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# taz.de -- Alternative zu Penetration beim Sex: Ärmel hoch und ab ins Pussy-B…
> Die Circlusion sollte einst den Hetero-Sex revolutionieren. Neun Jahre
> danach ficken wir immer noch wie zuvor. Ein paar Vorschläge.
Bild: Vielschichtige Angelegenheit: Vulva und Vagina sollten von innen wie auß…
Von Beziehung bis Waschmaschine – praktisch nichts hält zehn Jahre in
unserer Zeit, aber [1][Bini Adamczaks Artikel über Circlusion], vor neun
Jahren im Missy Magazine und in Analyse & Kritik erschienen, ist mir so
gegenwärtig, als wäre er von letzter Woche. Bini Adamczak hat darin das
Wort Circlusion kreiert, das ein anderes Wort, Penetration nämlich,
ergänzen soll.
„Das Wort Circlusion […] ermöglicht uns, über manchen Sex anders zu
sprechen“, schrieb sie, und ich jubelte, ja, ja, ja, genau, über den
zwischen Cis-Heteros, das wird aber auch Zeit. „Es wird benötigt, weil das
Elend der Penetration noch immer das heteronormative Imaginäre regiert“,
führte sie weiter aus. „Fast unangefochten fungieren Dildo oder Penis als
praktische Zeichen von Macht.“
Wenn wir also nicht mehr nur davon sprechen, dass der Penis eindringt,
sondern sagen, die Vagina circludiert ihn, hebeln wir mit Eleganz
hartleibige patriarchale Muster aus. Yeah!
Aber Moment mal, Bini Adamczaks Artikel und das Wort Circlusion haben
Anfang nächsten Jahres zehnjähriges Jubiläum. Wie weit sind wir denn mit
der Circludiererei gekommen? Mir bleibt das Yeah in der Kehle stecken. Mein
Eindruck nämlich: Das Wort Circlusion hat sich nicht durchgesetzt, und der
reale Hetero-Sex ist peniszentriert und funktioniert in seiner Struktur und
Zielsetzung, als hätten wir 1955 und nicht 2025.
Verdammt, das mit der Revolution hat nicht geklappt. Warum hat das Wort
nicht gezündet? Bini Adamczak ahnte es vielleicht selbst schon in ihrem
Artikel: „Die Bedeutung eines Zeichens [entsteht] erst in der Verwendung“.
Um sie auszuhebeln, reicht es also nicht, über Machtstrukturen im Bett zu
reden. Damit das letztlich klappt, müssen wir (vor allem wir
Hetero-Cis-Leute) konkret miteinander ficken. Und zwar anders, als wir das
bisher getan haben.
Dass wir immer noch diese Nachkriegschoreografie von Vorspiel, Akt,
Nachspiel absolvieren, der Sex peniszentriert ist und wir einen [2][Orgasm
Gap so tief wie der Marianengraben] haben, ist nicht so sehr das Problem
der Männer, weshalb sie kaum zur Tat schreiten und hieran etwas ändern
werden. Dass derjenige, der die Macht hat, keinen Anlass sieht, sie
abzugeben, ist eine Binsenweisheit. Erschwerend kommt hinzu, dass viele
Männer den Vorwurf von sich weisen würden, im Bett die Chefs zu sein, im
Gegenteil: Viele von ihnen empfinden den Sex als gleichberechtigt. Frauen
empfinden ihn aus Bequemlichkeit gleich mal genauso.
Ja, klar, rumliegen und penetriert werden, ist gemütlicher, als sich
aufzurichten (buchstäblich und metaphorisch) und eine Stunde lang zu
circludieren. Da käme frau aber ziemlich ins Schwitzen und würde merken,
dass sie weder ihren Beckenboden noch ihre Vagina trainiert hat. Wie jetzt?
Vagina trainieren auch noch? Geht es hier wieder um Selbstoptimierung? Nee,
es geht um Selbstermächtigung.
Dass der G-Punkt nach wie vor umstritten ist, obwohl er nicht tief in der
Tiefsee liegt, sondern in der Vagina, hat auch damit zu tun, dass Frauen
immer noch schamvoll sind in Bezug auf ihre Genitalien. Beim Masturbieren,
5,5 Minuten lang im Schnitt, bespielen sie fast ausschließlich ihre
Klitorisperle. Die Vagina wird nicht einbezogen, weshalb sie bei der
Mehrheit der Frauen weitgehend gefühllos ist und auch der G-Punkt nicht
gespürt werden kann. Daher die auf Umfragen basierende Forschungsmeinung,
es gäbe ihn nicht.
Wie das Wort G-Punkt erst dann Wirkmacht haben wird, wenn Frauen die
konkrete Stelle in ihrer Vagina erfahren, kann das Wort Circlusion erst
dann patriarchale Strukturen aufbrechen, wenn Frauen beim Sex die passive
Rolle ablegen und sich entscheiden, Penisse zu nehmen. Und das geht nun mal
nicht mit einer Vagina, die ein gefühlloser Schlauch ist.
Also Ärmel hochkrempeln und ab ins Pussy-Bergwerk. Reinschauen, reinfassen,
entpanzern, auf du und du sein, mit dem eigenen Schoßraum ist die Devise,
die ich ausgebe, damit wir Anfang 2026 lustvoll cirkludierend das
Zehnjährige von Bini Adamczaks wegweisendem Artikel begehen können. Das
wird knapp, aber wenn wir uns jetzt committen, können wir es noch schaffen.
Wie kann das konkret aussehen? Zunächst mal müssen wir anders masturbieren,
eine halbe Stunde lang statt 5,5 Minuten. Erst die Vulva und die Klitoris
bespielen und dann den Innenraum in Kreisen und von hinten nach vorne
drücken und massieren (Gleitgel oder Kokosöl nicht vergessen). Die ersten
vielen Male werdet ihr dabei nicht viel fühlen oder sogar unangenehme
Empfindungen haben. Aber Durchhalten lohnt sich. Irgendwann kennt ihr von G
bis U das Lustpunkt-Alphabet eurer Vagina und könnt damit beim Sex ganz
neue Wörter formulieren. Circlusion zum Beispiel, weil eine fühlende Vagina
Bock darauf hat, sich einen Penis einzuverleiben, und zwar vielleicht genau
so, dass er ihre Lustpunkte trifft und massiert.
## Pulsierendes, lebendiges Organ
So eine Vagina ist keinesfalls mehr die Scheide für das Schwert des Mannes,
sondern ein pulsierendes, lebendiges Organ. Patriarchale Strukturen im
gemeinschaftlichen Machen auflösen – irre. Auch die Typen werden das
nämlich genießen, wenn sie es erst einmal kennen – nicht mehr ackern und
rackern und an der Klitoris schrauben zu müssen, sondern ein Gegenüber zu
haben, das sich zuverlässig nimmt, was es braucht.
Apropos braucht: Die vaginale Lust hat anders als die klitorale mit
Entspannung zu tun, statt mit Anspannung, das heißt, Tönen und tiefer Atem
sind Key für Ganzkörperorgasmen. Damit die [3][sexuelle Begegnung] ein
bisschen dauert, sollte frau vielleicht noch Hüfte und Beckenboden
trainieren, aber das sollte mensch ja eh im Zuge der
Ganzkörperertüchtigung.
Was ich also sagen will: Das Wort Circlusion ist nichts wert, wenn wir es
nicht mit Leben füllen, indem wir radikal Verantwortung für unsere Lust
übernehmen. Erstens über eine sinnvolle Masturbationspraxis und zweitens
darüber, dass wir beim Zweiersex die passive Rolle ablegen und lustvoll
circludieren – und damit auch den Mann aus der Verpflichtung entlassen, zu
penetrieren und zu delivern.
16 May 2025
## LINKS
[1] https://missy-magazine.de/blog/2016/03/08/come-on/
[2] /Unzufriedenheit-beim-Sex/!5929952
[3] /Feministischer-Sex/!6066009
## AUTOREN
Susann Rehlein
## TAGS
Feminismus
Hetero
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Sex
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Stillen
Klitoris
Orgasmus
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