| # taz.de -- Rassistischer Anschlag von Hanau: Terror-Betroffene reicht Beschwer… | |
| > Emis Gürbüz, die Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz, reicht Beschwerde | |
| > ein: Die Koalition hatte ihren Staatsbürgerschaftsantrag öffentlich | |
| > gemacht. | |
| Bild: Emis Gürbüz, Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz, spricht auf der Gede… | |
| Hanau taz | „Wer Achtung und Respekt einfordert, muss auch mit Achtung und | |
| Respekt agieren.“ So lautete der Titel einer Pressemitteilung der Hanauer | |
| kommunalen Koalition aus SPD, CDU und FDP, veröffentlicht wenige Tage nach | |
| der offiziellen Gedenkveranstaltung zum fünften Jahrestag des rassistischen | |
| Anschlags vom 19. Februar 2020. Die Erklärung richtete sich gegen Emis | |
| Gürbüz, die Mutter des damals ermordete Sedat Gürbüz, und sorgte bundesweit | |
| für Empörung. | |
| Gürbüz hatte bei der Gedenkveranstaltung die Stadt Hanau kritisiert: Die | |
| trage „die Verantwortung für den 19. Februar 2020“ und sei „schuldig“.… | |
| Koalition hatte daraufhin öffentlich infrage gestellt, warum Gürbüz „bei | |
| einer derartigen Gefühlslage die deutsche Staatsbürgerschaft“ beantrage. | |
| Nun hat Emis Gürbüz eine dienstliche Beschwerde beim hessischen | |
| Datenschutzbeauftragten eingereicht – wegen mutmaßlicher | |
| Datenschutzverletzungen. Dies bestätigte die Behörde der taz. | |
| „Die Staatsbürgerschaft ist meine private Angelegenheit, das geht sie | |
| nichts an. Ich verstehe nicht, warum sie das zum Thema gemacht haben“, | |
| sagte Gürbüz der taz. Es sei ihr Recht, den Antrag auf Einbürgerung zu | |
| stellen. Der 19. Februar sei für sie ohnehin „der schmerzlichste Tag“ und | |
| Februar für sie „der schmerzlichste Monat“. Die Koalition habe sie | |
| angegriffen, „weil sie sonst keine Antwort hatten“. | |
| ## Woher wusste die Koalition vom Antrag? | |
| Doch woher wusste die Hanauer Koalition von Gürbüz’ Antrag? Und warum wurde | |
| diese private Angelegenheit öffentlich thematisiert? Eine entsprechende | |
| Anfrage der taz ließ die Koalition aus FDP, CDU und SPD bis heute | |
| unbeantwortet. Wie die Politiker*innen der Hanauer Koalitionsparteien | |
| an die Information über Gürbüz’ Einbürgerungsantrag gekommen sind, ist | |
| bislang unklar. | |
| Nach taz-Informationen hatte Gürbüz den Antrag in Dietzenbach gestellt, | |
| zuständig für die Bearbeitung ist das Regierungspräsidium Darmstadt. An | |
| Verfahren dieser Art seien standardmäßig mehrere Behörden beteiligt, teilte | |
| das Regierungspräsidium mit. „Es gab über diesen Vorgang seitens unserer | |
| Behörde keine Kommunikation, weder intern noch extern“, so eine Sprecherin | |
| der Stadt Dietzenbach. | |
| Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) hatte zuletzt das | |
| Vorgehen der Koalition scharf kritisiert: Es sei „Ausdruck eines | |
| autoritären Staatsverständnisses, wenn die Koalition in Hanau im Gegenzug | |
| zu einem Einbürgerungsantrag offensichtlich bedingungslose Loyalität zu | |
| staatlichem Handeln einfordert und dies auch noch öffentlich macht.“ Das | |
| sei nicht nur respektlos, sondern auch eine Verletzung von | |
| Persönlichkeitsrechten. | |
| ## Wenig Vorsicht mit sensiblen Daten | |
| Zu einem ähnlichen Umgang mit sensiblen Daten in Hanau kam es bereits | |
| Anfang Februar. Die Stadt Hanau hatte ungefragt drei taz-Journalist*innen | |
| einen privaten Brief der Familie Kurtović an den Oberbürgermeister | |
| weitergeleitet – inklusive E-Mail-Adresse, Telefonnummer und Wohnanschrift | |
| von Armin Kurtović, dem Vater eines der Opfer. | |
| Die Stadt erklärte auf Nachfrage, ihr Sprecher sei bei der Weiterleitung | |
| des Schreibens davon ausgegangen, „dass das Schreiben bereits den Medien | |
| von ihm selbst zur Verfügung gestellt wurde, da wir diesbezüglich bereits | |
| Presseanfragen hatten, sodass die Daten von Herrn Kurtović bereits bekannt | |
| waren“. Nur vor diesem Hintergrund habe man das Schreiben mitsamt | |
| Kontaktdaten zur Verfügung gestellt. Im Übrigen habe man den Familien | |
| angeboten, eine Auskunftssperre im Melderegister zu veranlassen. „Das sind | |
| private Informationen, das dürfen die nicht“, so Armin Kurtović. „Sie | |
| machen aber alles, wie sie wollen.“ | |
| Die Hanauer Koalition hatte in ihrer Pressemitteilung Gürbüz unter anderem | |
| [1][vorgeworfen], das Gedenken „zur politischen Agitation genutzt“ zu | |
| haben. „Bei allem Verständnis für die Trauer“, so der Vorsitzende der | |
| FDP-Fraktion, Henrik Statz, fordere er „Respekt und Achtung gegenüber Bund, | |
| Land, Stadt sowie den anderen Opferfamilien“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende | |
| Pascal Reddig warf Gürbüz vor, sie habe die Gedenkveranstaltung genutzt, um | |
| „rückwärtsgewandt zu spalten und die schreckliche Tat zu | |
| instrumentalisieren“. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Ute Schwarzenberger | |
| erklärte, sie wünsche „Frau Gürbüz die Kraft, ihren Hass zu überwinden, … | |
| sich künftig respektvoll zu äußern.“ | |
| ## Solidarität mit Gürbüz | |
| Ende Februar [2][forderten 222 Kulturschaffende], darunter die Autorinnen | |
| Fatma Aydemir, Asal Dardan sowie der Autor Max Czollek, eine Entschuldigung | |
| der Hanauer Rathaus-Koalition. In einem offenen Brief bezeichneten sie | |
| deren Worte und Haltung gegenüber Emis Gürbüz als „beschämend, erschütte… | |
| und inakzeptabel“. Die Familien der Opfer seien keine Statist*innen, die | |
| „ihnen Versöhnlichkeit oder gar eine handzahme PR für Ihre Stadt schulden�… | |
| heißt es weiter. Auch diesen Brief ließ die Hanauer Koalition nach | |
| taz-Informationen unbeantwortet. | |
| Am 23. Februar hatte die Hanauer SPD über ihre Social-Media-Kanäle | |
| mitgeteilt, dass eine „ausführliche Erklärung“ zu der Kritik „in den | |
| kommenden Tagen“ folgen werde. Diese steht bis heute aus. In einer | |
| Stellungnahme Ende Februar stellte sich der Hanauer Oberbürgermeister | |
| hinter die Hanauer Koalition. | |
| Er betonte, seit dem ersten Tag im Gespräch und in Kontakt mit den | |
| Angehörigen der Opfer zu stehen und ihren Schmerz und ihre Trauer miterlebt | |
| zu haben. „Die Gefühle und Meinungen von Bürgerinnen und Bürgern müssen in | |
| eine Balance mit den zum Teil verletzenden Vorwürfen der Angehörigen | |
| gegenüber der Stadtgesellschaft gebracht werden“, erklärte er. Manche | |
| Aussagen würden diese Aufgabe zusätzlich erschweren. | |
| 11 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Yağmur Ekim Çay | |
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