# taz.de -- Ex-Grüne bauen „Junge Linke“ auf: Hilfe im Alltag statt Plakat… | |
> 2024 verlor die Grüne Jugend ihre Führungsriege. Während dort auch der | |
> neue Vorstand mit der Partei fremdelt, starten die Abtrünnigen ihr neues | |
> Projekt. | |
Bild: Der Vorstand der Jungen Linken mit Bundessprecher David Christner (hinten… | |
Berlin taz | Die Ziele sind hoch gesteckt: Eine Gruppe ehemaliger | |
Mitglieder der Grünen Jugend, Teile [1][der Austrittswelle aus dem Herbst | |
2024], hat im April die politische Jugendorganisation Junge Linke | |
gegründet. Derzeit bilden sich in verschiedenen Städten Deutschlands kleine | |
Ableger. Die Organisation hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als die | |
politische Linke neu zu erfinden. | |
„Uns geht es in erster Linie darum, glaubhaft für spürbare Verbesserungen | |
einzutreten“, sagt David Christner, Sprecher der Organisation und | |
Ex-Vorsitzender der Grünen Jugend Niedersachsen. Diese Glaubhaftigkeit habe | |
er bei der Grünen Jugend vermisst. Für ihn sei es etwa unmöglich gewesen, | |
Freund:innen davon zu überzeugen, dass sich die Grünen gegen steigende | |
Preise engagierten. Schließlich habe die Mutterpartei die Inflation aus | |
ihrer Sicht nicht konsequent genug bekämpft. | |
Doch nicht nur deshalb kam es zum Bruch mit den Grünen, die Kritik betraf | |
eine ganze Palette an Entscheidungen aus der Zeit der Ampelregierung. Das | |
Sondervermögen für die Bundeswehr, Asylrechtsverschärfungen oder die | |
Räumung von Lützerath – all das waren laut einer Erklärung Gründe für den | |
Austritt Dutzender Mitglieder. | |
Auf diese Entscheidung folgte der Neuanfang unter dem Motto „Zeit für was | |
Neues“, einer zunächst noch losen Gruppe ehemaliger Mitglieder, aus der | |
sich nun die Junge Linke geformt hat. Diese gibt sich parteiunabhängig. | |
„Die Linke ist zwar ein wichtiger Bezugspunkt für uns“, sagt Christner. | |
Doch als politische Jugendorganisation ohne Parteibindung habe man mehr | |
Freiheiten und es sei einfacher, Glaubwürdigkeit herzustellen. Mit eigenen | |
Projekten wolle man nun dazu beitragen, die politische Linke in Deutschland | |
aus einem Tief zu führen. | |
## Hürden niedrig halten | |
Geplant sind konkrete Hilfsangebote auf lokaler Ebene, um „in Verbindung | |
mit der arbeitenden Klasse, insbesondere mit Schüler:innen, Auszubildenden | |
und Studierenden“ zu treten, wie Christner sagt. Denn es reiche nicht aus, | |
ein Plenum zu einem linken Thema für andere Linke zu veranstalten. Das sei | |
mit hohen Hürden verbunden und knüpfe kaum an den Sorgen der meisten | |
Menschen an. | |
Die Gruppe möchte deshalb den Fokus auf praktische Arbeit legen. Sie plant | |
kostenlose Hilfsangebote bei Hausaufgaben, der Job- oder | |
Therapieplatzsuche, bei Problemen mit Vermieter:innen und Behörden oder | |
der Suche nach einem WG-Zimmer. Ihre Mitglieder würden diese Arbeit | |
ehrenamtlich leisten. | |
Außerdem möchte die Organisation der Vereinzelung junger Menschen | |
entgegenwirken. Durch Angebote wie Nachbarschaftsfeste oder die Einrichtung | |
von Jugendtreffpunkten sollen Begegnungsräume geschaffen und Gemeinschaft | |
gestärkt werden. „Wir wollen füreinander da sein“, so die Devise. Der gan… | |
Aufwand als Mittel zum Zweck: Die Hilfsangebote sollen auch Menschen | |
außerhalb der linken Bubble erreichen. | |
## Prominenz in der Ortsgruppe | |
Dabei drängt sich unweigerlich die Ressourcenfrage auf. Christner räumt | |
ein, dass die Ressourcen nun deutlich knapper seien als in der Grünen | |
Jugend. Auch wenn sich die Junge Linke nur durch Mitgliedsbeiträge – zehn | |
Euro pro Monat – und Spenden finanziere, habe er dennoch keine Zweifel an | |
der langfristigen Umsetzung der Pläne. | |
Bisher gibt es 15 Ortsgruppen, etwa in Duisburg, München oder Hamburg. Die | |
prominentesten Mitglieder sind drei ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen | |
Jugend: Sarah-Lee Heinrich, Katharina Stolla und Svenja Appuhn. Sie sitzen | |
allerdings nicht im Vorstand, sondern sind nur in ihren jeweiligen | |
Ortsgruppen aktiv. Insgesamt gibt es derzeit rund 200 Aktive, viele davon | |
stammen ebenfalls noch aus der Grünen Jugend. | |
Mit dieser scheint man jedoch abgeschlossen zu haben. „Wir kennen zwar | |
immer noch einige tolle junge Leute, die versuchen, innerhalb der Grünen | |
Jugend für eine bessere und gerechtere Welt einzustehen“, sagt Christner. | |
Gleichzeitig heißt es auch zynisch: „Wir wünschen ihnen dabei viel Erfolg.�… | |
Direkte Anknüpfungspunkte der Jungen Linken zur Grünen Jugend sehe er | |
nicht. | |
## Kein Kommentar von der Ex | |
Auf Nachfrage der taz will die Grüne Jugend die Neugründung nicht | |
kommentieren. Stattdessen teilt ihr Pressesprecher mit, dass die Grüne | |
Jugend seit dem Rücktritt des alten Bundesvorstands eine „nie dagewesene | |
Eintrittswelle“ verzeichnet habe. Seit April 2024 sei der Verband insgesamt | |
sogar um 3.000 Mitglieder gewachsen. Über die Gründe will er nicht | |
spekulieren. | |
Bei der Grünen Jugend ist der Ton gegenüber der Mutterpartei auch nach dem | |
Wechsel an der Spitze konfrontativ. Im Februar widersprach der | |
Parteinachwuchs etwa einem Zehn-Punkte-Papier von Kanzlerkandidat Robert | |
Habeck öffentlich mit einem eigenen Vorschlag [2][und kritisierte damit die | |
Migrationspolitik der Partei]. | |
Zuletzt sorgte Jette Nietzard, Vorsitzende der Grünen Jugend, für | |
Schlagzeilen, nachdem sie auf Instagram ein Bild eines Kleidungsstücks mit | |
der Aufschrift „ACAB“ (All Cops Are Bastards) gepostet hatte. [3][Dafür | |
erntete sie scharfe Kritik], auch von Exponent:innen der Mutterpartei. | |
## Vorbild Österreich | |
Der Fokus der Jungen Linken richtet sich derweil klar nach weiter links. | |
Die Organisation ist daran, Kooperationen mit anderen linken Gruppen | |
aufzubauen, zum Beispiel mit der Jugendorganisation der Kommunistischen | |
Partei Österreichs, die ebenfalls Junge Linke heißt und ihre Wurzeln in der | |
Parteijugend der österreichischen Grünen hat. Gemeinsam organisieren die | |
beiden Gruppen diesen Sommer politische Weiterbildungskurse. | |
Auch zur Linksjugend Solid besteht ein „solidarisches Verhältnis“, wie es | |
deren Bundessprecherin Kiara Welsch gegenüber der taz beschreibt. „Wir | |
begrüßen ihr konsequentes Handeln in Form des Parteiaustritts und | |
eigenständigen Organisierens“, sagt sie. Anfangs habe es Kritik am | |
ähnlichen Namen gegeben, doch durch die Absprache, mögliche Verwechslungen | |
direkt aufzuklären, sei dieses Problem ausgeräumt worden. Punktuelle | |
Kooperationen seien nun denkbar, so Welsch. | |
Auch Solid verzeichnet laut eigenen Angaben wachsenden Zulauf: Seit dem | |
vergangenen Jahr sei die Mitgliederzahl von 8.000 auf 13.000 gestiegen. Ein | |
weiteres Indiz dafür, dass sich in der jungen linken Politik derzeit | |
einiges in Bewegung setzt. | |
9 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Ex-Chefinnen-der-Gruenen-Jugend/!6044802 | |
[2] /Indirekte-Kritik-an-Habeck/!6067711 | |
[3] /ACAB-Debatte-der-Gruenen/!6090825 | |
## AUTOREN | |
Kai Vogt | |
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