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# taz.de -- Post-Brexit Verhandlungen: Der Gipfel der Annäherung
> In London vereinbaren UK-Regierungschef Starmer und EU-Kommissionschefin
> von der Leyen bessere Zusammenarbeit. Es bleibt bei Absichtserklärungen.
Bild: Fürchten um ihre Existenz: Fischer im südenglischen Whitstable
London/Berlin taz | Das [1][Vereinigte Königreich] und die [2][Europäische
Union] haben eine engere Zusammenarbeit vereinbart und ihre gemeinsame
Absicht zu weiteren Übereinkommen bekundet. Zum Abschluss eines als
„historisch“ bezeichneten Gipfels in Lancaster House im Londoner
Regierungsviertel erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
vor der Presse: „In einer Zeit der globalen Instabilität und erhöhten
Gefahr halten wir in Europa zusammen“. [3][Keir Starmer] sprach vom
Eintritt in eine „neue Ära“, alle Beteiligten verkündeten eine „neue
strategische Partnerschaft“.
Die Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft bekräftigt neue
Möglichkeiten für die Rüstungsindustrie. „So schnell wie möglich“, sagte
Ursula von der Leyen, sollte die britische Beteiligung am gerade erst
beschlossenen gemeinsamen EU-Rüstungsbeschaffungsprogramm Safe (Security
Action für Europe) Wirklichkeit werden. Damit die britische
Rüstungsindustrie tatsächlich aus diesem Programm Aufträge erhalten kann,
müsste aber noch Weiteres wie der britische finanzielle Beitrag vereinbart
werden. Vor allem Frankreich hatte sich lange gegen eine britische
Teilnahme gesperrt.
Besser wird man auf alle Fälle in Fragen der Marinesicherheit
zusammenarbeiten, womöglich aufgrund von Russland zugeschriebenen
Sabotageaktionen, sowie im Katastrophenschutz und in der
Pandemiebekämpfung. Kern der gemeinsamen Erklärung „Common Understanding“
ist ein angestrebtes Abkommen über gesundheitspolizeiliche und
pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, kurz SPS-Abkommen, das den
reibungslosen Handel mit tierischen und pflanzlichen Produkten ermöglichen
soll.
Indem Großbritannien sich in diesen Bereichen an geltende und zukünftige
EU-Regeln hält, entfallen umfangreiche Kontroll- und Nachweispflichten und
der Zugang britischer Lebensmittel zu EU-Märkten wird vereinfacht, betonte
Starmer. Vorgesehen ist, dass das britische Parlament neue EU-Regelwerke
auch ablehnen kann, was dann allerdings ein Ende dieses Abkommens bedeuten
könnte.
Die Details hierzu, wie zu allen anderen Themen, sind noch auszuhandeln –
trotzdem spricht die rechte Opposition schon von „Ausverkauf“ und
„Unterwerfung“. Denn als Gegenleistung für ein unbefristetes SPS-Abkommen
macht Großbritannien ein weitreichendes Zugeständnis: EU-Fangflotten
behalten bis 2038 ihre zuletzt geltenden Fischereirechte in Großbritanniens
Territorialgewässern, die jetzt 75 Prozent der vor dem Brexit geltenden
Fangquoten ausmachen. Der schottische Fischereiverband nennt das
katastrophal, die Konservativen unter Kemi Badenoch und Reform UK unter
Nigel Farage schäumen. Starmer rechtfertigte es mit dem Hinweis, für
britische Fischer sei ein SPS-Abkommen überlebenswichtig, da Großbritannien
70 Prozent seiner Meeresprodukte in die EU verkauft.
An der Frage der Fischrechte wäre laut Presseberichten fast alles geplatzt.
Erst am Montag früh machte Starmer das Zugeständnis eines Weiterlaufens
über zwölf Jahre, um das Thema vom Tisch zu bekommen; die bisher gebotenen
höchstens vier Jahre waren für die EU-Seite nicht ausreichend gewesen.
Starmer sagte, das Übereinkommen gehe über Handel hinaus, indem es auch
etwa Energiesicherheit, Grenzsicherheit, Reisemöglichkeiten für junge
Menschen und Datenaustausch miteinbeziehe. Doch in vielen Punkten sind die
Vereinbarungen überraschend unverbindlich. Die meisten Dinge sind weder
beschlossen noch steht fest, wie und wann sie beschlossen werden, sondern
es heißt lediglich, dass bestimmte Ziele erreicht werden „sollten“ und dass
man zu bestimmten Themen „gemeinsame Interessen“ und „gleiche Ansichten“
habe. Ansonsten will man „Austausch fortsetzen“, „Chancen ausloten“,
„Schwierigkeiten prüfen“, „Entwicklungen ermutigen“ oder „Vereinbaru…
vorschlagen“.
## Von einer „Road Map“ ist die Rede
Der portugiesische EU-Ratspräsident Antonio Costa gab an, diese
Vereinbarungen seien die ersten von vielen. Von der Leyen spricht von einer
„Road Map“, aber Zeitpläne enthalten die Texte nicht. So ist vieles, was
als beschlossen dargestellt wird – dass britische Urlauber in Zukunft bei
der Einreise in die EU an Flughäfen E-Gates benutzen dürfen, oder die
Rückkehr Großbritanniens ins EU-Hochschulprogramm Erasmus – lediglich eine
Absichtserklärung. Angestrebt wird auch eine verbesserte polizeiliche
Zusammenarbeit, etwa in der Bekämpfung der illegalen Migration.
Starmer hofft, dass ein neuer Ton die Dinge voranbringt. Es sei an der
Zeit, von den alten Debatten Abstand zu nehmen und nach vorne zu schauen,
sagte er. Doch damit scheint er bei der Opposition auf taube Ohren gestoßen
zu sein, und in seiner Partei steht er vor großen Herausforderungen. Manche
Labour-Politiker fürchten eine weitere Stärkung der EU-Gegner bei Reform
UK. Und es bahnt sich eine massive parteiinterne Revolte gegen die von der
Regierung beschlossenen Sozialkürzungen an.
19 May 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
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