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# taz.de -- Gerichtsreporterin Elif Akgül: Journalistin aus Haft in Türkei en…
> Die Journalistin Elif Akgül wurde in Istanbul aus der Haft entlassen.
> Ihre Anklageschrift offenbart die Inkompetenz der türkischen Justiz.
Bild: Mit viel Liebe begrüßt: Die Journalistin Elif Akgül steht kurz nach ih…
Die Metalltüren des Frauengefängnisses Bakırköy in Istanbul öffnen sich am
Montagnachmittag. Als die Journalistin Elif Akgül ihren Kopf herausstreckt,
stürmt eine Gruppe von Journalistinnen – ihre engsten Freundinnen – auf sie
zu, die Arme erhoben, tanzend vor Freude. Sie umarmen sie stürmisch, und
fast instinktiv beginnen sie, einen bekannten feministischen Slogan zu
skandieren. Denn diejenigen, die Elif über 100 Tage lang ihrer Freiheit
beraubten, waren Männer. „Wir haben keine Angst, wir schweigen nicht, wir
gehorchen nicht!“, rufen sie immer wieder vor Freude. Das kurze Video
online kann einen zum Weinen bringen.
Elif Akgül, Gerichtsreporterin, die in der Vergangenheit auch für die taz
schrieb, [1][wurde an einem frühen Februarmorgen in Istanbul verhaftet].
Ihr wird – [2][wie so oft in der Türkei] – die Mitgliedschaft in einer
Terrororganisation vorgeworfen. Die Beweislage gegen Akgül ist schwach. In
ihrer polizeilichen Vernehmung im Februar wurde sie nach einer Reihe von
Protesten, wie etwa am 1. Mai oder im Gezi-Park, befragt, an denen sie
zwischen 2012 und 2013 als Journalistin teilgenommen hatte. Über drei
Monate lang saß Elif Akgül im Gefängnis und wartete darauf, dass die
Staatsanwaltschaft Beweise zusammenträgt, um eine stichhaltige
Anklageschrift wegen Terrorismus gegen sie zu verfassen. Es war, gelinde
gesagt, eine Zeitverschwendung.
Die inzwischen veröffentlichte Anklageschrift, die der taz vorliegt, zeigt,
dass während ihrer gesamten Haftzeit keine einzige neue Information oder
kein einziger neuer Beweis gegen die Journalistin gesammelt wurde.
Dieselben Telefonmitschnitte, die schon bei der Verhaftung vorgelegt wurden
– in einem spricht Elif Akgül etwa mit ihrer Redakteurin beim unabhängigen
Online-Medium „bianet“ –, wurden schlichtweg kopiert.
Die Staatsanwälte machten sich so wenig Mühe, dass sogar eine andere Person
mit ähnlichem Namen, Elif Akgül Ateş, in den Akten auftaucht. Das Dokument
macht erneut deutlich, in welch traurigem Zustand sich die türkische Justiz
befindet: Eine unschuldige Person wird auf Anweisung verhaftet und Monate
später auf eine andere Anweisung hin wieder freigelassen, ohne dass das
Prozedere auch nur den Anschein rechtsstaatlicher Sorgfaltspflicht erweckt.
Genau darüber sprach Elif Akgül in ihrem ersten Interview vor dem Gefängnis
am Montag. Sie sagte, dass in ihrer Abteilung jede Frau hinter den Mauern
nur darauf warte, dass irgendeine Anordnung kommt; entweder zur Freilassung
oder um überhaupt zu erfahren, was ihr vorgeworfen wird: „Es gibt
[3][keinen Rechtsstaat in der Türkei]. Wir waren dort Geiseln. Unsere
Inhaftierung ebenso wie unsere Freilassung war Teil davon. Aber wir sind
noch nicht frei. Wir können nicht frei sein, solange die, die drinnen sind,
nicht auch frei sind.“
Elif Akgül ist auch deshalb nicht völlig frei, weil sie eine Ausreisesperre
erhalten hat. Sie darf die Türkei nicht verlassen. Auch ihr Prozess ist
noch nicht abgeschlossen. Die erste Anhörung wird Ende September
stattfinden. Doch das hält sie nicht davon ab, nach ihrer Freilassung ihre
Freund_innen zu treffen. Nach über hundert Tagen Inhaftierung saß Elif
Akgül am Abend der Freilassung auf einer Terrasse mit Blick auf die
Altstadt des Istanbuler Stadtteils Karaköy. Ihre Freunde hatten ihr Bier
und Pommes versprochen – und genau das gab es.
Am nächsten Morgen sagt Elif Akgül der taz, sie fühle sich „ein bisschen
benommen, aber glücklich“. Die internationale Solidarität habe sie
überrascht. Sie erhielt Briefe von Menschen, die sie nie zuvor kannte –
auch aus Deutschland. Diese Solidarität habe ihr viel Kraft gegeben. Sie
plant, zu antworten, sobald sie kann. Elif sagt, sie habe sich genug
ausgeruht. Jetzt sei es Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen. Sie wird
wieder Gerichte besuchen, um über andere zu berichten, die zu Unrecht
inhaftiert sind.
3 Jun 2025
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## AUTOREN
Ali Çelikkan
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