# taz.de -- Konzert von Moor Mother und Sumac: Bedrohliche Musik für eine bedr… | |
> Sie waren maximal laut: Die Dichterin und Musikerin Moor Mother und die | |
> Post-Metal-Band Sumac traten in Berlin auf. Die gemeinsame Platte folgt | |
> diese Woche. | |
Bild: Drastisch, intensiv, politisch: Moor Mother und Sumac standen im Berliner… | |
Wenn man verschiedene Weisen der Herstellung von musikalischer Intensität | |
auf einer Bühne zusammenbringt und sie sich dann gegenseitig potenzieren, | |
kracht es mitunter ganz gewaltig. [1][Die Musikerin und Spoken-Word-Poetin | |
Camae Ayewa macht seit fast fünfzehn Jahren unter dem Namen Moor Mother | |
Musik] in verschiedenen Konstellationen. Allen Ergebnissen dieser | |
Zusammenarbeiten ist gemeinsam, dass sie auf verschiedenen Wegen ein | |
Maximallevel an Energie, Anspannung und Präsenz erreichen. Im Bi Nuu am | |
Schlesischen Tor spielte sie am Donnerstagabend mit der Post-Metal-Band | |
Sumac ein Konzert, das das Publikum in einer knappen Stunde umfassend | |
niederdrückte. | |
Moor Mother nimmt die Einflüsse für ihre Klang- und Textkunst aus vielen | |
Genres und Gebieten und klingt trotzdem unvergleichbar. Auf ihren ersten | |
Soloalben touchierte die Musik immer wieder die Grenze zur Reizüberflutung: | |
Spoken-Word-Passagen, verfremdete Stimmen, Hip-Hop-Elemente, rohe oder | |
absichtlich aus dem Takt geratene Beats, Geräuschkulissen, | |
Industrial-Anklänge und wummernde Bässe bildeten dichte Klangflächen, die | |
eher an Montagen als an klassische Songs erinnerten. | |
Es folgten Alben mit der Free-Jazz-Band Irreversible Entanglements und | |
Gastauftritte beim Art Ensemble of Chicago und dem Industrial-Dub-Projekt | |
Zonal. Auf den Begriff bringen lässt sich diese Musik nicht. Aber es gibt | |
doch ein verbindendes Moment, und das ist neben der Stimme Ayewas [2][eine | |
Wut, die sich aus der Erinnerung an die und dem Wissen von der | |
Gewaltgeschichte des eigenen Landes speist]. | |
Unterschiedliche musikalische Universen | |
Vor dem Konzert – die gemeinsame Platte wird erst diese Woche erscheinen – | |
hätte man vermuten können, dass hier etwas unverbunden neben dem anderen | |
stehen bleiben würde. Das Gegenteil war der Fall. Eine Band und eine | |
Sängerin aus unterschiedlichen musikalischen Universen brachten ihre | |
jeweiligen Techniken zusammen und rissen in der Folge dann gemeinsam alles | |
ein. | |
Der Sound von Sumac, der das Gerüst bildete, ist unheimlich präzise. | |
Schlagzeuger Nick Yacyshyn spielt millimetergenau, die Gitarre von Aaron | |
Turner, dem früheren Sänger der stilbildenden Post-Metal-Band Isis, klingt | |
fies uneinladend, die Musik generell abweisend und Vereinzelung befördernd. | |
Die Härte kommt hier nicht nur aus der Lautstärke oder der Massivität des | |
Sounds, sondern aus seiner Abgeriegeltheit. Man soll nicht mitmachen | |
können. | |
In diese trockene, eiskalte Szenario speiste Moor Mother dann ihren Text | |
ein. Es begann mit dunklem Genuschel, elektronisch verfremdet, das bald in | |
Schreien überging. Man musste die Lyrics nicht verstehen, vieles strudelte | |
im umfassenden Lärm des Abends einfach weg, aber man konnte trotzdem ahnen, | |
was los ist, auch wenn immer wieder nur einzelne, durchaus metalaffine | |
Sätze durchdrangen: „The sky is falling“, „There will be blood.“ Sumac | |
spielen ihre Musik maximal laut, also konkret und zugleich abstrakt, | |
[3][Moor Mother vermittelt eine sehr unmittelbare Wut], die einen trifft | |
und überzeugt, auch wenn man die Erfahrungen, die hier verhandelt werden, | |
nicht teilt. | |
Politische Musik, im vorbewussten Sinne | |
Was in dem Sprachstrom an diesem Abend thematisiert und geschrien, woran | |
erinnert wurde, war, wie gesagt, akustisch kaum zu verstehen. Aber das | |
Gesprochene und Gesungene wurde spürbar, als in ihrer Drastik überraschende | |
Intensität. Was Sumac und Moor Mother auf der Bühne herstellten, war | |
politisch in einem weiteren, vorbewussten Sinne. Politische Musik heißt | |
hier, die Wahrnehmungskanäle zu öffnen, mit klanglicher Gewalt. | |
Man konnte sich in das apokalyptische Bild, das hier gezeichnet wurde, | |
nicht solidarisch einklinken. Politische Musik, die keine Verbündeten will, | |
sondern sagt, was geschehen ist und was geschieht. Und man musste nicht | |
viel assoziieren, um den Abend als eine adäquate künstlerische Antwort auf | |
den momentanen laufenden Siegeszug des Faschismus zu verstehen und zu | |
spüren. | |
Das Bedrohliche dieser Musik ist das Bedrohliche der Welt. Oder, wie Moor | |
Mother auf „Analog Fluids of Sonic Black Holes“ schrie: „You think this | |
hell won’t come for you?“ Leider nicht mehr, nein. | |
21 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Benjamin Moldenhauer | |
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