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# taz.de -- Türkische Politik in Nahost: Erdoğans Inszenierung
> Der türkische Präsident gibt sich dieser Tage als Mittler zwischen USA
> und Iran. Bei einem großen Krieg hätte er viel zu verlieren.
Bild: Der türkische Präsident Erdoğan bei einem Besuch in Albanien Mitte Mai
Istanbul taz | Das Titelbild der größten türkischen Zeitung Hürriyet zeigt
am Dienstag, wie Recep Tayyip Erdoğan sich am liebsten sieht: Als
Weltpolitiker, der dabei ist, den Krieg zwischen Israel und Iran zu
stoppen.
Demnach sei Erdoğan praktisch unablässig am Telefon, um mit US-Präsident
Donald Trump, dem iranischen Präsidenten Massud Peseschkian und Russlands
Wladimir Putin über ein Ende des Krieges zwischen Israel und dem Iran zu
sprechen. Ziel der türkischen Diplomatie sei es, die USA und den Iran dazu
zu bewegen, doch noch ganz schnell einen Atomdeal zu machen, um so den
Krieg zu beenden.
Mit wem der türkische Präsident nicht spricht, ist Israels
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Beide vermitteln zu mindestens nach
außen den Eindruck, sich innig zu hassen. „Hitler“, „Terrorist“, „M�…
„Wahnsinniger“ sind die Attribute, mit denen sich die beiden gegenseitig
überziehen.
Das geht schon seit Jahren so, aber insbesondere, seit Netanjahu als
Reaktion auf das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 den Gazastreifen mit
einem Vernichtungskrieg überzieht, ist Erdoğan in Rage. Aktuell ist es aber
eher die Sorge um eine Ausweitung des Krieges gegen den Iran, die Erdoğan
zum Telefonhörer greifen lässt.
## Wirtschaftliche Interessen der Türkei
Ein länger anhaltender [1][Krieg zwischen Israel und dem Iran] könnten die
ersten vorsichtigen Erfolge jahrelanger wirtschaftlicher
Konsolidierungsmaßnahmen schlagartig wieder zunichtemachen. Ein höherer
Ölpreis wäre Gift für die Türkei. [2][Tausende iranischer Flüchtlinge], die
sich bereits jetzt von Teheran aus Richtung türkischer Grenze auf den Weg
machen, würden die ersten Erfolge bei der Rückführung syrischer Flüchtlinge
gleich wieder egalisieren und die Anzahl von Flüchtlingen in der Türkei
konstant hochhalten.
Zwar möchte die Türkei so wenig wie die meisten anderen Länder im Nahen
Osten, dass Iran eine Atommacht wird, aber gleichzeitig hat Erdoğan
überhaupt kein Interesse daran, dass dieses Ziel durch einen militärischen
Sieg Israels über den Iran erreicht wird. Deshalb Erdoğans Drängen bei
Trump, den Krieg möglichst schnell mit einem Deal mit dem geschwächten Iran
zu beenden. Andernfalls, so die Befürchtung in Ankara, könnte ein
militärischer Erfolg in Iran Netanjahu endgültig zu Kopf steigen. Wäre die
Türkei dann Israels nächstes Kriegsziel?
In einem „National Security Journal“ aus den Reihen der US-amerikanischen
Rechten behauptet der Autor Michael Rubin vom American Enterprise
Institute, Erdoğan verfolge gegenüber Israel im Prinzip dieselben Ziele wie
die iranischen Mullahs und würde ebenfalls an einem geheimen Atomprogramm
arbeiten. Wenn der Westen nicht dagegen vorginge, könnte es in absehbarer
Zeit zu einem Krieg zwischen Israel und der Türkei kommen.
Das klingt zwar weit hergeholt, schließlich ist die Türkei Nato-Mitglied
und US-Präsident Trump zählt beide Länder zu seinen Verbündeten. Doch
selbst [3][Präsident Erdoğan verunsicherte seine Landsleute] bei einer Rede
im letzten Jahr am 1. Oktober mit der Mahnung, die Türkei müsse sich gegen
einen israelischen Angriff wappnen.
## Unterschiedliche Ziele in Syrien
Die Brandrede Erdoğans erfolgte, nachdem Israel im September den
Großangriff auf die Hisbollah im Libanon gestartet hatte. Wörtlich sagte
Erdoğan: „Die im Heiligen Land wahnsinnig gewordene israelische Regierung
wird mit ihrem religiösen Fanatismus nach Palästina und dem Libanon
womöglich auf unser Vaterland zielen“.
Was damals allgemein für Kopfschütteln sorgte, wäre nach einer kompletten
militärischen Niederlage Irans nicht mehr ganz so abwegig. Die Türkei
bliebe im Nahen Osten die einzige Militärmacht, die Israel noch ernsthaft
etwas entgegensetzen könnte. Und beide Länder haben jenseits aller
rhetorischer Hahnenkämpfe einen ernsthaften Interessenkonflikt in Syrien.
Während Netanjahu in Syrien die neue islamistische Führung als Bedrohung
sieht und ohne Skrupel die gesamte militärische Hinterlassenschaft des
Assad-Regimes zusammenbomben lässt, ist die Türkei mit der neuen Regierung
eng verbündet und will beim Aufbau einer neuen syrischen Armee helfen.
Syrien ist potentiell für die Türkei auch wirtschaftlich enorm wichtig.
Noch gibt es hinter den Kulissen den Versuch, einen Interessenausgleich
zwischen Israel und der Türkei in Syrien herzustellen. Doch das kann
schnell kippen.
18 Jun 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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