# taz.de -- Verhaftung von Fatih Altaylı: Weiterer türkischer Journalist fest… | |
> Der türkische Präsident Erdoğan lässt erneut einen Kritiker verhaften: | |
> Journalist Fatih Altaylı landet nach angeblich regierungskritischen | |
> Äußerungen im Gefängnis. | |
Bild: Fatih Altayli in Istanbul am 17. Dezember 2009 (Archivfoto) | |
Mit schöner Regelmäßigkeit lässt der türkische Präsident Recep Tayyip | |
Erdoğan seit Monaten seine Kritiker ins Gefängnis stecken. Am Sonntag traf | |
es den bekannten Fernsehjournalisten Fatih Altaylı, der angeblich | |
Morddrohungen gegen den Präsidenten ausgesprochen haben soll. | |
[1][Insbesondere seit der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu im | |
März ins Gefängnis gesteckt wurde], vergeht kaum mehr ein Tag, an dem nicht | |
ein mehr oder weniger prominenter Kritiker Erdoğans von einer mittlerweile | |
vollkommen willfährigen Justiz verhaftet wird. Einziges gemeinsames Merkmal | |
aller Betroffenen ist: Sie gehören zur säkularen bürgerlichen Opposition, | |
die sich rings um die oppositionelle CHP schart, deren inhaftierter | |
Präsidentschaftskandidat İmamoğlu bei den nächsten Wahlen eigentlich gegen | |
Erdoğan antreten soll. | |
Fatih Altaylı gehört zu den prominentesten Leuten, die seit März im | |
Gefängnis verschwanden. Er war jahrelang das Aushängeschild des TV-Senders | |
Habertürk und moderierte dort regelmäßig eine Talk-Sendung namens „Teke | |
Tek“ (Ein-zu-eins). Nach mehr als zehn Jahren musste Habertürk ihn auf | |
Druck der Regierung 2023 entlassen. Er gründete daraufhin einen eigenen | |
Youtube-Kanal, der sich schnell großer Beliebtheit erfreute und zuletzt | |
mehr als 1,5 Millionen AbonnentInnen hatte. Altaylı kommentierte dort das | |
tägliche politische Geschehen und lud diverse Gäste zum Talk ein. | |
Eines dieser Gespräche wurde ihm nun zum Verhängnis. Im Zusammenhang mit | |
einer neuen Verfassung, auf die Erdoğan seit Langem drängt, wurde in der | |
Runde darüber diskutiert, ob es Erdoğan gelingen könnte, sich zum | |
Präsidenten auf Lebenszeit erklären zu lassen und Wahlen praktisch | |
abzuschaffen. Altaylı erinnerte in der Diskussion daran, dass die TürkInnen | |
nicht auf das Recht zur Wahl verzichten würden wollen und selbst die | |
Sultane zu osmanischen Zeiten das Volk fürchten mussten. | |
## Instrumentalisierte Justiz | |
Dieser historische Exkurs wird ihm nun als Aufruf zum Mord an Erdoğan | |
ausgelegt, was zeigt, dass sich die von der Regierung vollkommen | |
instrumentalisierte Justiz nicht einmal mehr die Mühe macht, eine plausible | |
Anklage zu formulieren. Festnahmen und Verurteilungen erfolgen sowieso auf | |
Anweisung durch den Präsidentenpalast. | |
Der 63-jährige Altaylı ist Absolvent des berühmten Galatasaray Gymnasiums | |
und der Bosporus Universität, ein Bildungsweg, der oft an die Schaltstellen | |
der Republik führte. Entsprechend gut ist das Netzwerk von Altaylı. Seine | |
Festnahme ist deshalb auch ein Signal, dass selbst die bekanntesten Namen | |
der säkularen Opposition nicht mehr davor gefeit sind, in den Knast zu | |
wandern. | |
International hat Erdoğan derzeit keinerlei Kritik mehr zu befürchten. Im | |
Gegenteil, als Vermittler und Moderator bei den zahlreichen Krisen und | |
Kriegen in der Region ist er so gefragt wie lange nicht. Als Truppensteller | |
der zweitgrößten Nato-Armee scheint er unverzichtbar. Auch die neue | |
Bundesregierung unter Friedrich Merz will ihn keinesfalls vergraulen. | |
[2][Egal wie viel JournalistInnen, OppositionspolitikerInnen und | |
AktivistInnen im Knast verschwinde]n, die türkische Opposition wird genauso | |
im Stich gelassen, wie die iranische Opposition jahrelang von der EU im | |
Stich gelassen wurde. | |
23 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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