| # taz.de -- Teilhabe von Frauen im Boxen: Vom Kampf der Kämpferinnen | |
| > Gern heißt es, Frauen hätten die Männerdomäne Boxen gestürmt. Doch sie | |
| > waren immer dabei und wurden nur zwischenzeitlich verdrängt. | |
| Bild: Pionierin im ernsthaften Frauenboxen: Regina Halmich | |
| Denken wir an die 1920er Jahre und dabei an boxende Frauen, dann fallen uns | |
| Schauspielerinnen wie [1][Marlene Dietrich oder Carola Neher] ein, die | |
| Schriftstellerin Vicky Baum, die Tänzerin und spätere Regisseurin Leni | |
| Riefenstahl. Sie alle gingen in das „Studio für Boxen und Leibeszucht“, das | |
| der Trainer und Ex-Boxer [2][Sabri Mahir], Künstler- und Kampfname „Der | |
| schreckliche Türke“, in Berlin-Charlottenburg betrieb. Gerade in der | |
| Rückschau auf die Bohème der [3][Weimarer Republik] ist gerne von | |
| Avantgarde die Rede: Mit Bubikopf und Boxhandschuh sei eine Männerdomäne | |
| gestürmt worden. Endlich. | |
| Doch die Vorstellung, dass hier ein männlicher öffentlicher Raum von Frauen | |
| besetzt wurde, stimmt so leider nicht: Frauen waren bei allen frühen Formen | |
| des Boxens dabei, immer. Doch sie wurden hinausgedrängt. Ins Varieté- oder | |
| Rummelboxen abgeschoben – oder ins gerade mal noch tolerierte Bearbeiten | |
| von Sandsack oder Boxbirne in Sabri Mahirs Studio. Wirkliche Teilhabe an | |
| diesem Sport namens Boxen haben Frauen bis heute noch nicht, aber immerhin, | |
| ab Mitte der 1990er Jahre gab es große Schritte dorthin. 1994 wurde in | |
| Hamburg [4][der erste offizielle Frauenamateurkampf] ausgetragen, Ende | |
| 1994 erlaubte der Weltverband Amateurboxen der Frauen, 1994 wurde | |
| [5][Regina Halmich] die erste Deutsche mit Profiboxlizenz. Endlich. | |
| In den 1970er und 80er Jahren hatte es „Box-Europameisterschaften“ und | |
| Ähnliches gegeben, die nur deswegen als inoffiziell gelten, weil | |
| Männerverbände sie nicht lizenzierten. In den 1950er und 60er Jahren musste | |
| Frauenboxen meist im Rotlichtmilieu stattfinden – seriösere | |
| Auftrittsmöglichkeiten waren Frauen, die boxen wollten, verwehrt. Nicht | |
| zuletzt, weil das Naziregime Frauenboxen verboten und verfolgt hatte. Das | |
| NS-Verbot wirkte sowohl in West- als auch in Ostdeutschland nach. Noch 1985 | |
| schüttelte sich das Neue Deutschland vor „so geschmacklosen Sportarten wie | |
| Damenboxen“. | |
| Baum, Neher und andere waren in den 1920er Jahren nicht die einzigen. 1922 | |
| forderten etwa die Kämpferinnen des Berliner Friedrichstadtpalasts | |
| Boxerinnen eines anderen Varietés heraus. Bei einem Strafprozess 1923 in | |
| Berlin, wie der Vorwärts vermeldete, erklärte eine Zeugin, sie sei | |
| Profiboxerin: „Ich kam von Hamburg und suchte in Berlin Engagement zum | |
| Damenboxen.“ Das Fachblatt Boxsport schrieb 1921 über einen Kampfabend: | |
| „Wenn Damenboxen überhaupt eine Berechtigung hat, dann sollte derartiges, | |
| ähnlich den Damenringkämpfen, in den Vorstadtvarietés stattfinden; dort ist | |
| der richtige Platz.“ | |
| ## Es gab nie die Männerdomäne | |
| Die Kölnische Zeitung schimpfte 1924 über „krasse Beispiele der Entartung | |
| und Entgleisung von an sich nützlichen Sportarten“, wozu das Damenboxen | |
| gezählt wurde. Und der Duisburger Generalanzeiger schrieb 1927 von | |
| „Kinderkrankheiten, die heutzutage überstanden sein sollten“ – gemeint | |
| waren Frauenfußball und Frauenboxen. Same story as usual: Frauen boxten, | |
| aber sie wurden als unseriös hinausgedrängt. | |
| Tatsächlich haben Frauen schon vor dem Ersten Weltkrieg geboxt. 1911 | |
| erschien das erste deutsche Lehrbuch, „Boxen. Ein Fechten mit Naturwaffen“ | |
| von Joe Edwards, eigentlich Paul Maschke. Dessen Beispielfotos zeigten | |
| kämpfende Frauen. Sie sind nicht das erste Zeugnis von Frauenboxen in | |
| Deutschland. Der Kölner General-Anzeiger berichtete 1894 von Übungen, mit | |
| denen „Damen ihre Freundschaft werden bethätigen wollen“, unter anderem | |
| Damenboxen. | |
| Es spricht viel für die Vermutung, dass es noch [6][früher auch schon | |
| boxende Frauen] gab. Eigentlich schon immer. Das heißt dann auch: Es gab | |
| nie die Männerdomäne, in die Frauen irgendwann eingedrungen wären, sondern | |
| es gab einen sich entwickelnden Boxsport, aus dem Frauen irgendwann | |
| hinausgedrängt wurden – und bis heute darum kämpfen, wieder hineinzukommen. | |
| 11 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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