# taz.de -- Digitalisierung im Gesundheitswesen: Die Daten lassen sich missbrau… | |
> Die elektronische Patientenakte ist wie ein alter Schokohase: gut | |
> gemeint, aber nicht undingt zuträglich für die Gesundheit. | |
Bild: Elektronische Patientenakte: Daten könnten auch missbraucht werden | |
Kürzlich fragte mich eine Klinikärztin, mit der ich mich zufällig darüber | |
unterhielt, wie das eigentlich gehen soll mit der [1][elektronischen | |
Patientenakte (ePA)]: Sollte sie die Unterlagen selbst hochladen, so | |
zwischen Früh-, Spät- und Nachtschicht? Oder die Patient:innen | |
entsprechend kürzer behandeln, um Zeit zu haben für den neuen digitalen | |
Zusatzjob? | |
Es waren ihre Gegenfragen auf meinen vorsichtigen Versuch anzumerken, dass | |
die ePA, die nun bundesweit startet, vielleicht auch [2][Vorteile haben | |
könne, gerade für Menschen mit komplexen Krankheitsbildern]. Und dieser | |
Versuch war mir daher gleich entsetzlich peinlich. Denn ich hatte das | |
Wichtigste nicht mitbedacht: die Realität. Denn vielleicht gibt es einen | |
Grund, dass die Zahl der Menschen, die die ePA nutzen, bis zu diesem Jahr | |
im einstelligen Prozentbereich lag. Schließlich hätte man sich in der | |
Vergangenheit bewusst dafür entscheiden müssen und Vorteile sehen. Dass es | |
diese geben wird, ist bislang nur eine Hoffnung. Die Krankenkassen hoffen | |
darauf, Doppeluntersuchungen zu sparen, die Industrie freut sich auf | |
haufenweise Forschungsdaten. | |
Dass nun, wo widersprechen muss, wer die ePA nicht haben will, die | |
Nutzungszahlen hochgehen, ist logisch: Verkauft jemand abgelaufene | |
Schokoladenosterhasen, bleiben sie Ladenhüter. Verschenkt jemand die | |
Schokotierchen, werden die meisten doch zugreifen. Das Prinzip ist das | |
gleiche wie bei der ePA: vielleicht gut gemeint, aber der eigenen | |
Gesundheit nicht unbedingt zuträglich. Dagegen spricht zum Beispiel, dass | |
auch im Gesundheitssystem Menschen Diskriminierung erfahren. Dass Schmerzen | |
bei einem Patienten mit Psychotherapiegeschichte natürlich psychosomatisch | |
sind, dass einer HIV-positiven Patientin die Behandlung verweigert wird, | |
das ist Alltag. | |
Es gibt also genug Patient:innen, die ein Interesse daran haben, sehr genau | |
zu steuern, welche:r Ärzt:in was über sie weiß. Das erlaubt die ePA aber | |
nur ansatzweise. Dazu kommt: Es ist durchaus möglich, dass Unbefugte sich | |
Zugang zu medizinischen Daten von Patient:innen verschaffen. [3][Gerade | |
wurde eine neue Lücke bekannt], angeblich soll sie bereits geschlossen | |
sein. | |
Wie sich Gesundheitsdaten missbrauchen lassen, zeigt etwa ein Fall aus | |
Finnland: Ein Angreifer hackte die Patientendatenbank eines | |
Psychotherapieunternehmens und kopierte Diagnosen und Therapieprotokolle | |
von 33.000 Menschen. Er erpresste das Unternehmen und, als das nicht | |
zahlte, die Patient:innen – nur um zum Schluss doch die Daten zu | |
veröffentlichen. Der Täter wurde verurteilt, aber der Schaden ist da. | |
Wer will, dass möglichst viele Menschen die ePA aus Überzeugung nutzen, | |
braucht ein gutes Produkt: einfach, für alle bedienbar und zugänglich. Ein | |
Produkt, das alle Menschen verwenden können, ohne befürchten zu müssen, | |
dass ihre Daten in falsche Hände geraten. Ein Produkt, das merkbar Vorteile | |
bringt – und nicht den Anschein macht, vor allem als Datensammelschatz für | |
Wissenschaft und Industrie konzipiert zu sein. Schon klar, das ist viel | |
verlangt. Aber es geht hier ja um Gesundheit. Oder etwa nicht? | |
2 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Digitale-Patientenakte/!6034671 | |
[2] /Elektronische-Patientenakte-kommt-2025/!6054036 | |
[3] https://www.spiegel.de/politik/elektronische-patientenakte-lauterbach-besta… | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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