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# taz.de -- Nachruf auf Klaus Eschen: Ein Widerständiger
> Klaus Eschen gründete 1969 das Sozialistische Anwaltskollektiv mit. Jetzt
> ist der Anwalt, Notar und Verfassungsrichter im Alter von 85 Jahren
> gestorben.
Bild: Klaus Eschen in der Fotoausstellung seines Vaters, Fritz Eschen (2011)
Berlin taz | Es passt ins Bild, dass sein Tod erst jetzt bekannt wurde.
Klaus Eschen war kein Mensch, der sich in den Vordergrund drängte, sich mit
seiner Lebensgeschichte oder beruflichen Leistungen brüstete. Der Jurist,
der 1969 mit Horst Mahler und Hans-Christian Ströbele das Sozialistische
Anwaltskollektiv gegründet hatte, war für seine Scharfzüngigkeit bekannt,
war keiner, der sich wegduckte. Am 30. Mai ist Eschen im Alter von 85
Jahren gestorben.
Es war 2022, als Eschen in einem Nachruf auf seinen verstorbenen
[1][Weggefährten Ströbele] ein spätes persönliches Geständnis abgelegt
hatte: Eigentlich habe er gar nicht vorgehabt, als Anwalt zu arbeiten. Nur
pro forma habe er sein Anwaltsschild seinerzeit bei Mahler mit aufgehängt.
„Ich arbeitete damals als Fotograf.“ Im Büro von Mahler, der inzwischen zum
Neonazi und Holocaustleugner mutiert ist, konzentrierte sich seinerzeit die
juristische Aufarbeitung der Studentenproteste. Als Reaktion auf das
Attentat auf Rudi Dutschke hatten diese 1968 zu den Osterunruhen geführt.
Hunderte von Verfahren gegen Studenten und Demonstranten standen an. Auch
die Polizeiübergriffe wurden in dem Büro dokumentiert. Mahler habe ihn
schließlich gebeten, ihn bei dieser „enormen Arbeit“ zu unterstützen,
erzählte Eschen. „Und ich bemerkte, dass ich meine ursprüngliche Aversion
gegen die noch Seimmer schwarz-braun getönte Justiz in Westberlin, die mich
hatte von ihr abtrünnig werden lassen, nun in eine professionelle
Gegnerschaft einbringen konnte.“
Das Sozialistische Anwaltskollektiv prägte ein vollkommen neues
Berufsverständnis. Das der Konfliktverteidigung. Ein Anwalt, der sich für
seinen Mandanten einsetzt, muss in den Konflikt mit Staatsanwaltschaft und
Gerichten gehen. Heute mag das wie eine Selbstverständlichkeit klingen,
damals war es das nicht. „Die Richter sahen das damals als feindlichen Akt,
weil wir die übliche Harmonie zwischen Anwälten und Gerichten störten“, so
Eschen.
## Dann kam der Deutsche Herbst
Das Kollektiv vergrößerte sich bald. Als Horst Mahler nach der Gründung der
RAF in den Untergrund ging, verlagerte sich die Arbeit des Kollektivs
zunehmend in die Verteidigung von Angehörigen der RAF und der Bewegung 2.
Juni. Ihre Verteidiger gerieten zunehmend unter politischen Druck, der
darin gipfelte, sie zum Teil als Komplizen zu kriminalisieren.
Dann kam der Deutsche Herbst. „In vollständiger Harmonie – ungewöhnlich f…
Juristen – beschlossen wir 1979, das Kollektiv aufzulösen“, so Eschen. Das
Sozialistische Anwaltskollektiv, so viel kann man sagen, war die Keimzelle
der nachfolgenden linken Anwaltsgenerationen. Nach dessen Auflösung war
Eschen weiter als Rechtsanwalt und später auch als Notar, auch in
Brandenburg, tätig. 1982 trat er in die SPD ein, [2][war Gründungsmitglied
des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV) und bis 1991 dessen
Vorsitzender].
Bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Berlin werkelt er im
Hintergrund mit, acht Jahre lang, bis 2000 bekleidete er das Amt eines
Richters am Berliner Verfassungsgerichtshof. [3][Auch in dieser Eigenschaft
war er stets für einen scharfzüngigen Kommentar zu haben]. Als Eschens
Amtszeit als Verfassungsrichter auslief und CDU und SPD der Linkspartei,
damals noch PDS, keinen Sitz am Landesverfassungsgerichtshof zugestehen
wollte, verurteilt er auch das scharf. [4][Die PDS auszugrenzen würde
bedeuten, das Wählervotum in Stimmen der ersten und zweiten Klasse zu
unterteilen].
Aus der SPD trat Eschen 2002 mit einem Knall aus. Er und vier andere
Mitglieder hatten zuvor in einem offenen Brief zur Wahl grünen
Direktkandidaten Christian Ströbele in Kreuzberg aufgerufen – statt zur
Wahl des dortigen SPD-Kandidaten. [5][Die Parteispitze drohte mit
Sanktionen bis hin zum Parteiausschluss]. „In so einer piefigen,
kleinkarierten Partei habe ich nichts mehr zu suchen“, erklärte Eschen.
## Der Vater war Fotojournalist
Im Alter von 70 Jahren gab er seine Anwaltszulassung zurück und widmete
sich wieder verstärkt der Fotografie. Er kehrte damit auch zu seinen
Wurzeln zurück. Sein Vater Fritz Eschen, ein Jude, war in Berlin ein
bekannter Fotojournalist. Dank seiner Frau Gertrude „Lipsy“ Thumm,
gebürtige Amerikanerin, hatte er die Nazizeit überlebt. Lipsy Eschen-Tumm
gehörte zu den Frauen, die 1943 in der Rosenstraße gegen die Inhaftierung
ihrer jüdischen Männer demonstrierten. Klaus Eschens Bruder und Halbbruder
überlebten die Nazizeit nicht.
2011 widmete Eschen seinem Vater eine Ausstellung mit einer Auswahl von
Nachkriegsfotografien mit dem Titel „Berlin unter dem Notdach“. [6][Im
Gespräch mit der taz gewährte der sonst so beherrscht auftretende Jurist
Einblick in seine Gefühle]. Als einziges überlebendes Kind sei er sehr
behütet aufgewachsen. „Ich durfte auch nicht Rad fahren.“ Der Vater habe
das nicht ausgehalten. „Das war seine Traumatisierung, die sich auf mein
Leben ausgewirkt hat.“ Deshalb habe er auch nicht zum Studium ins Ausland
gehen können.
Auf die Frage, ob er glaube, dass sein Vater stolz auf ihn gewesen wäre,
holte Eschen ein bisschen aus: Sein Onkel Hans habe mitbekommen „dass ich
in dem Frankfurter Kaufhausbrandprozess 1968 ohne Robe auftrat und deshalb
ein Verfahren kriegen sollte“. In einem empörten Brief habe ihn der Bruder
des seinerzeit bereits verstorbenen Fritz aufgefordert, das sofort in
Ordnung zu bringen, das sei eine Schande. „Aber ich glaube, mein Vater
hätte begriffen, was ich gemacht habe. Weil er im Grunde auch ein
Widerständiger, ein Außenseiter war.“
5 Jun 2025
## LINKS
[1] /Christian-Stroebele-ist-gestorben/!5878473
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[4] /Grosse-Koalition-verwehrt-PDS-Richtersitz/!1305724&s=Plutonia+Plarre+K…
[5] /Strieder-dezimiert-die-SPD/!1087329&s=Klaus+Eschen+SPD+str%C3%B6bele&a…
[6] /Montagsinterview-mit-Klaus-Eschen/!5119693
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Studentenbewegung
Rudi Dutschke
Schwerpunkt Christian Ströbele
Schwerpunkt Christian Ströbele
Bürgerrechte
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