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# taz.de -- Tagebuch aus der Ukraine: Vorurteile, die auch der Krieg bestehen l…
> Kateryna Mykhalko ist Managerin in der Rüstungsindustrie. An ihrer Arbeit
> gibt es keine Kritik. Aber sie ist 24 Jahre alt, und sie ist eine Frau.
Bild: Schon 2019 im Business aktiv: Kateryna Mykhalko warb für ihr Start-up um…
Mitten im Krieg wird in der von russischen Raketen und Drohnen zerrütteten
Ukraine wird über die Top-Managerin eines der größten privaten
Rüstungsunternehmen diskutiert. Eine ganze Reihe bekannter Politiker und
Blogger stellen die Fähigkeit von Kateryna Mykhalko infrage, effektiv im
Bereich des Waffenexports zu agieren. Grund: Sie ist eine 24-jährige Frau.
Es ist also nichts anderes als Sexismus und Altersdiskriminierung.
Mykhalko ist CEO von Technological Forces of Ukraine. Das ist ein
Zusammenschluss von über 20 privaten Unternehmen, die Drohnen,
Kommunikationssysteme, Mittel zur elektronischen Kriegsführung, Software,
Artilleriesysteme und Kamikaze-Drohnen herstellen. Vor dieser Tätigkeit
hatte Michalko Start-ups gegründet und geholfen, in der Ukraine eine
[1][Rüstungsindustrie] auszubauen.
All das hinderte Politiker und Blogger – einige von ihnen gelten in der
Ukraine als pro-russisch – nicht daran zu behaupten, dass Michalko aufgrund
ihres jungen Alters und angeblich mangelnder [2][Erfahrung] nicht die
Leitung dieses Firmenzusammenschlusses übernehmen sollte, der die Armee mit
modernster Militärtechnologie versorgt und der auch für den Export
ukrainischer Waffen verantwortlich ist.
Gegen Mykhalko werden sexistische und altersdiskriminierende Vorwürfe
erhoben, in den Sozialen Medien wird sie richtiggehend gemobbt. Der
Parlamentsabgeordnete [3][Alexei Goncharenko] schreibt ironisch, diese Frau
solle doch mal die Geschichte ihres „glänzenden beruflichen Erfolgs“
erzählen. Er illustrierte seine Bemerkungen, mit einem Foto, wo Mykhalko
neben Emmanuel Macron bei einem nichtöffentlichen Treffen in Kyjiw zu sehen
ist.
In Sozialen Netzwerken findet man auch Fotos, die die Managerin bei einem
Treffen mit dem damaligen Oberkommandierenden der ukrainischen
Streitkräfte, General [4][Valery Zaluzhny], mit dem früheren
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, mit dem ehemaligen britischen
Premierminister David Cameron sowie mit dem Hersteller türkischer
Kampfdrohnen, Haluk Bayraktar, zeigen.
## Zu schön, zu jung, zu weiblich
Statt aus solchen Kontakten gute Vernetzung und berufliche Expertise zu
folgen, ist so etwas zu lesen: „Ohne Kampferfahrung, ohne Lebenslauf“, sei
sie. „Wessen Tochter ist das, oder wessen kleines Kätzchen?“ Mykhalko sei
ja nur „gehorsam gegenüber der Regierung und dem Militärkommando“.
Schaut man auf die Urheber und auch Urheberinnen solcher Posts, zeigt sich
sehr deutlich, dass talentierte Frauen in meinem Land nicht nur mit dem
Sexismus der Männer, sondern auch mit dem der Frauen zu kämpfen haben.
Schön zu sein, bedeutet, dass man inkompetent ist. Jung zu sein, bedeutet,
von jemand protegiert zu sein. Frau zu sein, bedeutet, sich rechtfertigen
zu müssen.
Als ich mir die Vorwürfe gegen Mykhalko näher angeschaut habe, erinnerte
ich mich an eine Verwandte von mir. Vor vier Jahren, also vor Beginn des
[5][Kriegs], hatte sie sich bei einer Bank beworben. Sie wurde wegen ihres
Alters abgelehnt. 42 Jahre, sagte man ihr, sei „zu alt“. Doch vor ein paar
Wochen rief die Bank wieder bei ihr an und fragte, ob sie immer noch auf
Stellensuche sei.
Diesmal wurde meine Verwandte nicht nach ihrem Alter gefragt – jeder
kompetente Mensch ist in der Ukraine Gold wert. Hunderttausende von Männern
mit Ausbildung und Qualifikation verbrachten mehrere Jahre in den
Schützengräben. Tausende wurden getötet oder verwundet. Sie sind vom
Arbeitsmarkt verschwunden und werden auch so schnell nicht wieder
auftauchen. Deshalb bilden die Behörden Frauen als Straßenbahn-, Bus- und
[6][Traktorfahrerinnen] aus.
Wir sollten jetzt für vernünftige und gebildete weibliche Führungskräfte in
der Ukraine beten und ihnen weder ihr Alter noch ihren angeblichen Mangel
an Erfahrung vorwerfen. Mir ist es egal, wie alt Kateryna Mykhalko ist,
solange sie weiß, wie man für mein Land über Waffen verhandelt.
[7][Juri Konkewitsch] berichtet als freier Journalist aus der Ukraine. Er
lebt im westukrainischen Luzk und schreibt oft für die taz.
Aus dem Russischen von [8][Tigran Petrosyan].
Finanziert wird das Projekt von der [9][taz Panter Stiftung].
18 Jul 2025
## LINKS
[1] /Waffenhandel-im-Ukraine-Krieg/!5946549
[2] /Volle-Auftragsbuecher-fuer-die-Ruestungsindustrie/!5333794&s=/
[3] /Ukrainischer-Abgeordneter-ueber-sein-Land/!5858134
[4] /Selenskis-Verhaeltnis-zum-Armeechef/!5985935
[5] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[6] /Tagebuch-aus-der-Ukraine/!6085300
[7] /Juri-Konkewitsch/!a101868/
[8] /Tigran-Petrosyan/!a22524/
[9] /Panter-Stiftung/Spenden/!v=95da8ffb-144e-4a3b-9701-e9efc5512444/
## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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