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# taz.de -- Verfilmung von Graphic Novel „Eternauta“: Toxischer Schnee
> Mit „Eternauta“ belebt Netflix Argentiniens berühmte Sci-Fi-Story neu,
> die als Allegorie auf den Militärputsch gilt – düster, spannend,
> politisch.
Bild: Szene aus der Netflix-Verfilmung von „Eternauta“
Als an einem Sommerabend in [1][Buenos Aires] plötzlich dichter Schnee
fällt und Blitze über den Himmel zucken, wundern sich vier Freunde, die
Karten spielen. Was ist da los? Laute Schläge sind zu hören, der Strom
fällt aus und draußen auf der Straße liegen Leichen. Etwas Schreckliches
ist im Gang.
In der von Netflix verfilmten legendären Graphic Novel „Eternauta“ (1959)
von Hector German Oesterheld, einem der populärsten Bücher im
literaturreichen Argentinien, wird Buenos Aires von Außerirdischen
angegriffen.
Eine Gruppe Freunde versucht, sich dagegen zu wehren, ohne erst zu wissen,
was geschieht. Was im zeitgenössischen [2][Science-Fiction]-Film
üblicherweise als bellizistisches Geballer inszeniert würde, wird hier als
langsame und eindringliche Erzählung in sechs Episoden umgesetzt.
[3][Netflix traut sich] einmal mehr an einen bedeutenden literarischen
Stoff aus Lateinamerika heran. Der Schnee, so stellt sich heraus, ist
toxischer Fallout, der bald die von Leichen gesäumte Hauptstadt überzieht.
Einer der vier Freunde, Juan Salvo (Ricardo Darin), macht sich mit einem
Gewehr bewaffnet und einer Gasmaske über dem Kopf auf den Weg durch die
apokalyptische Metropole und sucht nach Antworten.
Die Graphic Novel von Hector German Oesterheld (Text) und Francisco Solano
Lopez (Grafik) erschien zwischen 1957 und 1959. Die Alien-Invasion und die
Gegenwehr der Bewohner gilt als prophetische Allegorie auf den
faschistischen Putsch der argentinischen Militärjunta in den 1970er Jahren.
Das liegt auch daran, dass Oesterheld, ebenso wie seine vier Töchter als
Mitglieder der Montoneros in den bewaffneten Untergrund gegen die Diktatur
gingen. Sie wurden alle fünf verschleppt und wahrscheinlich gefoltert und
ermordet.
Oesterhelds Witwe Elsa Sanchez wurde zu einer der bekanntesten Figuren der
Madres de Plaza de Mayo, die für die während der Diktatur Verschwundenen
auf die Straße gingen.
## Unfreiwillig ikonisch
In der Fiktion ist der alles Leben auslöschende Feind eine Alien-Spezies,
die erst mittels mörderischer Technologie fast alle Bewohner tötet und
Monster auf die restliche Bevölkerung loslässt. Das wird in der Serie mit
viel Spannung und Gruselfaktor inszeniert, während Salvo als
ikonografischer Held schließlich ein Raumschiff der Aliens kapert und eine
Zeitreise macht.
Die Serie ist nicht wie das Original in den frühen 1960ern, sondern in der
Gegenwart angesiedelt und zeigt ein von Sozialprotestern geprägtes Buenos
Aires. Ihren Fokus hat sie ebenso wie die Graphic Novel auf den
zwischenmenschlichen Dramen angesichts einer alles infrage stellenden
Katastrophe, in der jeder gegen jeden kämpft. Doch es auch darum,
Solidarität herzustellen.
In Argentinien ist die Eternauta-Figur fester Bestandteil der Popkultur,
wird als linke Ikone gelesen. 2010 wurde sie sogar im Wahlkampf von Nestor
Kirchner verwendet, der sich auf einem Plakat zum „Nestornauta“
stilisierte, was kritisiert wurde. Im Prolog der Ausgabe von 1976, bevor
Oesterheld in den Untergrund ging, vermerkt er: „Der wahre Held (…) ist ein
kollektiver Held, eine Gruppe von Menschen.
Ohne dass es meine Intention gewesen wäre, spiegelt er meine tiefe
Überzeugung wider, dass der einzig zulässige Held der Gruppenheld ist.“
In Argentinien sind der Eternauta und die Idee des „kollektiven Helden“
sogar Schulstoff. Auf Deutsch erschien die lesenswerte Graphic Novel
erstmals vor zehn Jahren. Nun gibt es sie als sehenswerte Netflix-Serie.
30 Apr 2025
## LINKS
[1] /Papstgedenken-in-Buenos-Aires/!6084912
[2] /SciFi-Serie-Pantheon/!6061834
[3] /Reaktion-auf-Netflix-Serie/!6077694
## AUTOREN
Florian Schmid
## TAGS
Netflix
Dystopie
Argentinien
Militärdiktatur
Black Mirror
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