# taz.de -- Die Freude am Brot: Ein dreifaches Halleluja auf das einfache Kohle… | |
> Natürlich darf es auch Körnerbrot sein. Aber ob Ciabatta, Baguette oder | |
> Fladenbrot: erst beim Weißbrot, weiß unser Kolumnist, winkt das wahre | |
> Glück. | |
Bild: Weißbrot, ein Kulturgut | |
Ohne Moos nix los, ohne Brot schon gar nicht. Gemessen an seiner | |
Unentbehrlichkeit wird Brot sprachlich geradezu vernachlässigt. Schnell ist | |
jemand „dumm wie Brot“, noch dümmer in Scheiben geschnitten. „Brot, Bett | |
und Seife“ kommen derzeit als inhumane Drohung daher, in den | |
rechtsdrehenden Teilen unserer Gesellschaft als willkommener Pushback. | |
„Brot und Spiele“ sind nach knapp zwei Jahrtausenden unverändert das | |
grünste Evergreen der Mächtigen. Die Leute werden mit wirkungsvollen | |
Ablenkungen bei Laune gehalten, während „die da oben“ hinter den Kulissen | |
den Lauf der Dinge in ihrem Sinne entscheiden. | |
„Jemandem die Butter vom Brot nehmen“ meint es zweifelsfrei nicht gut mit | |
der Teigware. Es unterstellt ihrem Solospiel Fadheit und kulinarische | |
Tristesse. Angeblich komme mit der Butter das Beste dieser schlichten, aber | |
schmackhaften Komposition abhanden. Dabei ist es genau andersrum! Was will | |
man denn bitteschön mit dem tierischen Fett allein? Brot ohne Butter indes | |
geht jederzeit! Schmiert sie euch doch einfach ins fettige Haar, ihr Loser! | |
Bei „Bread & Butter“, der einst gefeierten Berliner Modemesse, befanden | |
sich beide auf semantischer Augenhöhe. Der Anblick der untergewichtigen | |
Modells offenbarte jedoch eine gravierende Lüge, der Name war nie Programm. | |
Uns bleibt die „brotlose Kunst“, unter den Redewendungen die bedächtigste | |
Variante. Sie steht für eine respektvolle Perspektive aufs Brot. Schade nur | |
für die Kunst selbst. Aber frei nach Peer Steinbrück ist Brot eben die | |
„Grundlage als Voraussetzung für eine solide Basis“. | |
Einfacher gesagt – ein Lebensmittel. | |
Auch in Berlin geht Brot weg wie warme Semmeln. Wegen ihrer | |
Bedeutungslosigkeit in hiesigen Gefilden sage ich's mal regional | |
verträglicher: In Berlin geht Brot weg wie warme Pitas. Und warme Pitas | |
gehen weg wie geschnitten Brot. Im süddeutsch besetzten Teil Pankows | |
meinetwegen auch wie warme Weckle. | |
## Weißbrot ist ganz schön locker und lässig | |
Überhaupt – Weißbrot! Nicht als identitätspolitische Beleidigung, sondern | |
das zu Unrecht in Verruf geratene Kulturgut. Ob Ciabatta, Schrippen, | |
Baguette oder Fladenbrot, kein noch so leckeres und gesundes | |
Vollkornereignis kann es mit dem geschmeidigen Liebestanz ihrer Krume und | |
Kruste aufnehmen. Falls Sie es noch nicht wussten, Weißbrot ist ganz schön | |
locker und lässig. Es hat nämlich Swag! Genauso [1][wie einer der | |
berühmtesten Söhne Berlins: Pita Fox]. | |
Gewiss, in der Stadt mit der bundesweit vermutlich höchsten Dichte an | |
Menschen, [2][die sich im Biomarkt achtsam] auf der Yogamatte ernähren, ist | |
das ein Sakrileg höchster Tragweite. Schuld daran ist die wiederum recht | |
niedrige Dichte der chemischen Verbindungen im Weißbrot. | |
Einfache Kohlenhydrate sind oft verpönt, dabei könnten sie eigentlich ein | |
Vorbild sein. | |
Dem low carb entsprechend hätte ich jedenfalls kein Problem mit wenig | |
Ballast in meinem Leben. Die Verhältnisse müssen wieder ins Lot gebracht | |
werden, bei mir allemal. Ich will sie vom Kopf auf die Füße stellen. Das | |
kann nur eines bedeuten: mehr Ballaststoffe im Brot, weniger im Leben! | |
Daher gibt es morgens für mich nur noch „Das Pure“, ein Vollkornbrot, das | |
vollständig ohne Mehl und Hefe auskommt. Körner, die ihre Hüllen nicht | |
fallenlassen, sind langfristig bekömmlicher und nahrhafter, eine Binse. | |
Aber, bei allem glutenverdammten Teig! So ein gutes Stück Ciabattabrot mit | |
knuspriger Kruste durchs Olivenöl ziehen? Oder einen Fetzen Fladenbrot in | |
die Mercimek tunken, eine türkische Linsensuppe, und ihn anschließend | |
genüsslich mit den Zähnen vom Rest reißen? Kann denn Krümeln Sünde sein? | |
Ein dreifaches Halleluja auf das einfache Kohlenhydrat! | |
Und weil man es in diesen Zeiten nicht oft genug sagen kann: Brot für die | |
Welt! | |
6 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Bobby Rafiq | |
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