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# taz.de -- Korruptionsskandal: Die KI-Schafe von Kreta
> Griechenlands konservative Regierung unter Premier Mitsotakis versinkt in
> einem EU-Agrarsubventionsskandal. Regierungsmitglieder treten bereits
> zurück.
Bild: Ein paar Millionen fiktive Ziegen und Schafe bringen die griechische Regi…
Athen taz | KI kann sehr hilfreich sein. Ein künstlich erzeugtes Bild zeigt
dem verblüfften Beobachter eindrücklich, wie es denn aussehen würde, falls
auf der Insel Kreta wirklich genau 7.812.923 Ziegen und Schafe weiden
würden: Ganz Kreta ist von den Bergen bis zur Küste mit Schafen übersät.
7,8 Millionen Tiere! So viele gaben mutmaßliche Betrüger an, um sich üppige
EU-Agrarbeihilfen unter den Nagel zu reißen.
Darunter sind auch [1][Pseudobauern,] die gar kein Vieh oder Agrarflächen
besitzen. Schwindler deklarierten angebliche Olivenhaine in der in Hellas’
Nordwesten gelegenen Gebirgskette von Pindos. Und dies in Höhen, wo nicht
einmal überaus robuste Zwergsträucher gedeihen. Andere Gauner reichten
fiktive Pachtverträge für vermeintliche Agrarflächen ein, die in
Naturagebieten oder auf dem Gelände stillgelegter Militärflughäfen liegen.
Alle Betrüger verfolgten das gleiche Ziel: sich möglichst viel vom Kuchen
der [2][EU-Agrarsubventionen] abzuschneiden, die Brüssel Hellas’ Landwirten
Jahr für Jahr gewährt. In die Röhre guckten die ehrlichen griechischen
Landwirte. Es geht um eine Menge Geld: Über zwei Milliarden Euro pro Jahr
überweist Brüssel nach Athen, um dem hiesigen Agrarsektor unter die Arme zu
greifen.
## Korruption statt Kontrolle
Die Agrarganoven hatten offenbar leichtes Spiel. Die Vergabe der EU-Gelder
für Hellas’ Landwirtschaft soll die Athener Agraragentur kontrollieren.
Statt zu kontrollieren, wirkten kriminelle Agrarbeamte – mutmaßlich unter
politischer Einflussnahme – offenbar systematisch dahingehend, Dritte und
wohl sich selber illegal zu bereichern.
Zugleich sorgten sie dafür, dass sich die konservative Regierungspartei Nea
Dimokratia (ND) unter Premier Kyriakos Mitsotakis via Subventionsbetrug
Stimmvieh für Wahlen erkaufte – mit EU-Geldern wohlgemerkt.
Im Ziegenparadies Kreta hat dies offenbar toll funktioniert: Bei der
jüngsten Parlamentswahl im Juni 2023 feierte die ND auf Kreta einen
Wahltriumph, zuvor eine Hochburg der linken Syriza. Stichwort:
Klientelsystem.
Statt den Augiasstall der Agraragentur auszumisten, ging man in Athen
stattdessen knallhart gegen Nestbeschmutzer vor. Erst als sich die
Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) einschaltete, gerieten Mitsotakis und
Co unter Druck. Die Europäische Kommission verdonnerte Athen am 11. Juni zu
einer Mammutgeldbuße von 415 Millionen Euro. Sie betrifft maßgeblich den
Zeitraum ab 2019, seit die ND alleine in Griechenland regiert.
## Minister treten zurück
Die EPPO hat nun eine Akte zur Causa Agraragentur an das Parlament
gesendet. Bei ihren Ermittlungen ist sie auf mehrere Politiker, darunter
zehn ND-Abgeordnete, gestoßen. Die 3.000 Seiten starke Akte enthält
Transkriptionen legal abgehörter Telefonate. Griechische Medien verbreiten
seither pikante Gesprächsinhalte, die das ganze Ausmaß der Korruption
aufzeigen.
Das brachte den Stein endgültig ins Rollen. Im Strudel des nun vollends
ausgebrochenen Agrarsubventionsskandals traten am vorigen Freitag der
Migrationsminister Makis Voridis, von Juli 2019 bis Januar 2021
Agrarminister, sowie drei Vizeminister der Regierung Mitsotakis zurück. Sie
bestreiten unisono die Vorwürfe. Neuer Migrationsminister ist Thanos
Plevris, wie Voridis ein Rechtsradikaler mit menschenverachtenden Ansichten
in der Migrationsfrage.
Derweil hat die Regierung Mitsotakis angekündigt, die Skandalbehörde bis
Ende 2026 abschaffen zu wollen. Deren Personal, landesweit rund 500
Mitarbeiter, soll zur Steuerbehörde AADE wechseln. Unter dem Dach der AADE
sollen fortan die EU-Agrarbeihilfen verteilt werden.
Doch die Opposition fordert vorgezogene Neuwahlen. [3][Premier Mitsotakis]
denkt aber gar nicht daran. Er will bis zum turnusmäßigen Urnengang im
Sommer 2027 weiterregieren.
## Mitsotakis zeigt Reue
Mitsotakis ergreift lieber die Flucht nach vorn. „Die Dialoge (abgehörte
Telefonate; Anm. d. Red.) sorgen für Empörung und Wut. Lassen Sie uns
ehrlich sein: Wir sind gescheitert. Es ist Zeit, das (korrupte) System zu
durchbrechen“, so Mitsotakis. Im Agrarskandal sei er dazu entschlossen,
„den Gordischen Knoten zu zerschlagen“.
Mitsotakis, ein neuer Alexander der Große? Für die Griechen klingt das wie
Hohn.
3 Jul 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Ferry Batzoglou
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Griechenland
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