# taz.de -- Proteste in der Türkei: Einkaufsboykott spaltet Istanbul | |
> Mit einem Boykottaufruf protestiert die türkische Opposition gegen | |
> Festnahmen im Rahmen der Inhaftierung von Ekrem İmamoğlu. Die Regierung | |
> ist empört. | |
Bild: Nach dem Boykott: Ein Teeverkäufer auf einem Gewürzmarkt in Istanbul am… | |
Istanbul taz | Im Zentrum von Kadiköy, dem größten Istanbuler Bezirk auf | |
der asiatischen Seite der Stadt, herrschte am Mittwoch gähnende Leere. | |
Viele Geschäfte waren geschlossen, bei den anderen fehlte die Kundschaft. | |
Der Einkaufs-Boykott, zu dem die oppositionelle CHP für den 2. April | |
aufgerufen hatte, legte Kadiköy weitgehend still. | |
Auch in anderen Teilen der größten Stadt der Türkei, vorwiegend in den | |
Bezirken in denen die Opposition stark ist, sah es genauso aus. Anders | |
dagegen in Stadtteilen die mehrheitlich AKP wählen, die Partei von | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Hier ging das Leben anscheinend seinen | |
normalen Gang. Zwischen den beiden politischen Polen der Stadt zeigte sich | |
ein gemischtes Bild. Die Läden waren teilweise zu und im Internet | |
kursierten Videos von Einkaufszentren, in denen nur sehr wenige Menschen | |
unterwegs waren. | |
Der Boykott war ein [1][Protest gegen die vielen Verhaftungen] junger | |
Menschen während der Demonstrationen gegen die [2][Inhaftierung des | |
Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu (CHP)]. Insgesamt 301 | |
StudentInnen sitzen seit Beginn der Proteste vor zwei Wochen in | |
Untersuchungshaft, viele berichteten von Schlägen und schweren | |
Misshandlungen in Polizeihaft. Insgesamt waren mehr als 2000 Demonstranten | |
vorläufig festgenommen und mehrere Tage in Polizeihaft festgehalten worden. | |
Neben dem völligen Boykott am 2. April, appelliert die CHP an alle | |
Demokraten, bei Unternehmen und Firmen, die der Regierung nahestehen, nicht | |
mehr zu kaufen. Dazu gehören neben den vielen regierungsnahen Medien auch | |
Ketten wie Espresso Lab, Mado, D&R, etstur, Dogus und auch ausländische | |
Unternehmen wie VW und Audi. | |
## İmamoğlu dankt für Unterstützung | |
Auf Regierungsseite sorgt der Boykottaufruf für Empörung. Der | |
Handelsminister Bolat spricht von einem Konsumenten-Putsch, Justizminister | |
Tunc von einer organisierten „Hetzkampagne gegen die Wirtschaftsordnung“. | |
Bekannte Erdoğan-Unterstützer wie der frühere deutsche | |
Fußball-Nationalspieler Mesut Özil, fordern den Schutz lokaler Marken und | |
den gesellschaftlichen Zusammenhalt. | |
Die Regierung droht, gegen alle Boykott-Unterstützer scharf vorzugehen. | |
Bereits am Mittwoch gab es erste Verhaftungen. Elf Personen wurden | |
festgenommen, darunter zwei bekannte SchauspielerInnen. Besonders scharf | |
ging die Polizei am Mittwoch gegen die TeilnehmerInnen eines kleinen | |
Konzertes in Kadiköy vor. | |
Der deutsch-italienische [3][Pianist Davide Martello], der bereits die Gezi | |
Proteste 2013 mit seinem Klavier begleitet hatte, wollte auch jetzt zur | |
Unterstützung der Demonstranten ein kleines Konzert geben. Die Polizei nahm | |
in fest, beschlagnahmte sein Klavier und schob ihn noch in der Nacht von | |
Mittwoch auf Donnerstag nach Bulgarien ab. | |
Am Donnerstag bedankte sich der inhaftierte Bürgermeister İmamoğlu auf X | |
für die Unterstützung im In– und Ausland. Er dankte dem Europäischen | |
Parlament und dem Europarat für ihre Solidarität, insbesondere dem | |
Vorsitzenden des Städtenetzwerks Eurocities Dario Nardella und der | |
EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos. Diese hatte ein Treffen mit dem | |
türkischen Außenminister Fidan verweigert und auch ihre Teilnahme an einem | |
Diplomatie-Forum im türkischen Antalya abgesagt. | |
Nicht absagen wollte die EU hingegen ein Treffen mit einer hochrangigen | |
türkischen Wirtschaftsdelegation, die sich am Mittwoch in Brüssel mit | |
EU-Vertretern traf. Ursprünglich sollte zur türkischen Delegation auch der | |
Vorsitzende des Unternehmensverbandes TÜSIAD, Orhan Turan, gehören. Wegen | |
Kritik an der Regierung war er aber kurzfristig festgenommen worden und | |
darf seitdem nicht mehr ausreisen. | |
3 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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