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# taz.de -- Britischer Popstar-Komödienfilm: Mein Song für dich
> „The Ballad of Wallis Island“ vom britischen Regisseur James Griffiths
> erzählt vor rauer Kulisse von frustrierten Musikern und einem besessenen
> Fan.
Bild: Musiker und sein Publikum: Herb (Tom Basden) und Charles (Tim Key) in „…
Welch eine Vorstellung: Der Lieblingspopstar kommt zu einem nach Hause und
spielt einem etwas vor. Ganz privat. Normalerweise sind derlei
spezielle Konzerte den Milliardär:innen dieser Welt vorbehalten,
etwa der chinesischen Familie, die [1][Jennifer Lopez] 1,25 Millionen
Dollar zahlte, damit JLo 40 Minuten lang das Familiendinner aufpeppt.
Oder die schwerreichen Eltern zweier heiratswütiger Inder:innen, die den
Kindern zur Hochzeit Beyoncé schenkten, im wahrsten Wortsinn: Queen B
performte nur für Braut, Bräutigam und deren erlesene Gäste.
Als der grummelige, absteigende Folkmusiker Herb McGwyer (Tom Basden),
dessen Duo McGwyer Mortimer einst zu den erfolgreichsten Künstler:innen
der Branche gehörte, einer gut bezahlten Einladung zu einem exklusiven Gig
auf dem ominösen „Wallis Island“ folgt, hofft er darum auf eine ähnliche
Erfahrung.
Doch es stellt sich schnell heraus, dass Gastgeber Charles (Tim Key) das
mit der Exklusivität mehr als ernst meint: Charles ist nicht nur ein
„McGwyer Mortimer“-Ultra und hortet in seinem großen Haus Schallpatten und
Devotionalien, sondern hat im Lotto gewonnen – und kann es sich leisten,
500.000 Pfund für ein Konzert der Band auszugeben, die seine leider
verstorbene Frau so liebte.
## Kleine Palette am Strand
Charles hat darum auch die andere Hälfte des Folk-Duos und Herbs Ex, Nell
Mortimer (Carey Mulligan) auf die Insel gelockt, die zu Herbs weiterem
Missfallen mit ihrem neuen Ehemann Michael (Akemnji Ndifornyen) anreist.
Somit ständen, falls Herb sich denn darauf einließe, irgendwann zwei
Menschen auf einer kleinen Palette am Strand, die dem Musiker als Bühne
präsentiert wird – und damit mehr als im Publikum.
Der Exzentriker Charles plant, das Konzert tatsächlich ganz für sich allein
zu haben. Die aus einem Kurzfilm der beiden Hauptdarsteller Basden und Key
hervorgegangene Komödie trägt eine schöne Rezeptionsfrage in sich: Welchen
Unterschied macht es, wenn ein Song, den man – ob live oder vom Tonträger –
normalerweise ausschließlich als Teil einer anonymen Fangemeinde wahrnimmt,
sich direkt an einen persönlich richtet?
## Gut recherchierte Fanfiction
Es steckt viel Wissen über das Fan-Sein im Drehbuch und der Inszenierung
durch James Griffiths – jeder Mensch, der eine:n Musiker:in oder eine
Band wirklich liebt, erkennt sich in den ulkigen Situationen wieder, die
immer auch mit der deutlichen Star-Fan-Hierarchie zu tun haben: McGwyer
Mortimer sitzen in meiner Küche und reden ganz privat! Ich darf McGwyer
Mortimer beim Komponieren zuhören! Ich kann Nell Mortimer erzählen, dass
ich eine Haarsträhne von ihr besitze!
Die sich leider als Fake herausstellt – „ich habe noch nie eine Haarsträhne
von mir irgendwohin gespendet“, sagt Nell dem aufopfernden Gastgeber
trocken.
Die Folkszene ist dabei austauschbar – der Name lässt an Simon & Garfunkel
denken, vor allem erinnert Charles’ McGwyer-Mortimer-Verrücktheit an den
berühmt gewordenen [2][Autor A. J. Weberman], der so von seinem Idol
[3][Bob Dylan] besessen war, dass er sogar dessen Müll durchforstete und
sich schließlich öffentlich gegen ihn wendete. Ganz so tiefgründig und
betörend wie Dylans musikalische Welt sind die Songs, die Herb irgendwann
(wieder)findet, allerdings nicht.
Das Gesetz der menschenfreundlichen Komödie will es, dass es am Ende
Charles ist, der dem unzufriedenen Herb etwas beibringen kann. Basden, Key
und Griffiths haben die sich etwas schleppende Geschichte in einigermaßen
humorvollen, zuweilen leicht redundanten Szenen arrangiert, bei denen
arrogante Popstars ebenso ihr Fett wegbekommen wie kauzige britische
Einsiedler. Die zerklüftete Insel ist dabei eine eindrucksvolle Kulisse –
als Hallraum für die Musik funktioniert sie ohnehin tadellos.
11 Jul 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Jenni Zylka
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