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# taz.de -- Fahrradprüfung für Grundschulkinder: Wer fällt beim Verkehrs-See…
> Jedes fünfte Schulkind fällt durch die Fahrradprüfung. Unsere Kolumnistin
> war dabei und fragt sich, wer dafür eigentlich verantwortlich ist.
Bild: KInder müssen im Straßenverkehr besonders gut aufpassen
Der Radfahrschein ist so eine Art Verkehrs-Seepferdchen: Um zu bestehen,
muss man Verkehrsregeln kennen und ohne Schwanken auch Handzeichen und
Schulterblick machen können. Unlängst waren die vierten Klassen in der
Schule meines Sohnes dran. Für die Absicherung des Praxistests wurden
Freiwillige gesucht. Ich meldete mich – schließlich habe ich als ehemalige
ADFC-Sternfahrt-Ordnerin so eine Art Diplom im „Wir machen den Weg frei“
Business.
Von der Schule bekam ich eine Warnweste und stand in leuchtendem Orange
zwei Stunden an einer Hauptverkehrskreuzung 300 Meter vom Schultor
entfernt. An der Kreuzung ist vor ein paar Jahren mal ein Fußgänger von
einem abbiegenden Autofahrer getötet worden.
Inzwischen wurde der Bereich neu gestaltet. Jetzt fahren hier auch
Straßenbahnen – und es gibt weiterhin keine getrennten Abbiegephasen, keine
schmaleren Autospuren, keinen festen Blitzer, um die gefährlichen „schnell
noch mit 65 bei dunkel-gelb Fahrer“ abzuschrecken. Der Radweg vor der
Schule Richtung Kreuzung selbst trägt den Innovationsflair der 80er Jahre:
40 Zentimeter breit mit eingebauter Sturzkante zum Gehweg.
Mutig, hier eine Radfahrschein-Prüfung abzuhalten, dachte ich. Die erste
Kleingruppe warnbewesteter Kinder rollte samt Lehrerin- und
Polizeibegleitung in Jogginggeschwindigkeit heran – und wählte den einzig
sicheren Weg: rechtsabbiegen. Offenbar stand ich hier nicht als menschliche
SUV-Abschreckungsvorrichtung, sondern rein zur mentalen Unterstützung der
aufgeregten Kinder.
## Eine Runde um den Block
Die ganze Prüfung bestand aus einer Runde um den Block des Schulgeländes –
und bot [1][Gefahrenstellen genug]: Wer den Retrostyle-Radweg gemeistert
hatte, bog auf einen dieser gepinselten Radstreifen ab, die zwischen
parkenden und fahrenden Autos angelegt werden und keine Sicherheit bieten,
um anschließend durch eine bis in die Kreuzung zugeparkte
Rechts-vor-links-Nebenstraße zu fahren.
Start und Zielpunkt waren der Hintereingang der Schule, vor dessen Tor ein
großer Sackgassenkreisel in täglich wechselnden Mustern zugeparkt wird.
Morgens batteln sich hier gerne Eltern um den zum Schultor nächstgelegenen
Kinder-Drop-off-Point.
Ein Fünftel der Kinder fiel durch die Prüfung – oder war wegen
Unsicherheiten gar nicht erst zugelassen worden. Das entspricht auch dem
Bundesdurchschnitt: Ungefähr jedes fünfte Kind kann nicht einmal in seinem
Heimatkiez auf Seepferdchenniveau sicher Radfahren.
Ich ging nach Hause und fragte mich, wer hier eigentlich gerade
durchgefallen ist: Die Kinder, die vor dem Rad-Schulunterricht teilweise
noch nie auf einem Fahrrad gesessen hatten? Die Eltern, die ihre Kinder
überall mit dem Auto hinbringen und deshalb die Gefahren, vor denen sie
warnen, selbst mit verursachen? Die Politik, die nicht einmal in
unmittelbarem Umfeld von Schulen Verkehr so gestaltet, [2][dass zehnjährige
Kinder sicher und selbstbestimmt] zum Unterricht kommen können?
Mein Sohn erzählte, einige der Kinder hätten vor Freude und Stolz gejubelt,
„als habe ihre Fußballmannschaft gewonnen“, als sie ihren Radfahrschein
bekamen. Jeder Fünfte bekam keinen Schein.
17 Jul 2025
## LINKS
[1] /ADFC-kuert-fahrradfreundlichste-Staedte/!6095073
[2] /Mobilitaet-in-Deutschland/!6082808
## AUTOREN
Kerstin Finkelstein
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