungene Texte ausgezeichnet werden], die sich mit
dem Thema Religion und Glaube in Europa und dem Nahen Osten befassen.
Prämiert wurde ihre [3][taz-Reportage „Nachbarschaftshilfe“] aus dem
Westjordanland von Ende 2023.
Geplant war eine zweitägige Kurzreise, auch gedacht als ein Durchatmen für
eine Korrespondentin, die im Nahen Osten schreibt und lebt. Allerdings lief
die Reise nicht wie geplant. Denn am Flughafen Ben-Gurion entwickelten die
Sicherheitsleute ein besonderes, intensives Interesse für Serena Bilanceri
und ganz besonders für ihren Laptop.
Der Fall ist nicht nur persönlich bitter für unsere Reporterin, die seit
bald zwei Wochen nichts anderes mehr macht, als herauszufinden, was falsch
gelaufen ist. Er sagt auch einiges über den Zustand der Pressefreiheit aus,
die in Israel offenkundig von wenig Belang ist, wenn man als
Sicherheitsrisiko gilt.
Die Schwierigkeiten begannen schon früh. Beim Check-in der Fluggesellschaft
El Al konnte Serena Bilanceri ihren Reiserucksack nicht aufgeben, sondern
wurde in den Bereich für überdimensioniertes Gepäck geschickt – ein
Prozedere durchaus üblich für Personen, die auf einer Liste der
Sicherheitsbehörden als potenziell verdächtig markiert sind. Eine
Mitarbeiterin nahm den Laptop heraus und machte einen oberflächlichen
Wischtest, offenbar ein Sprengstofftest.
Zunächst, so beschreibt es Serena Bilanceri, schien alles in Ordnung – bis
ein zweiter Sicherheitsmann herantrat, den Laptop an sich nahm und
verschwand. Auf die Nachfrage unserer Kollegin, was gerade passiere,
antwortete die erste Security-Frau, man habe etwas auf ihrem Laptop
gefunden, und sie müssten zusätzliche Kontrollen durchführen. Dabei sein
durfte Serena Bilanceri nicht. Auch nach einer weiteren Stunde waren weder
der Security-Mann noch der Laptop zurück. Serena musste schließlich ohne
ihren Laptop und ohne ihren Rucksack nach Wien fliegen.
## Ein Laptop enthält alles, was in Demokratien durch das Pressegeheimnis
geschützt ist
Für Journalistinnen und Journalisten ist der Laptop mehr als ein
Arbeitsgerät. Er enthält vertrauliche Informationen, Hinweise auf Quellen,
Mails, Namen, Kontakte, ja selbst Zugänge in das Redaktionssystem einer
Redaktion wie der taz – kurz alles, was in Demokratien durch das
Pressegeheimnis geschützt ist. Wohl genau deshalb passiert es immer wieder,
dass Journalistinnen und Journalisten bei Reisen nach und von Israel eine
besondere Aufmerksamkeit erfahren, die vor allem auf Laptops und andere
Mobilgeräte gerichtet ist.
Mir selbst folgten israelische Sicherheitsleute vor ein paar Jahren bis in
den Zeitungskiosk im öffentlichen Teil des Flughafens, um mich über die
Gesprächspartner eines Kollegen auszufragen, den ich gerade zum Abflug
gebracht hatte – und dessen Laptop zeitgleich einem Sprengstofftest
unterzogen wurde. In der Abwägung zwischen Pressefreiheit und Sicherheit
verliert die Pressefreiheit in Israel regelmäßig. Bis heute gibt es eine
Zensurbehörde, die beispielsweise rund um die jüngsten Angriffe Israels auf
den Iran verfügte, welche Details Medien veröffentlichen durften und welche
nicht.
Im Fall unserer Kollegin passierte tagelang nichts, obwohl Serena Bilanceri
fast täglich bei El Al nachfragte. Die taz hat offiziell Beschwerde beim
Israelischen Außenministerium und der Botschaft in Berlin eingelegt und
zudem die Bundesregierung um Unterstützung gebeten. Die zwischenzeitliche
Auskunft, der Laptop könne beim El-Al-Büro am Flughafen in Wien abgeholt
werden, erwies sich als Falschmeldung; der Wiener taz-Korrespondent konnte
nichts ausrichten.
## Ein Zugriff auf die Daten bleibt unmöglich
Nach 9 Tagen, nach Erkundigungen der deutschen Botschaft in Tel Aviv,
täglichen Nachfragen der taz und mit Unterstützung aus der Israelischen
Botschaft in Berlin wurde der Laptop schließlich am Mittwochabend an
Bilanceris Wohnadresse in Israel geliefert – schwer beschädigt. Der
Computer wurde offenkundig physisch bearbeitet, er ist so massiv lädiert,
dass unsere Kollegin nicht mehr an ihre Daten herankommt. Was in diesen 9
Tagen mit dem Laptop alles geschehen ist, wissen wir (noch) nicht, ebenso
nicht, was mit den Daten passierte.
Nach erneuten Protesten teilte Noam Shlosberg, El Al’s Sicherheitschef am
Flughafen Ben-Gurion mit, die Sicherheitskontrolle könne bei Alarm dazu
führen, dass Geräte nicht an Bord einer Maschine verladen würden. Während
der Inspektion würden Laptops nicht geöffnet und es gebe „absolut kein
Eindringen in die Privatsphäre der Passagiere“. Die Daten würden „niemals
kopiert oder darauf zugegriffen“. El Al entschuldige sich für die
Beschädigungen. Die Zusicherung, nicht auf die Daten zugegriffen zu haben,
erstreckt sich offenbar nur auf El Al, nicht auf die israelischen
Sicherheitsbehörden, die eng mit der Airline zusammenarbeiten.
## Eine unerträgliche Vorstellung
Uns fällt es angesichts der Spuren schwer zu glauben, dass niemand versucht
hat, in den Rechner einzudringen. Die taz hat die Organisation [4][Reporter
ohne Grenzen] gebeten, das Gerät forensisch zu untersuchen. Wir haben wenig
Hoffnung, dass sich aufklären wird, wer genau was mit Serena Bilanceris
Arbeitsgerät angestellt hat. Aber für uns ist die Vorstellung unerträglich,
dass jemand unser Redaktionsgeheimnis gebrochen hat.
Die taz wurde einst als Gegenstimme zu den Mächtigen gegründet. Gerade in
Benjamin Netanjahus Israel braucht es diese Gegenstimmen. Unsere Kollegin
will und wird weiterhin kritisch aus Israel berichten, allen
Einschüchterungsversuchen zum Trotz.
18 Jul 2025
## LINKS
[1] /Serena-Bilanceri/!a92540/
[2] /taz--lage/!6095982/
[3] /Krieg-im-Nahen-Osten/!5981731
[4] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/
## AUTOREN
Barbara Junge
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Israel
Reporter ohne Grenzen
Laptop
GNS
Kritische Infrastruktur
Schwerpunkt Pressefreiheit
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