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# taz.de -- Warum Radios in Myanmar so wichtig sind: Lauter als Waffen
> Im Bürgerkriegsland Myanmar sind Radios die letzte Verbindung zu Fakten.
> Doch die Kürzung der US-Hilfen bedroht die Radiosender im Land.
Bild: Schon lange ein Signal zur Außenwelt: Ein Binnenflüchtling hört Radio …
In Myanmar, einem von einer [1][Militärdiktatur], bewaffnetem Widerstand
und [2][Naturkatastrophen] heimgesuchten Land in Südostasien, ist
Wahrheitsfindung nicht nur ein Prinzip, sondern ein Lebenselixier. Und für
Millionen Menschen geschieht dies immer noch durch ein bescheidenes
elektronisches Gerät: das Radio.
Während international kaum noch über das Land berichtet wird und Myanmars
prodemokratische Sender ums Überleben kämpfen, werden in den abgelegenen
und vom Krieg gebeutelten Regionen dort die Menschen von der einzigen
verlässlichen Informationsquelle, die sie bisher hatten, zunehmend
abgeschnitten: Die Elektrizitätsversorgung ist instabil, das Internet wird
vom Militär blockiert und Telefonleitungen werden regelmäßig unterbrochen.
Dann bleibt das Radio der einzige funktionierende Kanal für
überlebenswichtige Informationen.
Die Dringlichkeit, diese Lebensader zu erhalten, ist seit den [3][starken
Budgetkürzungen der US-Regierung von Donald Trump] für US-finanzierte
Mediendienste in der Region nur noch gewachsen. Trump hat die
US-Entwicklungshilfe für Myanmar [4][2025 samt Unterstützung dortiger
unabhängiger Medien um 39 Millionen] US-Dollar zusammengestrichen.
Die hatten direkte Auswirkungen auf die Radiosender in Myanmar. Die
birmesischsprachigen Programme von Voice of America (VOA) und Radio Free
Asia (RFA) wurden eingestellt. RFA musste 90 Prozent seiner Mitarbeitenden
entlassen, bei VOA wurden fast alle Angestellten beurlaubt.
Dies führte zum Zusammenbruch der Junta-kritischen Dienste von VOA, RFA und
der Democratic Voice of Burma (DVB Radio). Das waren nicht bloß
Medienprogramme. Für viele in Myanmar waren sie die einzigen
vertrauenswürdigen Informationsquellen in einem Land, in dem Desinformation
tödlich sein kann und offizielle Propaganda die Medienlandschaft dominiert.
## Recht auf Informationen
„Zuerst haben die Menschen in Myanmar ihr Recht auf Information verloren“,
sagt der frühere RFA-Journalist Htet Naing Zaw, der jetzt für die BBC
berichtet. „RFA und VOA waren nicht nur Radiosender – sie waren der Kanal,
durch den Menschen selbst in den entlegensten Gebieten erfuhren, was
geschah.“
Aye Chan Naing, Gründer und Chefredakteur von DVB Radio, sagt: „Trump hat
Budgets gekürzt, was in manchen Ländern vielleicht nicht viel ausmacht,
aber für Birma ist es verheerend. Besonders in Konfliktgebieten ist das
Kurzwellenradio sehr wichtig.“ Er erinnert sich daran, wie
DVB-Radio-Reporter tagelang laufen mussten, um nach dem Militärputsch 2021
überhaupt Berichte übertragen zu können. „In der Region Rakhine war das
Internet bereits vor dem Putsch blockiert. Dann dehnte die Junta die
Blockaden auf Kachin, Chin und andere Regionen aus. Das machte es extrem
schwierig, überhaupt noch Informationen zu verbreiten.“
In den bergigen Grenzregionen und dichten Dschungeln Myanmars ist die
Elektrizitätsversorgung unzuverlässig oder gar nicht existent.
Mobilfunkmasten werden oft gesprengt oder sabotiert. Und das Regime kappt
regelmäßig den Zugang zum Internet. Für die betroffenen Gemeinschaften ist
das Radio nicht nur eine Alternative – es ist das einzige Medium, das
überhaupt noch funktioniert.
In Flüchtlingslagern und Dschungelverstecken, wo Menschen ohne
Elektrizitätszugang leben und auf kleine Batterien oder Solarzellen
angewiesen sind, bleiben tragbare Radios – manche betrieben mit nur zwei
AA-Batterien – wichtige Mittel zum Überleben. „Als die internationalen
Sender ihre Arbeit einstellten, war es, als ob das Land in Dunkelheit
versinkt“, sagt Htet Naing Zaw.
„Menschen auf dem Land und in den ethnischen Gebieten sind auf das Radio
angewiesen, nicht nur für Nachrichten, sondern auch für Bildung,
Katastrophenwarnungen und Gesundheitsberatung.“ Jetzt droht diesen
Gemeinschaften nicht nur eine noch größere Isolation, sondern auch, dass
sie von Informationen gänzlich abgeschnitten werden, die sie für
lebenswichtige Entscheidungen benötigen. Das Schweigen im Äther ist nicht
nur politisch – es ist persönlich und potenziell tödlich.
## Senden aus Bunkern
Mehrere unabhängige und der Widerstandsbewegung nahestehende Medien haben
sich bemüht, oft unter großem personellen und finanziellen Risiken das
Vakuum zu füllen, das durch das Ende von VOA und RFA Anfang des Jahres
entstanden ist. Das nach dem Beginn der Revolution gegen den Putsch
gestartete Federal FM sendet unabhängige Nachrichten, Sicherheitswarnungen
und Bildungsinhalte in mindestens 20 Städten, und das auch in ethnischen
Sprachen wie Karen, Kachin und Shan. „Selbst wenn wir Bunker graben müssen,
um uns vor Luftangriffen zu schützen, werden wir weiter senden“, sagt der
Gründer des Senders, Tint Zaw Hein.
Radio NUG, gegründet im August 2021 von der Nationalen Einheitsregierung
(NUG, der demokratischen Gegenregierung im Untergrund), sendet täglich zwei
halbstündige Kurzwellenprogramme und veröffentlicht auch Online-Inhalte per
Youtube und Podcast. Der Sender bietet alles von Sicherheitstipps in
Kriegsgebieten bis hin zu Gesundheitsupdates und politischen Kommentaren.
„Radio NUG ist nicht nur ein Sprachrohr der Gegenregierung – es gibt auch
die Stimmen und Emotionen derjenigen wieder, die sich gegen die
Militärherrschaft stellen“, sagte Ko Maung Yit, der
Radio-NUG-Programmmanager. Im Programm hat der Sender Inhalte von der
Bewegung des zivilen Ungehorsams (CDM) oder von Schriftstellern und
Journalisten, die sich mit vom Krieg betroffenen Menschen solidarisieren.
„Fehlende Rundfunkprogramme sind eine ernsthafte Herausforderung in einem
Land, in dem Internetzugang, Elektrizität und Kommunikationskanäle oft
unterbrochen sind“, sagt der Programmmanager. „In diesem Vakuum sendet
Radio NUG jeden Morgen und Abend 30 Minuten auf Kurzwelle.“
Doch Radio NUG bekommt wie viele andere keine regelmäßige finanzielle
Unterstützung von ausländischen Regierungen oder anderen internationalen
Geldgebern. „Wir sind auf öffentliche Spenden und internes Fundraising
angewiesen. Unsere Arbeit wird durch das Engagement der Mitarbeiter,
Freiwilligen und Journalisten aus dem In- und Ausland ermöglicht“, sagte Ko
Maung Yit.
## Sender in lokalen Sprachen
Mizzima Radio setzt täglich seine einstündige birmesischsprachige
Kurzwellenübertragung fort. „Sie deckt das ganze Land ab. Aber wir haben
die UKW-Übertragungen in den Regionen einstellen müssen. Früher hatten wir
Sender in Chin, Shan, Karenni“, sagte Gründer Soe Myint. Andere wie Voice
of Spring (VOS) und einige Sender ethnischer Minderheiten senden in lokalen
Sprachen und bieten regionale Sicherheitswarnungen und Überlebenshilfen an.
Obwohl die RFA- und VOA-Sendungen eingestellt wurden, zirkulieren ihre
Inhalte weiterhin informell – über USB-Sticks, mobile Speicherkarten und
Bluetooth-Sharing – und bilden ein Untergrundnetzwerk des Wissens in einem
Land, das nach Wahrheit dürstet. Diese Radiosendungen informieren nicht
nur. Sie leiten an, schützen und vereinen Gemeinschaften im Widerstand. Sie
bieten Informationen zum Umgang mit Minenfeldern, zur Wundversorgung, zur
Vermeidung von Luftangriffen und zum Überleben.
Die internationale Gemeinschaft und insbesondere EU-Staaten wie Deutschland
sollten diese Krise als das erkennen, was sie ist: [5][nicht nur ein
Problem der Pressefreiheit,] sondern ein humanitärer Notfall.
Dringend benötigt werden Radiosender, tragbare Empfänger, solarbetriebene
Batterien, FM-Ausrüstung und grundlegende Schulungen für
Bürgerjournalisten. Diese bescheidenen Interventionen können einen realen,
unmittelbaren Unterschied in kriegsgebeutelten Gemeinschaften in ganz
Myanmar bewirken. Jeder Euro für die Radioinfrastruktur hilft heute,
Desinformation zu bekämpfen, Leben zu retten und demokratische Werte zu
verteidigen. Schweigen hingegen ist das, worauf Tyrannen am meisten bauen.
Angesichts von Unterdrückung kann ein kleines Radio lauter sein als jede
Waffe.
Kyaw Min Swe war in Myanmar bis zum Putsch 2021 Chefredakteur der Zeitung
The Voice sowie von 2012 bis 2015 Vorsitzender und von 2018 bis 201
Mitglied des Presserates. Er wurde schon 2017 unter der Regierung von Aung
San Suu Kyi für zwei Monate inhaftiert wegen einer Satire über das Militär.
2023 saß er drei Monate im Gefängnis, weil er aus Protest gegen einen
verheerenden Luftangriff auf ein Dorf sein Facebook-Profil geschwärzt
hatte. Ende 2023 gelang seiner Familie die Flucht nach Thailand, seit
Sommer 2024 lebt sie in Berlin.
1 Jul 2025
## LINKS
[1] /Erdbebenfolgen-im-Buergerkriegsland/!6080279
[2] /Nach-dem-Erdbeben/!6077529
[3] /Krise-der-Entwicklungszusammenarbeit/!6094326
[4] https://humanrightsmyanmar.org/trump-freezes-39-million-for-rights-democrac…
[5] /Pressefreiheit-in-Myanmar/!6033795
## AUTOREN
Kyaw Min Swe
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